Zum Artikel Saalhauser Bote Nr. 14, 1/2004
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Unsere Kleine Welt
Saalhausens
vergessene Wege
3.
Der Wormbacher Weg
Von
Friedrich Reinarz
Bereits mit dem Römern
erreichte das Christentum das Rheinland. Unsere Heimat wurde erst
viel später missioniert.
Mit dem kriegerischen Vordringen
der christlichen Franken über den Rhein gegen die
Völkerschaften, welche man später als Westfalen
zusammenfasste, verlieh Karl der Große den vereinzelten
Bekehrungen durch meist aus Britannien stammenden Missionaren
raumgreifend Nachdruck. Herren und Heere zogen dabei auch über
den frühzeitlichen Handelsweg von West nach Ost, der die
deutschen Orte Aachen, Köln, Kassel, Halle, Leipzig und Breslau
berührte. Im Sauerland nennt man den heimischen Abschnitt dieser
Strecke Heidenstraße.
Vielfach erklärt man den
Namen damit, dass dieser Heerweg dem Feldzug gegen die unchristlichen
Sachsen, den „Heiden“ diente. Das halte ich für eine
frömmlerische Legende. Eher kann ich denen folgen, welche den
Weg über die vielen Höhen führen sehen, welche im
Mittelalter für die Holzköhlerei entwaldet, durch
gründliches Abweiden und Entnahme der Humusdecke als Einstreu zu
vegetationsarmen Blößen, zu "Haiden" verkamen.
An dieser Heidenstraße
wurden Pflöcke fränkischer Macht eingeschlagen und es kam
vermutlich um 800 nach Christi zu den Gründungen der Urpfarren
Attendorn, Wormbach und Medebach. Typisch für eine Erstgründung
jener Zeit war das Patronat der Apostel Petrus und Paulus für
die Kirche in Wormbach. In dem Seelsorgebereich dieser Pfarrei lagen
das obere Lennetal und der Hundemgau.
Bis zur Entstehung der auch
Saalhausen umfassenden Pfarre Lenne im 13. Jahrhundert und deren
eigenem Friedhof blieb die Kirche in Wormbach, zunächst für
die noch oder wieder hier wohnenden christianisierten Franken, und
schließlich für alle Bekehrten religiöser
Mittelpunkt. Rund fünfhundert Jahre gingen also Christen aus
Saalhausen und Umgebung nach Wormbach in die Messe und bestatteten
dort ihre Toten.
Wenn man die Übersichtsskizze
von Saalhausen für das Urkataster 1832 betrachtet, fällt
auf, wie im Nordosten des Dorfes, hinter dem Einegge, die Wege wie
ein Fächer auseinanderlaufen.
Zu dieser Zeit folgt ein Weg in
gebotenem Abstand dem Lennefluss ostwärts zur Habuche, um die
Dörfer Lenne und Milchenbach zu erreichen. Der andere teilt sich
nach dem Passieren des Rinsenbraukes dreifach auf. Der erste steigt
sogleich steil zum Rinsenberg, so heißt er jetzt noch richtig.
Der zweite steuert das steile Tälchen der Saßmecke an und
klettert dann auf die Hardt, einer Südschulter des Himberges;
bis zur flachen Senke auf ihrem Rücken lässt er sich als
Hohlweg leicht verfolgen. Ob hier an der "Haustatt" früher
Holz zugerichtet wurde oder gar jemand in der Rodungsphase siedelte,
bleibt zu spekulieren.
Der dritte und ausgeprägteste
ist unser Weg. Die heutige Verkehrsschlagader des Oberdorfes, die
Auerhahnstraße, soeben mit einer neuen Fahrbahndecke versehen,
war schon früher Gegenstand behördlicher Sorge. So heißt
es 1923 im Kirchhundemer Amtsprotokoll: „Wegen der ungeheuren
Belastung der Gemeinde wird eine Grenzfeststellung der Gemeindewege
... beschlossen: 1.... 2. Böddesweg bis zum Böddesbach vor
dem Techholz ...“.
Diese Straße bildet im
östlichen Teil auch jetzt noch einen Hohlweg. Das ist keine
Laune der Straßenbauer, sondern Folge eines starken Verkehrs im
Mittelalter und bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Wie oft mag in den
Generationen die Sohle des Hohlweges schon aufgefüllt worden
sein, damit der Böddesbach ihn nicht als Bett eroberte. Denn
nass und ungrundig war es damals im Lennetal oberhalb der
Felsschwelle zwischen Mühlenknapp und Einegge genug.
Wie heute teilte sich der Weg
vor dem Böddesbach. Der erste durchwatete das Gewässer und
stieg in klassischer Manier auf dem dahinter liegenden Festen hinan.
Seiner Spur folgt jetzt noch im ersten Abschnitt die Teckholzstraße.
Bereits auf dem Anwesen der Familie Schöttler steigen die auf
dem felsigen Grund nicht überall deutlichen Hohlwege weiter nach
Osten , umschlagen den schartigen Rücken des Goldstein, früher
Gollstein oder Gellstein, um auf den nördlich anschließenden
Sattel, den Übergang zum Böddesberg, zu gelangen. Dieser
Platz zum Ausruhen ist heute touristisch als Hohe Schlade markiert
und gewährt einen ersten Ausblick nach Osten bis nach
Grafschaft.
Den trockenen Anstieg aus dem
Lennetal gewährte die langgestreckte Westschulter des Goldstein.
Sie heißt auf den alten Karten Techholz und weist auf einen
kirchlichen Würdenträger als Besitzer hin; der Ausdruck
„Teche“ steckt heute noch in der Amtsbezeichnung Dechant.
Die spätere Version Teckholz entspricht mehr der harten
Aussprache der Sauerländer Zunge. Auch der dort angesiedelte
Flurname Drostenholz hängt wohl mit der weltlichen Funktion
früherer Eigentümer zusammen.
Während der soeben
beschriebene Weg über den Berg zog und dafür den Böddesbach
querte, blieb der abzweigende zunächst im Tal über dem
westlichen Ufer des Wasserlaufs. Seine nach Norden führende
Trasse um den Fuß der Hardt ist heute von einer Teerstraße
bedeckt. Erst am Zufluss des Siepens aus der Hohen Schlade spurt er
durchs Wasser und steigt mehr oder minder im tiefeingeschnittenen
Bachbett zum Sattel hinauf. Nur vor dem Quellbereich gräbt sich
ein Hohlweg in den südlichen Hang des Böddes, um die
sumpfige Stelle zu umgehen.
Das Urkataster weist hier auf
einen "Holzweg" hin. Das spiegelt die wirtschaftliche
Bedeutung; denn um 1570 verkauften Erben des Caspar von Oell den Berg
Böddes oder "Bordes" an die Saalhauser Trillinck,
Freyde/Wrede, Johann (auf den Steinen?) und Liege/Ledige (Albert K.
Hömberg, Akten des Reichskammergerichts, HSO 1954). Noch heute
trägt der flache humusreiche Bergrücken einen stattlichen
Buchenhochwald. Auf den mir bisher zugänglichen Karten steht
jeweils Böddes. Als ich mit Werntropern sprach, klang das Wort
tatsächlich "Bordes"!
Oberhalb der morastigen Senke in
der Hohen Schlade erkennt man wieder vier ausgefahrene Hohlwege. Sie
und der vom Techholz kommende vereinigen sich hier und streben in
zwei, jetzt noch mannstiefen markanten Hohlwegen weiter auf den
Böddes. Von dort nehmen inzwischen Wirtschafswege die alten
Spuren fort und führen wie damals über den anschließenden
Buckel des Lammerkopfes auf den Ostgipfel des Auerganges zu. Dessen
steile Hänge beherrschen die Gegend und riegeln das
Einzugsgebiet des Böddesbaches nach Norden ab.
Von der Höhe des Böddes
kürzt ein Weg erst flach und dann steil neben den Böddesfelsen
hinunter bis zum Zusammenfluss der beiden Gewässer ab, der
sicher nur für leichte Fuhren oder leere Karren gedacht war.
Dieser Platz, "An den Buchen" genannt, wird heute von einer
Teichanlage mit Haus gestaltet. Sowohl im Böddesbach als auch im
Schladesiepen zweigen vorher ein Dutzend Zisternen kostbares Nass für
Saalhausen ab. Die in den 80er Jahren erbaute Anlage leitet das
Wasser zu dem Filterhaus auf dem Schlehbergelchen.
Der Greitemann-Stein
Vor der nächsten
Richtungsänderung trifft unser Weg auf den Greitemann-Stein. Der
Gedenkstein ist von zahlreichen Legenden umwoben, eine davon ist auch
in der Saalhauser Chronik von 1981 aufgenommen. Die darin enthaltene
Schilderung eines Leichentransportes im Kohlenwagen nach Köln
und zurück wirkt ebenso fantastisch wie unwahrscheinlich.
Konkret sollen Greitemann und
sein Widersacher wegen eines strittigen Waldes an einem Septembertag
des Jahres 1706 vor das Gericht in Bilstein gezogen sein. Greitemann
obsiegte und wurde auf dem Rückweg von seinem Kontrahenten
erschlagen.
Falls die Bluttat wirklich nahe
der Gedenkstätte geschah, ist die Route der beiden
bemerkenswert. Beide stammten aus Menkhausen, welches nördlich
von uns an der Wenne liegt.
Von Bilstein dorthin konnte man
auch damals den bekannten "Römerweg" über
Grevenbrücke, Elspe, Cobbenrode und dann ostwärts über
Niederlandenbeck fuhrwerken.
Ebenso stand die Linie
„Römerweg“, ab Elspe "Heidenstraße"
bis Bracht und sodann "Kriegerweg" nach Niederlandenbeck
zur Wahl. Doch unsere Streithähne zogen offensichtlich von
Bilstein über die Rüberger Brücke, den Hundemer Weg
auf Saalhausen, um über unseren Weg nach Felbecke, Selkentrop,
Berndorf und heimwärts zu gelangen.
Warum? Nach meiner
Lebenserfahrung kehrt der Prozesssieger am Platze ein. Der
Unterlegene räumt sogleich den Kampfplatz und trinkt sich
woanders einen. Wo? Natürlich in dem weit und breit größten
Dorf der Gegend mit den meisten Schnapsschenken: Saalhausen!
So hat unser Dorf wahrscheinlich
Anteil am tragischen Geschehen zwischen zwei Wegekundigen.
Einer könnte den anderen
eingeholt haben, vielleicht sind sie aber auch von Saalhausen
gemeinsam weitergefahren.
Mit dieser (schnaps-)ernsten
Spekulation möchte ich heute schließen. An diesem Punkt
des Wormbacher Weges werde ich demnächst wieder ansetzen.
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