Saalhauser Bote Nr. 48, 1/2021
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Sommer 2018, ein archäologischer Fund in der Lenne

Von Georg Pulte

Der Sommer war trocken und heiß. Die Lenne führte wenig Wasser. An einem Wochenende kam mir der Gedanke, in den noch vorhandenen Resten der Mühlschlacht nach Bauhölzern zu suchen, um eine Altersfeststellung zu ermöglichen.

Die Mühlschlacht in der Lennelust war das Stauwehr der Saalhauser Mühle. Als Lennelust bezeichnete man die idyllische Landschaft im Wiesental, einschließlich des alten Kirchweges zu dem Pfarrdorf Lenne im unteren Nordhang des Berges Roßnacken.

Im Frühjahr 2002 zerstörte ein Hochwasser das aus Bruchsteinen aufgeschichtete Stauwehr, das ich bereits aus Kindertagen gut kannte. Viele werden sich noch an den hohlen Weidenbaum am Wasser erinnern, in den man hineinklettern konnte wie in eine kleine Hütte mit Sandboden. Wasser-Sand-Steine und viel Natur; in den 1970er Jahren der ideale Platz für Kinder; zudem etwas verwunschen, denn die Fußgängerbrücke über die Lenne gab es noch nicht. Und der Männergesangverein verkaufte auf dem nahe gelegen Festplatz beim alljährlichen Waldfest die passenden Wasserpistolen.

Das Wasser rauschte über die in ansteigenden Reihen gesteckten Bruchsteine, die unten durch ein Querholz gehalten wurden. In späteren Jahren konnte ich beobachten, dass oben am Wehr einzelne Steine heraus gespült waren. Das Wasser floss nun durch die entstandenen Lücken und nicht mehr in voller Breite über das Wehr. Das Querholz unten bekam zum Teil Luftkontakt, faulte schnell und konnte die Steine nicht mehr halten. Das Hochwasser 2002 erledigte dann den Rest. Bei den Untersuchungen, von denen ich im Anschluss berichte, stellte sich heraus, dass es sich um Buchenholz handelt. Buche ist im Saft gefällt und frisch unter Wasser verbaut gut haltbar, fault aber, sobald keine dauerhafte Wasserbedeckung vorhanden ist 1).

Auf der Innenseite der Staustufe, zum aufgestauten Wasser hin, war eine Wand aus senkrecht stehenden Bohlen mit handgeschmiedeten Nägeln unten an einem Kantholz befestigt. Von diesem Kantholz verliefen Eisenbänder durch die Steinschichtung des Wehres zum vorderen Querholz, das mit durchgehenden Schrauben und Muttern daran gehalten wurde. Reste dieser Hölzer sind noch an den Uferseiten vorhanden. Auch die Bohlen und das Kantholz hatte man aus Buchenstämmen gesägt. Zusätzlich entdeckte ich zum linken Ufer hin, auf den dort anstehenden Felsen, ein eigentlich unscheinbares Eichen-Rundholz, das zwischen den Bruchsteinen eingebaut war (daraus Probe 1).

Dendrochronologisches Gutachten Nr. 2018-028, Universität zu Köln, 24.04.2019, Lennestadt-Saalhausen, bei Winterberger Str. 64 im Flussbett der Lenne 2)

Proben aus den Hölzern ließ ich am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln untersuchen. Zum Ergebnis der Untersuchung schreibt Dr. Thomas Frank:

„An den Eichenholzproben ist kein Splintholz erhalten, aber die rundliche Form der Probe 1 lässt zu Recht vermuten, dass annähernd der gesamte Stammquerschnitt erhalten ist. Die Buchenholzproben zeigen noch Ansätze der Rinde, sind also bis zum letzten Jahrring, der Waldkante, erhalten. Die Buchenhölzer zeigen zu den drei mir verfügbaren externen Buchen-Jahrringchronologien keine überzeugende Synchronlage, so dass es keine Datierung für diese Kantholz-Proben gibt. Die Eichenholzprobe 1 stammt aus dem 19. Jahrhundert und hat ein frühestes mögliches Fällungsdatum, einen terminus post quem 3), zwischen 1840 und 1860 AD. Ein späteres Fällungsdatum ist nicht auszuschließen, aber angesichts der oben erwähnten rundlichen Form der Probe möchte ich eine Fällung nach 1880 AD ausschließen.“

Das Stauwehr, wie es die Saalhauser unserer Zeit kannten, war also zur Mitte bzw. in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgebaut worden. Doch das ist nicht die eigentliche Sensation.

Als ich mich im Flussbett weiter umschaute, entdeckte ich ein weiteres Holz, zum linken Ufer hin im flachen Wasser sichtbar. Also nahm ich wieder Hacke und Schüppe zur Hand um zu ergründen, was ich gefunden hatte. Das Holz lag quer in der Lenne, ca. 4 m oberhalb von den Resten der Mühlschlacht.

Beim Freigraben des Holzes im Wasser fiel mir zunächst auf, dass die Seitenkanten tief zwischen Sand und Steine ragten. Ein so mächtiges Kantholz musste eine Bedeutung haben! Als beim Graben die Unterkante erreicht war, ließ sich das Holz selbst mit einer darunter angesetzten eisernen Brechstange nicht bewegen. Nun half nur großes Gerät: Trecker mit Seilwinde geholt und Motorsäge, vorsorglich mit reichlich Ersatzketten. Der Traktor musste in das Flussbett, was dank des niedrigen Wasserstandes möglich war.

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Querschnitt der Eichenschwelle, die man im 16. Jahrhundert in die Lenne einbaute, hier abgebildet in der Schräglage wie im Flussbett vorhanden. Maße: rund 31 x 20 cm. Das linke Bruchstück zeigt eine Aushöhlung. Darin war ein Holz eingefügt, das in die ansteigend über der Schwelle aufgeschichteten Bruchsteine ragte. Diese Holzanker zwischen den Steinen verhinderten ein Wegkippen der Fußschwelle bei Unterspülung.

Um ein möglichst aussagekräftiges Stück entnehmen zu können, grub ich weiter in Richtung des rechten Ufers. Immer tiefer verschwand das Kantholz unter den Flusssteinen, so dass ich die Grube im fließenden Wasser von Hand nur etwa 1 m verlängern konnte. Tiefer im Flussbett liegend war der Erhaltungszustand des Holzes wesentlich besser als bei dem Teilstück knapp unter der Wasseroberfläche, das ich zuerst entdeckt hatte.

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Aus dem Archiv der Gemeinde Kirchhundem (Bestand des früheren Amtes Kirchhundem): Lageplan zum Antrag des Gutsbesitzers Eduard Gerlach zu Saalhausen auf Errichtung eines Sammelteiches und Ersatz zweier Wasserräder durch eine Turbine. / Münster, den 20. Oktober 1904 / A. Kreuz / Königlicher Meliorationsbaurat. Auf dem Gelände des Sammelteiches befinden sich heute die Häuser Winterberger Straße 58 und 60. Foto: Friedrich-Wilhelm Gniffke

Nun das Drahtseil der Winde unter dem Holz durchgeschoben und zwei Schnitte mit der Motorsäge im Abstand von ca. 1,5 m angesetzt. Aber Schneiden im Wasser zwischen Sand und Steinen mögen Motorsägen absolut nicht und so kam es, wie es kommen musste: Nach 4 stumpf geschnittenen Sägeketten und einem Versuch, das Teilstück herauszuziehen (bei dem sich zwar Traktor und Seilwinde im Flussbett bewegten, aber das Holz keinen Zentimeter) ging es zu Fuß nach Hause um die Ketten zu feilen.

2. Versuch: Mit scharfen Sägeketten nochmal in das harte Eichenholz geschnitten, und endlich ließ sich mit der Seilwinde das rund 1,5 m lange Teilstück herausreißen. Zu Hause schnitt ich aus dem am besten erhaltenen Bereich eine Baumscheibe (Probe 2) und schickte diese mit den übrigen Proben zur Universität Köln.

Das Untersuchungsergebnis ist spektakulär und aufschlussreich für die Saalhauser Geschichte. Dr. Thomas Frank schreibt: „Bei Probe 2 (K003365) erwähnten Sie, dass es sich um die „untere Schwelle eines älteren Stauwehres“ handele. Das sehr gut abgesicherte Datum für den letzten Jahrring dieser Probe von 1514 AD bestätigt diese Aussage. Da auch hier wieder kein Splintholz erhalten ist, ist das früheste mögliche Fällungsdatum wiederum ein terminus post quem zwischen 1529 und 1549 AD. Diese Probe ist von rechteckiger Form und wahrscheinlich gebeilt worden 4). Da wir entlang der längsten Jahrringfolgen gemessen haben, kamen hier beachtliche 147 Jahrringe zusammen. Angesichts der Hiebreife von Eichen zwischen 150 und 200 Jahren fehlt hier wahrscheinlich auch nicht mehr allzu viel, so dass ich eine Fällung nach 1570 AD ausschließen möchte.“

Der wesentlich ältere Vorgängerbau der Mühlschlacht stammte also aus dem 16. Jahrhundert. Das ist ein Beweis, dass sich die kurfürstliche Mühle bereits zu dieser Zeit oberhalb der Ortslage Saalhausen befand (vgl. Saalhauser Bote Nr. 37, 2/2015 „Eine Spurensuche“ und Nr. 22, 1/2008 „Stumme Zeugen des mittelalterlichen Saalhausen …“).

Weitere Belege liefern Urkunden, erwähnt in einer Broschüre mit dem Titel: „Alte Urkunden über Grundbesitz und anderes mehr des Hamers-Geschlechtes zu Saalhausen an der Lenne“, Hamburg-Altona, den 15. November 1939, Ilse Hammers:

Original auf Pergament, Grafschaft No. 260 , Staatsarchiv Münster, Kloster:

1560 Mai 6. : Vertrag zwischen Kloster Grafschaft und Thoniss Hamer und Hans Hennichens und Heinrich Rameill und Jacob Wullenweber zu Salhusen wegen des Zehnten einiger Wiesen, die zu den Klosterhoven zu Salhusen gehören: Wiese bober der Erlen, die Thoniss Hamer unterhat. Wiese bober der Mollen under der Cleve, die auch Hamer unterhat …

Staatsarchiv Münster: Kloster Grafschaft, Akten VII No. 88 :

1666: Unter den dem Kloster Grafschaft im Tauschkontrakte von 1557 (mit dem Kölner Kurfürsten) für die Tiebacher Güter (im Rheinland) abgetretenen Güter war auch die Mühle zu Saalhausen, in deren Besitz jedoch das Kloster nicht gelangt war, weil sie an von Fürstenberg verpfändet war; das Kloster bittet den Churfürsten, es in den Besitz der Mühle zu setzen.

Actum Grafschaft anno 1673 den 17. May : Johan Muss gebrauche Hammers-Gute zu Salhusen: Ein Landt in dem Oil vor dem Mollenkleve …

Ein weiterer interessanter Flurname ist 1673: boven den Wieberen (für die heutigen Schützenbrüder und -Schwestern).

Die Bezeichnungen „bober der Mollen under der Cleve“ (oberhalb der Mühle unter dem Kleff) und „in dem Oil vor dem Mollenkleve“ (in dem Ohl vor dem Mühlenkleff) belegen, dass die Mühle bereits 1560 an dem Standort mit der heutigen Bezeichnung Winterberger Straße 56 war. Noch die heute aktuelle Flurkarte des Katasteramtes Olpe bezeichnet den unteren nördlichen Steilhang des 586 m hohen Berges Roßnacken als Mühlenkleff. In der vorgelagerten Ebene trennen zwei Talwiesen das Mühlenkleff vom Fluss, von altersher genannt: im himmlischen Werth (Himmels Werth im Handriss zum Urkataster).

1536 : Der Fischer ist der Müller!

Interessante Einblicke in das Geschehen um die Mühle geben die Steuerregister des 16. und 17. Jahrhunderts, zusammengestellt von Robert Rameil 5).

In den Registern von 1536 und 1543 beginnt die Aufzählung der Namen und damit der Hausplätze, vom Kriegerweg aus in das Dorf kommend, mit Hannß vur der Bruggen und 7 Jahre später Johann vor der Bruggen im Westen der heutigen Straße „In den Peilen“. Der Name leitete sich ab von der Lage an einer Brücke über den südlichen Lennearm (heutige Hausnummer: In den Peilen 21).

Als nächstes folgen 1536 Hannß Fischer, in der nächsten Zeile: sin Knecht. Nach drei weiteren Namen im Bereich der heutigen Jenseite folgt dann noch Hennßken Fischer. 1543 ein gleiches Bild: in der ersten Zeile Johann vor der Bruggen, 2. Zeile: Hanß Fischer, 3. Zeile: des Fischers Knecht, dann wieder drei weitere Namen auf dieser Seite der Lenne und danach noch ein Hans (mit s) Fischer, der 1536 Hennßken genannt wurde.

Auffallend ist, dass in diesen Steuerregistern nicht wie später ein Molner, Mohller oder Moller vorkommt. Und nun des Rätsels Lösung in:

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Sammelteich im Obergraben der Mühle, im Hintergrund links der Bahnhof und rechts die Schützenhalle. Foto/Postkarte: Sammlung Engelbert Schulte, Langenei

Heimatstimmen aus dem Kreis Olpe, 8. Folge, 1951: Das Amt Bilstein im Jahre 1555, von Albert K. Hömberg 6). Er schreibt: „Wertvolle Nachrichten zur Geschichte des Amtes Bilstein enthält eine undatierte, zwischen 1554 und 1556 zusammengestellte Aufzeichnung, die sich jetzt in einem der großen Urbare des Herzogtums Westfalen im Staatsarchiv Münster befindet 7). Aus ihr seien hier einige Nachrichten zusammengestellt, die in der heimatlichen Forschung bisher keine Berücksichtigung gefunden haben. … Pachtgüter des Hauses Bilstein, die alle 8 Jahre neu gewonnen werden mußten, besaßen … . Getreidepächte gaben ferner Hans Fischer als Müller zu Saalhausen und der Müller zu Bilstein.“

Durch die Leibschatzung von 1649 bis 1651 wird das Bild noch klarer 8). Diese Liste beginnt im Osten der heutigen Jenseite mit Jost Metten (heute mein Haus, Am Wiebernbach 3). Vor den weiteren Namen südlich der Lenne folgt als nächstes Haus dann:

Johan Moller hat ein Pfachtgutt (ein Pachtgut, offensichtlich zur bäuerlichen Selbstversorgung der Müllerfamilie und des Mühlenknechts, dort befindet sich heute das Hotel Flurschütz, Auf der Jenseite 11), gebrauchet des Herrn Drosten Molln. Das war die Saalhauser Mühle, außerhalb des alten Ortes gelegen. Eine kurfürstliche Bannmühle 9), die für Saalhausen und die Gemeinde Lenne zuständig war.

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In der Lennelust : die erste Halle des Schützenvereins Saalhausen (heute ist dort die Firma Tracto-Technik an der Paul-Schmidt-Straße) und davor die Mühlschlacht. Foto/Postkarte: Sammlung Engelbert Schulte, Langenei
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Foto/Postkarte: Sammlung Engelbert Schulte, Langenei
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An der Mündung des Untergrabens der Mühle in die Lenne: Das neue Schützenhaus, eingeweiht am 1. Juli 1929 . Foto/Postkarte: Sammlung Engelbert Schulte, Langenei

Anmerkungen und Quellen:

  1. S. Gayer, Die Holzarten und ihre Verwendung in der Technik (7., verb. u. erw. Ausg. Leipzig 1954)
  2. Universität zu Köln, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Ordnungsnummer 4228 (2018), Dendro-Nr.: K003357, K003358, K003359, K003365
  3. Bei einer Datierung ohne Splintreste ist das Fällungsdatum eines Baumes nicht jahrgenau zu bestimmen. Es kann nur ein terminus post quem (TPQ), ein Zeitpunkt, nach dem die Fällung geschah, angegeben werden (Anmerkung im Gutachten der Universität zu Köln).
  4. nicht gesägt, sondern mit der Axt (Beil) aus dem Baumstamm rechteckig heraus geschlagen
  5. Saalhausen, Beiträge zur Geschichte des Dorfes, zusammengestellt von Günther Becker unter Mitwirkung von Robert Rameil, herausgegeben von den Saalhauser Vereinen, Lennestadt 1981
  6. Heimatstimmen aus dem Kreis Olpe, unveränderter Nachdruck der Jahrgänge 1948 - 1953, Band 2, Folgen 7 – 13, Kreisheimatbund Olpe 1985, Seiten 530 und 533
  7. Staatsarchiv Münster, Herzogtum Westfalen, Landesarchiv VI 22, I , fol. 24ff
  8. Designatio deren in Anno 1649, 1650, 1651 im Ampt Bilstein erhobener Capitation oder Leibschatzung, siehe 5)
  9. Bannmühle bedeutet, dass in den Dörfern keine andere Getreidemühle gebaut werden durfte.


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