Mit dem Einstieg in das Berufsleben endete für mich eine Zeit, die mich im positiven Sinne nachhaltig geprägt und den Grundstein für all meine künftigen Tätigkeiten und vor allem Entscheidungen gelegt hat. Die Schrecken des Krieges und seine ebenso erschreckenden Folgen sind dabei in keiner Weise vergessen. Ebenso nicht vergessen ist aber auch die Sicherheit und Geborgenheit in der dörflichen Gemeinschaft bei aller anfänglichen Evakuierungs-Problematik, die ich manchmal bitter erfahren musste.
Die Schule hatten wir verlassen und jetzt ging es darum, möglichst schnell einen Arbeitsplatz zu finden. Lehrer Stöwer hatte mich bereits nach der sechsten Klasse auf das Gymnasium schicken wollen, aber das dort benötigte Schulgeld konnten wir nicht aufbringen.
Die bis dahin geltende achtjährige Allgemeine Schulpflicht war um ein Jahr verlängert worden und wir waren der erste Jahrgang, für den die nunmehr neunjährige Schulzeit verpflichtend wurde. Für die Familien, deren Ernährer im Krieg „für Führer Volk und Vaterland” ihr Leben gelassen hatten, die keinen Grund und Boden besaßen, der sie ganz oder teilweise ernährte oder über anderweitige Versorgungsmöglichkeiten verfügten, für diese Familien bedeutete die einjährige Schulzeitverlängerung eine weitere wirtschaftliche Einschränkung.
Bis die zu erwartende Kriegshinterbliebenenrente ermittelt und monatlich ausgezahlt wurde, konnte es Jahre dauern. Die Beschaffung der behördlich beglaubigten Unterlagen über den Tod des Soldaten, mit denen erst ein Anspruch auf eine Rente erhoben werden konnte und die Festlegung des Halbwaisenstatus der Kinder, der für die Höhe der Rente bedeutsam war, all diese Dinge mussten zuvor geregelt werden. Hinzu kam, dass die zuständigen Verwaltungseinrichtungen nach dem Krieg erst wieder neu aufgebaut werden mussten. Trotz einer für die Übergangszeit eingerichteten Sozialfürsorge mussten diese Familien, zu denen auch wir gehörten, zusehen wie sie zurecht kamen.
So blieb es nicht aus, dass z.B. beim Kaufmann in dieser Zeit grundsätzlich angeschrieben wurde. Peter Kuhlmann, unser damaliger Lebensmittelhändler, besaß ein festgebundenes Buch, in das er die schuldig gebliebenen Beträge eintrug. Diese wurden bei nächster Gelegenheit erstattet. Und da hierdurch in der Regel der neue Etat gleich wieder ausgeschöpft wurde, begann das Anschreiben von vorne. Ein Tröstliches hatte das Buch: Immer dann, wenn es wegen einer neuen Eintragung aufgeklappt wurde, konnte man erkennen, dass der eigene Name nicht alleine dort stand, sondern sich die Anzahl der „Schuldner” über viele Seiten erstreckte.
Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund galt es nach Verlassen der Schule nun in zweierlei Hinsicht, die richtige berufliche Entscheidung zu treffen. So musste die tägliche Versorgung notgedrungen an erster Stelle stehen, d.h. es musste zuerst Geld verdient werden. Erst dann konnte die eigentlich entscheidende Frage, nämlich die nach der beruflichen Zukunft, in den Blick genommen werden. Hier zeigte sich, dass sich noch lange nicht jeder den Luxus einer qualifizierten Berufsausbildung erlauben konnte, da der Lehrlingslohn den täglichen Bedarf bei weitem nicht deckte. Das Geldverdienen musste also absoluten Vorrang besitzen.
Als jüngster der Familie war ich der erste, dem der Luxus einer solchen Ausbildung gestattet wurde. Die Frage, welcher Beruf es denn sein sollte, stellte sich jedoch nicht. Wichtiger war es, überhaupt eine Lehrstelle zu finden. Wenn jemand Kenntnis von einer freien Stelle bekam, wurde sofort zugegriffen. So geschah es auch bei mir.
Und damit stand ich am Beginn einer Welt- und Lebenserfahrung, die kaum noch Berührungspunkte mit dem besaß, was ich bisher gelernt und zu meinem Erfahrungsschatz gemacht hatte. Meine neue Lehrstelle befand sich in Altenhundem. Dort sollte ich bei der Firma Rudolf Michel den Beruf des Drehers erlernen. Weder die Firma noch der Beruf sagten mir etwas. Also machte ich mich auf den Weg, um die Firma zu suchen. Mit dem Fahrrad ging es zunächst über die B 236 bis zur Kreuzung in Altenhundem. Hier erführ ich, dass die Firma sich am äußersten Rande des Ortes auf der Strecke nach Kirchhundem befand.
Nach etwa zwei weiteren Kilometern über die Hundemstraße unter der Rüberger Brücke hindurch bemerkte ich unterhalb der Straße zur Bahn hin einige Fabrikhallen. Doch von der Firma Michel war weit und breit nichts zu sehen. Ich fasste mir ein Herz und fuhr die Straße zur Fabrik hinunter.
Hier stand ich nun mutterseelenallein vor dem Eingang der Firma Haub & Deller, heute Haub und Schöllnhammer, Hundemstr. 132. Ich hatte das Gefühl, mich in einen völlig fremden Ort verirrt zu haben. Zum Glück kam ein Arbeiter aus einer der Hallen. Ihn fragte ich nach der Firma Michel und er erklärte mir, dass ich hier völlig richtig sei, die Firma befände sich in einer der Hallen.
Mit gemischten Gefühlen machte ich mich auf den Heimweg. Man hatte uns mitgeteilt, dass wir schriftlich über alles Notwendige informiert werden würden, vom Abschluss des Lehrvertrages bis zu den Arbeitszeiten usw. Da ich keine konkreten Vorstellungen von meinem neuen Arbeitsplatz hatte, konnte ich auch nicht sagen, ob sich meine Erwartungen erfüllt hätten. Der erste äußere Eindruck jedoch war sicher nicht von freudiger Erwartung geprägt und es sollte sich zeigen, dass im Folgenden Art und Inhalt der Ausbildung diesen Eindruck noch wesentlich verstärkte.
Die tägliche Arbeitszeit betrug zehn Stunden. Sie begann morgens um sieben Uhr und endete nachmittags um siebzehn Uhr. Von den zehn Stunden wurde eine halbe Stunde als Mittagspause abgerechnet, so dass wir auf eine reine Arbeitszeit von 9,5 Stunden täglich kamen. Das ergab in fünf Tagen 47,5 Stunden. Da die wöchentliche Arbeitszeit damals 48 Stunden betrug, kam am Freitag noch eine halbe Stunde hinzu.
Wenigstens ein freier Samstag, so dachte ich mir; doch weit gefehlt. Der freie Samstag diente nicht, wie später einmal die Gewerkschaften forderten, der Erholung oder der Familie, sondern er war vom Chef so eingerichtet worden, damit einmal wöchentlich die Fabrik gründlich gereinigt werden konnte.
Diese Reinigung wurde ab der ersten Woche den neuen Lehrlingen übertragen und fand, wie gesagt, an dem freien Samstag statt. Wir waren zu dritt und Herr Michel wies uns an den ersten Samstagen in diese Aufgabe sehr genau ein. So mussten wir alle in der Woche nicht beseitigten Dreh- und sonstigen Eisenspäne mit der Schubkarre hinaus transportieren, es mussten die Werkzeugmaschinen blitzblank geputzt und der Fußboden mit Sägespänen ausgestreut werden, um das ausgelaufene Öl aufzusaugen und am Ende musste der Fußboden mit dem Besen und dort, wo es die vielen Ecken und Eckchen nicht anders zuließen, mit dem Handfeger so sauber gefegt werden, dass auch nicht ein Holzspänchen mehr zu sehen war.
Für diese Arbeiten benötigten wir je nach Zustand der Fabrik bis zu fünf Stunden. Herr Michel hatte uns großzügig erlaubt, an diesen Samstagen erst um acht Uhr zu beginnen. So leisteten wir in der Regel bis 13:00 Uhr eine Schwerstarbeit, die heute unter dem Begriff „ausbildungsfremde Arbeiten” für Auszubildende verboten ist.
Als wir erkannten, dass die Samstagsarbeit für uns Lehrlinge nicht eine Ausnahmereglung war, wie wir anfangs annahmen, sondern sich als Dauereinrichtung herausstellte, nahmen wir schließlich allen Mut zusammen und baten unseren Chef um eine für uns günstigere Regelung, denn so kämen wir auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 53 Stunden. Hier aber hatten wir die Rechnung ohne den „Chef” gemacht. Er schrie uns an, dass das, was wir da täten, eine Unverschämtheit sei, an Widerstand gegen die Obrigkeit grenze und wir uns ein für allemal merken sollten: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre”. Ansonsten wären wir ein undankbares Pack, denn er gäbe uns Arbeit und müsse uns noch obendrein bezahlen, obwohl wir nichts einbrächten. Also blieb es bei 53 Wochenstunden für uns Lehrlinge im ersten Lehrjahr.
„Lehrjahre sind keine Herrenjahre.” Dieser Ausspruch beschäftigte mich von da an sehr und ließ mich auch nicht mehr los. Es war mir durchaus klar, dass dieser Satz sicher eine in sich stimmige Aussage barg, doch so, wie er in der damaligen Zeit verstanden wurde, bedeutete er: Lehrjahre sind Jahre der Unterwerfung und des bedingungslosen Gehorsams. Das war allgemeiner Konsens und es verwunderte nicht, wenn Lehrer Stöwer immer dann, wenn es um Disziplin ging, den Satz benutzte: „Wer später einmal befehlen will, muss zuerst gehorchen lernen.”
So stießen wir auch im Dorf auf wenig Verständnis, wenn wir uns über die Zustände in den Firmen beschwerten. Im Gegenteil: Es wurde miteinander verglichen, wer es denn wohl am schlechtesten getroffen hätte. Alternativen gab es nicht. Den von uns in aller Naivität vorgetragenen und auch berechtigten Wunsch nach einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen verstand die damals verantwortliche Generation als einen Angriff auf die preußischen Tugenden von Pflicht und Gehorsam.
Der Weg zur Arbeit betrug bis zum Bahnhof Altenhundem acht Kilometer und von dort bis zur Firma nochmals knapp zwei Kilometer – also ca. zehn Kilometer. Als öffentliches Verkehrsmittel gab es den Bus der Bundesbahn für die Hinfahrt und den Zug für die Rückfahrt. Der Bus fuhr morgens bereits um 5:20 Uhr ab Saalhausen und der Zug am Abend um 18:45 Uhr ab Bahnhof Altenhunden. Da diese Zeiten sehr ungünstig lagen, bot sich zunächst als Alternative das Fahrrad an. Dieses ging in den Sommermonaten recht gut, obwohl es etwas völlig anderes war, jetzt jeden Tag die Strecke hin und zurück zu fahren, als z.B. einmalig bei einer Radtour zum Rhein-Weser-Turm hier vorbei zu kommen.
Ganz anders aber im Winter. Bei den Schneemassen, die in den damaligen Wintern das Land bedeckten, gab es auf der Straße mit dem Fahrrad kein Durchkommen. Eine Möglichkeit bot sich uns dennoch. Wenn trotz starken Schneefalls der Frühbus fuhr, hinterließ er naturgemäß eine Fahrspur. Diese Spur galt es zunächst acht Kilometer bis Altenhundem zu nutzen. Das war nicht einfach, und man musste schon ein sehr geübter Fahrer sein. Rutschte man dennoch von der festgefahrenen Spur ab, so kam es unweigerlich zu einem Sturz in den weichen Schnee, und das geschah immer wieder. War endlich das Ziel erreicht, so wurde jeder, der mit dem Rad kam, mit der mitfühlenden und vergleichenden Standardbemerkung empfangen: „Na, wie oft bisse denn heute auffe Fresse gefallen?”
Lange war ein solcher Zustand nicht aufrecht zu erhalten. Es lief also doch auf Bus und Bahn hinaus. Das bedeutete: Hinfahrt um 5:20 Uhr bis zum Bahnhof Alten-hundem. Dort eine Stunde Aufenthalt bis zum Arbeitsbeginn um 7:00 Uhr. Arbeitsende um 17:00 Uhr. Jetzt eine Stunde und fünfundvierzig Minuten Aufenthalt bis zur Abfahrt des Zuges um 18:45 Uhr. Ankunft ca. 19:15 Uhr in Saalhausen Bahnhof. Mit der Fahrzeit zusammengerechnet kamen wir auf einen ca. 14 Stundentag. Bei fünf Tagen bedeutete das 70 Stunden in der Woche. Und rechneten wir den Samstag mit fünf Arbeitsstunden und drei Wegstunden hinzu, so kamen wir insgesamt auf 78 Wochenstunden. Der Lehrlingslohn betrug zu der Zeit im ersten Lehrjahr 20,00 DM, im zweiten 30,00 DM und im dritten Lehrjahr 60,00 DM. So sahen die Ausbildungsbedingungen für einen Lehrling im ersten Lehrjahr anno 1952 aus.
Das Betriebsklima bei der Firma Michel wurde ausschließlich durch den Chef geprägt. Während Meister und Arbeitskollegen uns neuen Lehrlingen helfend zur Seite standen, glaubte der Chef uns entsprechend seinem Motto „Lehrjahre sind keine Herrenjahre” behandeln zu müssen. Er erklärte nicht, sondern er forderte, unabhängig davon, ob wir das Geforderte beherrschten oder nicht. Und da wir anfangs naturgemäß so gut wie nichts konnten, erlebten wir täglich seine Reaktion, die aus wütenden Zurechtweisungen und lauten Beschimpfungen bestand. Und wenn sich jemand, wie er glaubte, besonders dumm anstellte, so konnte es passieren, dass er handgreiflich wurde und ihn mit Schlägen in den Nacken traktierte.
Auf Otto, einen Lehrling aus Saalhausen, der sich bereits im dritten Lehrjahr befand, hatte er es besonders abgesehen. Immer wieder kam es zu Zwischenfällen und auch Schlägen. Auf unser Drängen hin, sich das nicht gefallen zu lassen, erklärte er uns eines Tages, dass er beim nächsten Mal zurückschlagen werde. Und so kam es auch. Als Herr Michel ihn wieder einmal im Vorbeigehen unter dem Hinweis, er solle besser aufpassen, einfach in den Nacken schlug, holte dieser aus und schlug ihm seinerseits mit aller Kraft die geballte Faust ins Gesicht. Herr Michel taumelte gegen die nächste Maschine und verließ dann blutend die Halle. Otto zeigte uns am nächsten Tag stolz die Abdrücke der Zähne, die der Schlag auf seinem Handballen hinterlassen hatte. Zu einer Kündigung kam es nicht, da die Angelegenheit zwischen Herrn Michel und Ottos Vater, der selbst eine kleine Dreherei in Saalhausen besaß, anderweitig geregelt wurde.
Am übelsten empfand ich, dass er auf diese Weise rücksichtslos junge Menschen, die eben die Schule verlassen hatten, verletzte und beleidigte und so jede Form wachsenden Selbstvertrauens zu ersticken versuchte. Ich war davon überzeugt, er wusste genau, was er tat. Dass er sich mir gegenüber zurückhaltender zeigte, obwohl ich ihn ebenso fürchtete wie die anderen, konnte ich mir nicht erklären.
Seine Auffassung von der eigenen Pflichterfüllung, hinsichtlich seiner Ausbildungsverantwortung, ließ sich daran ablesen, wie er uns einsetzte. So mussten wir sämtliche Transportkisten, die benötigt wurden, selber bauen und die bestückten Kisten anschließend zum Güterbahnhof tragen. War die Last für eine Person zu schwer, so musste ein zweiter Lehrling mit anfassen. Für den Hinweg benötigten wir etwa 45 Minuten, und solche Lasten über diese Distanz zu schleppen, war eine einzige Quälerei.
Unvergessen bleibt mir der 11. November 1952. Es hatte den ersten, starken Nachtfrost gegeben und tagsüber heftig geschneit. Als es auf 17:00 Uhr zuging – wir bereiteten uns auf den Feierabend vor – mussten wir Lehrlinge auf Anordnung des Herrn Michel warten. Der Grund war ein mächtiger Lastwagen mit Anhänger, beide hoch beladen mit Hohlblocksteinen. „Abladen”, hieß es nur. Und so begannen wir bei Minustemperaturen und heftigem Schneefall mit bloßen Händen – Schutz-Handschuhe gab es nicht - diese rauen und schweren Steinblöcke Stück für Stück abzuladen. Es blieb nicht aus, dass wir uns schon nach kurzer Zeit die Haut an den Fingerkuppen abgeschürft hatten. Gegen 21 Uhr waren wir fertig und jetzt galt es noch, mit blutigen Fingern und bei Minustemperaturen mit dem Fahrrad nach Hause zu fahren.
Die Steine, die wir abgeladen hatten, waren für einen Fabrik-Neubau bestimmt, der im folgenden Sommer an der Hundemaue errichtet werden sollte. Auch hier bekamen wir unsere Sonderaufgabe, die ebenso wie die anderen Aufgaben mit unserer Ausbildung nicht das Geringste zu tun hatte. So brachte er uns drei eines Tages mit seinem alten Mercedes zur Baustelle. Hier hatte er bereits für einen jeden von uns eine Schüppe und eine Spitzhacke bereitgestellt. Er erklärte uns, es sei nun unsere Aufgabe, die Gräben für die Grundmauern auszuschachten.
Niemand von uns hatte jemals über Stunden, geschweige denn über Tage mit einer schweren Hacke und einer Schüppe gearbeitet. Und da der Boden sehr steinig war, wurde auch diese Arbeit für uns zu einer wahren Schinderei. Hinzu kam, dass der Sommer 1953 sehr heiß wurde. Um uns etwas Kühlung zu verschaffen, taten wir genau das Falsche: Wir zogen unsere Hemden aus und handelten uns so einen mächtigen Sonnenbrand ein. Auf unser Bitten hin erlaubte uns Herr Michel großzügig, an den folgenden Tagen bereits morgens um vier Uhr mit der Arbeit beginnen zu dürfen, um so schon mittags um zwei Uhr aus der Sonne herauszukommen.
Ich scheute mich nicht, in das Werkberichtsheft, das täglich zu führen und am Ende einer jeden Woche von Herrn Michel abzuzeichnen war, fünf Tage hintereinander „Ausschachtungsarbeiten ausgeführt” einzutragen. Das war gut so, wie sich später einmal zeigen sollte, denn mir wurde immer deutlicher, dass wir so nichts lernen konnten und auch keine Prüfung bestehen würden.
Ab dem zweiten Lehrjahr besuchten wir die Berufsschule in Olpe. Hier erkundigte ich mich bei der IG Metall, ob solche Arbeiten, wie wir sie verrichten mussten, zur Ausbildung gehörten und für einen Lehrling im zweiten Lehrjahr überhaupt erlaubt seien. Die Folge war, dass wir nach einigen Tagen ohne jeden Kommentar wieder zurück in die Halle beordert wurden.
Ich vermutete, dass das etwas mit meinem Besuch bei der Gewerkschaft zu tun hatte und sah schon eine Katastrophe nahen. Doch es kam ganz anders. Wieder einige Tage später kam Herr Michel ruhig und gefasst zu mir und fragte mich, ob ich bei der Gewerkschaft gewesen wäre, denn er sei von zwei Herren der Gewerkschaft aufgesucht worden. Als ich die Frage bejahte, nickte er kurz, drehte sich um und ging davon. Mir war endgültig klar: Einem solchen Menschen hätte man niemals die Genehmigung zur Ausbildung junger Menschen erteilen dürfen.
Bei mir kamen die ersten Zweifel auf, ob eine solche Welt jemals meine Welt werden könnte. Doch wenn ich dann abends und an den Wochenenden wieder in Saalhausen war, war auch die Welt zumindest teilweise wieder in Ordnung.
Die Firma Michel meldete im folgenden Jahr Konkurs an und ich fand eine neue Stelle bei der Firma Cordes in Kickenbach.
Wird fortgesetzt!