Saalhauser Bote Nr. 19, 2/2006
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Dank an Heinrich Schnadt

- von F.W. Gniffke -


Heinrich Schnadt

Zur Person

Der Verein Heimatstube Saalhausen und das Team des Saalhauser Boten haben in der letzten Ausgabe Herrn Heinrich Schnadt aus Arnsberg einen kurz gehaltenen Dank für seine in Saalhausen geleistete Arbeit ausgedrückt. Dies taten wir im Zusammenhang mit der Feststellung, dass er aus gesundheitlichen Gründen die Betreuung der Josefa Berens-Totenohl-Gedenkstube in die Hände von Heinrich Würde gelegt hat.

Heute wollen wir ihm danken und seine Arbeit, die oft im Stillen vollzogen wurde, würdigen, indem wir ihn unseren Lesern vorstellen und wir haben ihn befragt, wie er seinen Weg zu Josefa Berens - Totenohl fand.

In Herrn Schnadts Lebenslauf lesen wir:

Im Mai 1935 wurde ich als 4. Sohn der Eheleute Schnadt in Letmathe geboren, wo ich auch meine Jugend verbrachte. 1941 wurde ich in die Volksschule eingeschult, die ich nach 9 Jahren verließ. Am 1o. April 1949 wurde ich konfirmiert. Am 1. April 1950 begann ich eine Konditorlehre, die ich nach erfolgter Prüfung 1953 als Geselle abschloss. Da mein Vater 32 Jahre lang den Vorsitz der Abteilung des Sauerländischen Gebirgsvereins, Abt. Letmathe - Oestrich innehatte, waren auch wir 4 Jungen in gewisser Weise um Natur, Volks- und Brauchtum „vorbelastet“. Da blieb es nicht aus, Jugendgruppen zu führen und zu leiten. 1955-1957 war ich Jugendherbergshelfer in der Jugend­herberge Heidelberg. Anstoß zu diesem Beruf gab mir der Herbergsvater Jupp Schöttler, Bamenohl. In Heidelberg lernte ich meine Frau kennen. Wir heirateten, um die Leitung der benachbarten Jugendherberge Mannheim übernehmen zu können. Nach 3 Jahren aber zog es mich in die Heimat, das Sauer­land, zurück. Zunächst arbeitete ich in der Industrie, ging danach wieder in die Jugendarbeit zurück und studierte, berufsbegleitend, Sozialpädagogik. So wurde ich eine sozialpädagogische Fachkraft. Im Oktober 1971 wurde ich BiIdungsreferent bei der Deutschen Wanderjugend. Hier habe ich dann überörtlich die Gruppen besucht. Singen, Laienspiel, Volkstanzarbeit, Literatur und Brauchtumskunde waren Schwerpunkte meiner Arbeit. Nach Bulgarien, Österreich und Schottland habe ich Ferienmaßnahmen geleitet. Zuerst hat meine Frau, später auch ich, die Jugendbildungsstätte des SGV in Arnsberg, auf den Tag genau, 25 Jahre geleitet. Bedingt durch einen Herzinfarkt und zwei Schlaganfälle habe ich mich mit 61 Jahren aus dem Arbeitsleben zurückgezogen.

Auf unsere Frage nach seinem Weg zu Josefa Berens - Totenohl schrieb uns Herr Schnadt folgenden Text:

Mein Weg zu Josefa Berens –Totenohl, Malerin und Dichterin des Sauerlandes In den Herbsttagen des Jahres 1949 lud die Buchhandlung meiner Heimatstadt zu einem Lese - und Vortragsabend mit Josefa Berens - Totenohl, in unser Vereinslokal " Hotel zur Post " ein. Meine Eltern nahmen mich zu diesem Abend mit; außerdem waren viele Jugendliche aus unserer Jugendgruppe des Sauerländischen Gebirgsvereins, Abteilung Letmathe - Oestrich, anwesend. Was Frau Berens las und erzählte, fesselte die gesamte Zuhörerschaft. Was lag da näher, sich mit weiterer Literatur von ihr zu beschäftigen. In den folgenden Gruppenstunden lasen wir aus einem kleinen Bändchen, „ Heimaterde " betitelt, von ihr selbst für die Gruppenstunden der Jugend aus ihren Romanen zusammengestellt,. Wir wollten mehr von dieser Frau wissen und erfahren, darum machten wir eine Besuchs- und Wanderfahrt ins „Totenohl“.

Freundlich wurden wir aufgenommen und in ihrem schönen Haus über den Fischteichen, auf der geräumigen Deele, lauschten wir ihren Worten. Sie erzählte uns aus ihrem Leben, erklärte die von ihr selbst gemalten Bilder und erzählte, uns wie sie zum Schreiben gekommen sei. Es dunkelte schon, als wir sie verließen, hatten aber ihre beiden Erstlingswerke im Gepäck, für die nächsten Heimabende hatten wir nun genügend Lesestoff.

Bei weiteren Wanderfahrten ins obere Lennetal, hatten wir stets, wenn auch manchmal nur ganz kurze, Rastaufenthalte an ihrem Hause. Auf einer Nordlandfahrt hatte sie bei einer Dichterin ein Haus ge­sehen, das sie faszinierte und hier war der Wunsch auf gekommen , so ein Eigentum zu besitzen. 1938 hatte sie sich das Haus bauen lassen und im tragenden Hauptbalken der Fachwerk-Giebelwand ließ sie einen Spruch aus der Edda einschlagen: „Gut ist ein Hof, ist er groß auch nicht, daheim ist man Herr“ In den Sommerferien des darauf folgenden Jahres verlebte ich zwei Wochen meiner Ferien in der Jugendherberge Finnentrop - Bamenohl. Mit einer holländischen Jugendgruppe aus Almelo machte ich einen Tagesausflug durchs Sauerland. Krönender Abschluss war ein Besuch bei Frau Berens - Totenohl. Damit die holländischen Freunde sie besser verstehen konnten, unterhielt sie sich mit uns in plattdeutscher Sprache. Sie erzählte von ihren Aufenthalten bei ihrer Nordlandfahrt und dass sie bei Felix Timmermanns, Knut Hamsun und Selma Lagerlöf gewesen sei. Sie erzählte von ihrer Freundin Christine Koch. Vor ihrem Haus hatten wir uns im weiten Rund auf den Boden gesetzt und lauschten ihren Worten.

Nach dieser Begegnung habe ich sie oft allein besucht, wurde immer empfangen, auch unangemeldet; und wer sie, wie ich, an den Wintertagen beim Märchenerzählen erlebte, hatte echtes Erleben, von dem man lange zehrte. Man freute sich, zu „Tante Berens " kommen zu können.

Als junger Mann, in Heidelberg im Dienst, korrespondierte ich eifrig mit ihr und wenn es zur Fahrt in den Urlaub ging, wurde stets kurze Rast oder sogar eine Übernachtung im Totenohl eingelegt, auch wenn man mit einem Nacht­lager auf dem Fußboden der Deele vorlieb nehmen musste. In die Heimat zurückgekehrt, konnten leider nur noch sporadische Besuche bei ihr stattfinden, da die beginnende Krankheit ein längeres Verweilen bei ihr nicht zuließ. Mein letzter Besuch bei ihr war für mich bedrückend. Sie liebkoste ein selbst gestricktes Püppchen und unterhielt sich mit ihm.

Zur Jahreswende 1968/1969 wurde sie ins Mescheder Salzmann-Krankenhaus eingewiesen, wo sie am 6.Juni 1969 im Alter von 78 Jahren verstarb. Ihr Leichnam wurde auf der Deele aufgebahrt und unter großer Anteilnahme wurde sie am 11. Juni 1969 auf dem Saalhauser Friedhof zur letzten Ruhe gebettet. Eigentlich wollte sie auf ihrem Grundstück unter dem Felsen begraben werden, doch ist dieses vereitelt worden. Ein Reihengrab, das im Jahr 2000 nach der obli­gatorischen Ruhefrist eingeebnet wurde, war ihr Ruheplatz.

1974 feierte der Sauerländische Gebirgsverein in Lennestadt sein 49.Gebirgsfest. Hier hatte ich den dienstlichen Auftrag, eine Ausstellung über Land und Leute des Sauerlandes in Großfotos zusammen zu stellen. In dieser Ausstellung stellte ich auch die beiden Dichterinnen der Region Christine Koch und Josefa Berens - Totenohl in ihren Werken vor. Schon bei den Vorarbeiten hierzu musste ich erfahren, dass der Nachlass von Frau Berens in Saalhausen, aber auch im Lande, weit verstreut war. Da ich um das Leben beider Frauen wusste, besonders um Josefa Berens wollte ich ihr im Nachhinein meinen Dank abstatten. Sie hatte mir zu Lebzeiten viele Wege zur Jugendarbeit gewiesen, die ich befolgt hatte. Da reifte in mir der feste Wille, mich um ihren Nachlass zu kümmern, damit er nicht verkümmere. Systematisch habe ich gesucht, gesammelt, geforscht und vieles zusammen getragen, was weit im Lande verstreut war. Dank vieler Freunde um Frau Josefa konnte ich ein Archiv aufbauen, welches sehr umfangreich wurde. Das Kulturamt der Stadt Lennestadt sorgte für einen Kellerraum in der Volksbank Saalhausen, wo ich mit Exponaten und Möbeln aus ihrem Nachlass eine Gedenkstube einrichten konnte. Später zogen wir um ins " Haus des Gastes ", heute Verkehrsverein, wo auch die Stube noch existiert. Ganz besonders habe ich der Familie Müller, besonders Frau Anneliese Müller, zu danken, die mich in allen Vorhaben und Wünschen unterstützt hat. Ebenso danke ich dem Kulturamt der Stadt Lennestadt für die Unterstützung finanzieller Art bei der Ausgestaltung der Gedenkstube.

Die von mir initiierten Feierlichkeiten zu ihrem 100.Geburtstag am 30. März 1991 auf dem Friedhof und in der Gedenkstube waren allerdings über­schattet durch gegensätzliche Auffassungen und Meinungen hinsichtlich ihrer Person, ihrer Arbeit und ihrer Tätigkeiten und Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus. Auch heute, noch viele Jahre nach ihrem Tod, ist sie immer noch die „beste Propagandistin des 3. Reiches“. Für denjenigen, der sie kannte, muss das wehtun. In ihrer Entnazifizierungsakte wurde sie als „Mitläuferin" eingestuft. Die meiner Meinung nach fälschlich verbundene Integration ihres Hauptwerkes in die Blut- und Bodenliteratur ist ein weiterer Makel an Werk und Person Josefa Berens, den es auszumerzen gilt. Zu Ihrem 100.Geburtstag berichteten Presse und Funk ausführlich, wobei deutliche Untertöne zu hören und zu lesen waren. 1992 verlegte das Maschinen- und Heimatmuseum Eslohe eine Berenssche Autobiografie unter dem Titel: „Alles ist Wandel ". (Anmerkung der Redaktion: Mitherausgeber ist Herr Heinrich Schnadt.) Jahrelang habe ich die Gedenkstube betreut, bin fast jede Woche in Saalhausen gewesen und habe bei Sauerlandexkursionen stets einen Besuch der Stube mit einbezogen.

In Schmallenberg - Holthausen ist vor einigen Jahren, auf meine Initiative hin, eine „Sauerländische Dichterstein - Anlage'' geschaffen worden, wo jeder aus dem Sauerland stammende Dichter auf einer Schiefertafel mit Geburts- und Todesjahr genannt wird.

Nach all den Jahren, in denen ich mich um das Erbe Frau Berens -Totenohls gemüht habe, will ich mich aus der aktiven Arbeit zurückziehen. Ich bin froh und dankbar, in Herrn Würde eine Person gefunden zu haben, die die begonnene Arbeit fortführt. Wenn Frau Berens selbst in einem ihrer Gedichte sagt: „Mit dem letzten gereichten Becher bist du vergessen“, mag es für sie eine Vorahnung gewesen sein. Es bleibt mein Wunsch, die große Epikerin unseres Sauerlandes Josefa Berens-Totenohl nicht zu vergessen.

Als Vorsitzender des Vereins Heimatstube Saalhausen e.V. und wohl auch im Namen vieler Saalhauser Bürgerinnen und Bürger, spreche ich Herrn Heinrich Schnadt einen ganz herzlichen Dank für all die Mühen und Arbeiten aus, die er auf sich genommen hat, um das Andenken an Josefa Berens - Totenohl wach zu halten. Wir vom Verein Heimatstube Saalhausen versprechen ihm, dass seine Arbeit in seinem Sinne fortgeführt wird. Sicherlich kann man sich an der „öffentlichen Person Josefa Berens – Totenohl“ reiben und unterschiedlicher Auffassung sein. Viele ältere Saalhauser aber haben sie als prägend und Vorbild wahrgenommen, wie auch Herr Schnadt. Professor Dr. W. Gössmann hat einmal auf die Frage: “Soll man die Bücher von Josefa Berens – Totenohl noch lesen“? geantwortet: „Ja, aber mit der nötigen kritischen Wertung.“

Wir wünschen Herrn Schnadt alles Gute und vor allem Gesundheit!


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