"An arbeitsfreien Tagen dürfen K.-G. (Kriegsgefangene) spazieren geführt werden. Geschlossene Ortschaften vermeiden! Wo dies nicht möglich, durch die Ortschaften die K.-G. geschlossen führen. Rauchen und Singen ist dabei unstatthaft. Zusammenkünfte mit anderen Arbeitskommandos sind verboten. Wenn unvermeidlich, z.B. beim Kirchgang, strengste Trennung beachten. Das Einkehren in Wirtschaften, auch nur zum Einnehmen alkoholfreier Getränke, ist verboten. Im Festungsbereich Mainz und Koblenz bestehen besondere Bestimmungen, welche vom Revisions-Offizier zu erfragen sind.
Russische Kriegsgefangene
Die Begleitleute von K.-G. haben zur Ehrenbezeugung vor Offizieren >>Achtung, Augen rechts<<, bzw. >>die Augen links<< zu kommandieren. (Siehe Verfügung Nr. 300)."
So lautet die Verordnung zum Thema Spaziergänge in der "Dienstanweisung für Kriegsgefangenen-Arbeitskommandos im Bereich des XVIII. A.-K (Arbeitskommandos), herausgegeben von der Inspektion der Kriegsgefangenen-Lager XVIII. A.-K, Frankfurt a.M., gültig ab 1. April 1918.“
Wenigstens zwei der russischen Kriegsgefangenen stammten aus der Ukraine, wie zwei Ausweise zeigen. Der oben abgebildete gehört zu Stephan Allemofki, der auch im linken Bild rechts zu sehen ist. Die Kriegsgefangenen mussten deutlich sichtbar eine Plakette tragen sowie eine Armbinde (s. Erläuterung im Text).
In weiteren Merkblättern hat diese Dienststelle festgelegt, wie die Ernährung der Kriegsgefangenen zu gestalten ist, wieviel Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate die Mahlzeiten enthalten sollen, welche Lebensmittel ausgenommen sind: "Als Brotaufstrich kommt lediglich Marmelade und Kunsthonig, kein Fett in Frage".
Eine selbstgebaute Rengster, das Geschenk eines Kriegsgefangenen an Franz Metten, Georg Pultes Großvater, zu dessen 1. Hl. Kommunion am 7. April 1918.
„Die Kriegsgefangenen dürfen auch zu Zwecken der Arbeit die Gemarkungsgrenze nicht allein überschreiten. Sie müssen an ihrer Kopfbedeckung an sichtbarer Stelle ein Blechschild, in welchem die Gemarkung eingraviert ist, tragen“. Dienstanweisung für Kriegsgefangenen-Arbeitskommandos im Bereich des XVIII. A.-K.
Links im Bild Franz Anton Metten (*1858) der Urgroßvater von Georg Pulte. Die meisten der Kriegsgefangenen tragen die vorgeschriebene Erkennungsmarke an der Frontseite der Mützen.
Den in der Landwirtschaft tätigen Kriegsgefangenen stand ein Lohn zu (Verfügungen für Kriegsgefangenen-Arbeitskommandos im Bereich des XVIII. A.-K, 22.06-06.12.1916). Dieser betrug 30 Pfennig pro Stunde. Die Arbeitszeit in der Landwirtschaft war auf 12 Stunden pro Tag, "ohne die Pausen", festgesetzt, an Sonn- und Feiertagen immerhin noch sechs Stunden.
Der Kontakt mit Zivilpersonen war den Kriegsgefangenen nicht erlaubt.
Zu diesem Bild sind keine Informationen überliefert. Es handelt sich vermutlich um französische Kriegsgefangene.
Unter der Rubrik „Behandlung der Kriegsgefangenen“ ist nachzulesen: „Misshandlungen der Kriegsgefangenen durch Militärpersonen werden bestraft. Gegen Zivilpersonen wird nach den Bestimmungen des R.Str.G.B. vorgegangen. Auf ungestörtes Zusammenarbeiten der Kriegsgefangenen und der deutschen Arbeiter ist insbesondere zu achten. Es darf nicht geduldet werden, dass Kriegsgefangene aus irgendeinem Grunde von freien Arbeitern behindert, gehänselt, beleidigt oder misshandelt werden“.
Alle Post der Kriegsgefangenen ging durch die militärische Zensur. Zeitungen konnten von den Kriegsgefangenen gekauft werden. Erlaubt waren alle großen deutschen Zeitungen. Für ausländische Druckerzeugnisse gab es Empfehlungen: für die Franzosen das Buch "La bataille des diplomates" (Die Schlacht der Diplomaten, Anm.d.Red.) zum Preis von 6,00 Mark und für die russischen Gefangenen die Zeitung "Russischer Bote", im Monatsabonnement zum Preis von 60 Pfennig/Monat.
Die Kriegsgefangenen auf Metten Hof waren außer in der Landwirtschaft auch zum Eichenschälen eingesetzt. Die Rinden der Eichen wurden in den Lohgerbereien zur Herstellung von Leder benötigt.
Jeder, der Kriegsgefangene beschäftigte, erhielt einen Vertrag, gültig auf unbestimmte Zeit. Er musste ein Tagebuch führen. Darin wurde vermerkt, wie viele Kriegsgefangene anwesend waren, wer krank war, welche Arbeiten ausgeführt wurden und wie lange, etc.
Jeder siebte Tag enthält keine Aufzeichnungen, d.h., an Sonntagen haben die Kriegsgefangenen auf Metten Hof nicht gearbeitet.
Auch nach Ende des 1. Weltkriegs (1914 – 1918) waren noch Kriegsgefangene in Deutschland, wie ein Schreiben der Direktion des Gefangenenlagers Kassel-Niederzwehren vom 20. Juli 1920 "an die Herren Gemeindevorsteher" belegt.
In diesem Schreiben informiert der Absender mit Bezug auf eine Verfügung des Reichsabwicklungsamtes vom 6. März 1920 über zusätzliche Bestimmungen der Behandlung und Versorgung von Kriegsgefangenen (Instandhaltung der Bekleidung, ärztliche Versorgung, etc.).
Eine kurze Geschichte der Ukraine von Prof. Michail Gruschewsky, in ukrainischer Sprache, 1915 gedruckt. Dieses 100-seitige Buch ist eine der zurückgelassenen Habseligkeiten eines ukrainischen Kriegsgefangenen.
Das Evangelium nach Matthäus, in englischer und ukrainischer Sprache, gedruckt im Trowitsch & Son - Verlag, Berlin. Alle persönlichen Besitztümer unterlagen der militärischen Zensur.
In der Saalhauser Chronik (1981), Seite 170 ff, ist in der Überlieferung von Pfarrer J. Jacobsmeier nachzulesen, dass sich die Kirche um die pastorale Betreuung der Kriegsgefangenen bemühte. Im Jahre 1915 wurden Messen für die französischen Kriegsgefangenen abgehalten mit Predigt in französischer Sprache.
In Russland herrscht jetzt Bürgerkrieg. Die russisch bürgerliche Kerenskij Regierung wird durch die Bolschewiki während der Oktoberrevolution gestürzt.
Die Rückkehr der Kriegsgefangenen in Ihre Heimat hat ihnen den ersehnten Frieden nicht gebracht. Sie geraten nach Krieg und Gefangenschaft in die Wirren des Bürgerkrieges. Viele von ihnen waren Bauern. Nach der Oktoberrevolution 1918 haben sie ihr Land verloren. Es wurde kollektiviert. 1922 wird die Sowjetunion gegründet.
Georg Pulte hat alle Fotos, Dokumente und Habseligkeiten der Kriegsgefangenen sorgsam aufbewahrt.
Seine Unterlagen waren die Grundlage zu diesem Artikel. Für die Überlassung bedanken wir uns sehr herzlich.