Zum Artikel Saalhauser Bote Nr. 28, 1/2011
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Forschung zum Namen Rameil
Von Alexander Rameil
Rameil ist ein Name, der in Saalhausen und Umgebung stark verbreitet ist und oft Anlass für Fragen gibt. So sind es Urlauber, die sich nach Herkunft und Deutung des Namens Rameil erkundigen und auch Fragen zu Verwandtschaftsverhältnissen stellen. Kein Jahr vergeht, in dem nicht zum Namen gefragt wird.
In den vorherigen Ausgaben des Saalhauser Boten, 1 und 2/2004 wurden die bisherigen Kenntnisse hierzu aufgeschrieben. Gerade, um solche Themen in Umlauf zu bringen, eignet sich diese Zeitung besser als die Tagespresse, weil eventuelle Fragesteller sich an dieser Stelle auch über die Hintergründe solcher Gegebenheiten informieren können.
Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass unterschiedliche Varianten der Rameil-Geschichten auf Grund von Vermutungen verbreitet werden, von denen logischerweise ja nur eine Darstellung richtig sein kann. Sehen wir mal auf einige dieser verschiedenen Darstellungen:
Das erzählten die alten Saalhauser Bauern
Es gibt im Wald bei Saalhausen eine Flurbezeichnung, die den Namen Hucken Paul trägt. Hucken=Hüpfen Paul=Pfuhl =Krötensumpf. An dieser Stelle habe, so wie erzählt wurde, etwa um das Jahr 1300 eine Siedlung gestanden, welche angeblich von einem „Rameil” besiedelt wurde, der aus dem Elsass stammte.
Eine solche Geschichte klingt phantastisch und hat auch einen wahren Kern. Tatsächlich gab es im Mittelalter Höhensiedlungen, die vielleicht wegen Ertragsarmut aufgegeben wurden. So ist auch die Stöppel kein Einzelfall. Dass aber der Name Rameil eine Folge davon ist, lässt sich durch nichts beweisen. Auch gab es zur angegebenen Zeit keinen Rameil im Elsass.
Erzählungen einiger Gäste und Zugezogener
Bei den Rameils handele es sich angeblich um Hugenotten, die als Protestanten aus Frankreich flohen. Diese begannen als Handwerker, wurden sesshaft und schafften sich später eine kleine Landwirtschaft an. Hier gab jemand zu verstehen, der Name laute etwa ursprünglich „Raemile” und bedeute auf französisch Webstuhl, etwa „Rahmengestell”…
Zusätzlich gibt es noch die Erzählung von einem Glockengießer aus dem Elsass, der irgendwann zwischen Mittelalter und der Neuzeit wegen Beschäftigungsmangel in das Sauerland zog ..., so wie es vor Jahren von einigen Gästen erzählt wurde.
Hierbei fällt auf, wie heutige Menschen ihre Mutmaßungen aus dem Allgemeinwissen über die Geschichte schöpfen und auf andere Varianten kommen, als die alten Saalhauser Bauern, die in dieser Landschaft noch über Spezialkenntnisse verfügten. Doch welche Geschichte ist wahr? Es hat sich gezeigt, dass keine der genannten Geschichten stimmt!
Das beinhalten die Forschungsergebnisse
Nachdem Diederich Welter aus Oberhundem im Jahre 1508 ein Stück eines Hofes in Saalhausen, das Eickelmannsgut, vom Kloster Grafschaft angekauft hatte, erbte der dritte Sohn Welters mit dem Namen Heinrich einen Teil dieses Hofes. Außerdem gab es auf dieser Hofstelle noch keinen Rameil, jedoch die Namen Heinrich Brinker und Heinemennekens.
Das entsprechende Gut ist von der Lage her etwa mit dem Straßenzug „Im Kohlhof” identisch. Das Steuerregister für Saalhausen nennt 1536 an der Stelle erstmals den Namen Heinrich Rameil.1) Dieser gilt als der Erste dieses Namens.
Später taucht Heinrich Rameil bei einem Erbprozess auf, den sein Schwager, Heinrich Schulte in Stelborn mit Ehefrau Agathe Welter, seiner Schwester, gegen Thonis Welter zu Oberhundem, den ältesten Bruder, den Haupterben führte.
Der Bericht „Bauerntrotz” beschreibt dessen Verlauf und ist dem westfälischen Historiker Albert Hömberg zu verdanken. Die Abschrift kam auch in der letzten Frühjahrsausgabe des Saalhauser Boten.
Aus diesem Besitzverhältnis entstand in Saalhausen bis 1536 erstmals eine Hofstelle mit dem Namen Rameil. Das Gelände ist heute unter der Adresse Brüggemann Im Kohlhof 7 bekannt.1)
Am Ende wird Heinrich Rameil nach einem weiteren Erbstreit mit seiner Schwiegertochter dem Haftrichter in Bilstein vorgeführt und nach kurzem Prozess am 03.12.1591 auf dem Burggraben verbrannt.1)
Dies sind die Fakten, wie sie in geschichtlichen Nachrichten über die Saalhauser Höfe von 1981 zu finden sind.
Man kommt also durch diese Forschungsarbeit zu anderen Ergebnissen. Doch hierbei bleibt der Namenswechsel von Welter zu Rameil ungeklärt, und man neigt nach wie vor dazu, im Namen Rameil einen französischen Ursprung zu sehen. Lässt sich ein solcher etwa nicht finden? Erst einmal sollte man sich die Funktionsweise der Namen anschauen.
Allgemeines zu Namen in dieser Gegend
Auch in anderen Dörfern gibt es das Phänomen der Häufung von bestimmten Familiennamen. Doch wie kam man damals zu einem Namen?
Es gibt von Albert Hömberg einen Aufsatz, in dem er die Funktion von Namen beschreibt. Zusammengefasst steht drin, dass die damaligen Hofnamen wie eine Adresse zu verstehen sind.
Das wären heute etwa unsere Straßennamen. Bei damaliger dünner Besiedlung reichten die Angaben über Fürstentum, Bauernschaft und Hofstelle aus, um die Person eindeutig zu bezeichnen. Dieses Schema blieb auch noch dann bestehen, wenn ein Mann auf eine solche Hofstelle eingeheiratet hatte.
In späterer Zeit wurde der einstige Hofname noch als Genanntname weitergeführt. Dagegen kam es um 1800 zu einer vermehrten Ausbreitung der Namen, da sie mehr auf die Personen übergingen und nicht wie ursprünglich nur die Hofstellen bezeichneten. Man kann sagen, dass es für die meisten Nachnamen in dieser Gegend jeweils eine bestimmte, ursprüngliche Hofstelle als deren Ausgangspunkt gibt.
Onomastik
So lautet das Thema, welches sich mit der Namensdeutung befasst. Haben Sprachwissenschaftler auch noch so gute Erklärungen, werden diese überflüssig, wenn sie keine Bezüge zu den damaligen Verhältnissen haben.
Man kennt bereits das Phänomen, dass es für ein Wort oder einen Namen zwei oder mehrere verschiedene Entstehungsgründe gibt. Das kann selbst sprachübergreifend passieren. Auch wenn sich Worte abschleifen und verdrehen, können sogar wieder neue Wörter entstehen, die ebenfalls Sinn machen.
Weiß man beispielsweise bei dem Heimker Weg, ob es sich wirklich um die Heimkehr von der Weide aus dem Wald handelt? Oder hat sich der Name von etwas anderem abgewandelt? Das hängt von dem jeweiligen Alter des Namens ab. Ist der Name etwas über einhundert Jahre alt, dann ist Heimkehren bestimmt ein möglicher Grund.
Was aber wenn dieser Name mehrere hundert Jahre alt ist? Dann würde die hochdeutsche Bezeichnung Heimkehren immer unwahrscheinlicher und stattdessen könnte auch die Haamke, ein Flurstück hinter dem Dolberg, ein Grund für die Namensgebung sein. Ein Teil desselben Hohlweges geht auf Stelborn, nachdem er Fächerförmig auseinander läuft. Doch oberflächlich ist Heimkehren, in späterer Zeit, auch richtig. Beim Namen Rameil geht es aber um einen Nachnamen.
Was hat es mit Frankreich auf sich?
Daran ist tatsächlich etwas Wahres! Es gibt dort denselben Namen und dieser erscheint ab 1562 in den Pyrenäen.
Ein Johann Ramel hat sich in einem Dorf bei Ax la Termes verheiratet. Es fällt auf, dass sich der Name später von Ramel zu Rameil änderte. Vielleicht war diese Buchstabenfolge auch nur Zufall. In das Sauerland hat man jedoch keine Verbindung gefunden.
Zu Denken gab den französischen Familienforschern aber, ob ein Pilgerreisender am Jacobsweg sesshaft wurde, dem Pilgerweg, der in der Nähe des Wohnsitzes von Johann Ramel entlangläuft und weiter nach Santiago de Compostella führt. Und doch sind beide Namensvorkommen nicht auf eine gemeinsame Wurzel zurückzuverfolgen.
Ist der Name dann etwa noch älteren Ursprungs?
Schaut man sich den Stammbaum Rameil auf einer Rolle von mehreren Metern Länge an, so fällt auf, dass sich der Name erst in der zweiten Hälfte seiner Existenz ausbreitet – seit rund 240 Jahren.
Warum dies nicht schon früher passierte ist mit der Zweckmäßigkeit der Namen verbunden und wurde bereits angedeutet.
In früheren Zeiten, in denen der Name existierte, bestand der eigentliche Verwendungszweck darin, eine Hofstelle zu bezeichnen. Manchmal ging dieser auch als Besitzbezeichnung in den Flurnamen über.
Die „Hennecken Schlade” ist kein Einzelfall. So steckt der Name in Rammels Brauck, dem Rammel Siepen, der Rammes Cleue = Böschung, die bei Totenohl liegt.1,2) Man kann jetzt annehmen, diese hätten keinen Bezug zum Namen Rameil, jedoch sollte man dann aber erklären können, weshalb nicht.
Schließlich gibt es auch einen Grund für diese Flurnamen und einige davon stammen aus Besitzverhältnissen. Hierbei waren die Namen nicht so sehr auf die Personen bezogen, außer auf deren gemeinsamen Besitz. So kam Heinrich Welter (s.o.) zwar tatsächlich aus Oberhundem, erbte einen Teil des Eickelmanngutes und wechselte bis 1536 vom Namen Welter zu Rameil.
Doch woher kommt dann der Name?
Wenn heute jemand meint, der Ursprung liegt in einem anderen Sprachraum, ist das grundsätzlich in Ordnung, wenn man dies begründen könnte.
Wie ließe sich das mit den Fakten in Verbindung bringen? Es geht weniger darum, woher der Name kommt, als um die Frage, was der Name ursprünglich bezeichnete.
Es gab auch Vermutungen, dass eine noch ältere Person, vor Heinrich Welter bzw. Heinrich Rameil, mit diesem Namen zu finden sein würde. Diese sind aber mittlerweile in die Flur- und Wiesenforschung übergegangen. Interessant wird die Forschung nach dem Ursprung des Namens erst dadurch, dass es den Bezug zu einer Hofstellenbezeichnung gibt.
In der ersten Hälfte des 16.Jh. wurden manchmal keine genauen Ortsangaben gemacht, sondern eher großzügige Umschreibungen.3)
Es gab schon zuvor in Schwartmecke einen Ort, genannt Rammes Gut. Hier hatte Diederich Welter, Vater des Heinrich Welter, früher bereits einen Besitzanteil.4,5) Ob sich diese Bezeichnung durch den Sohn Heinrich auf das Eickelmannsgut nach Saalhausen übertrug, ist nicht bekannt, aber wegen der gemeinsamen Besitzverhältnisse und der dünnen Besiedelung vorstellbar.
Der Name hätte demzufolge seinen Ursprung in den Flur- und Besitznamen, wobei zu klären wäre, was dann auch immer „Rams” oder „Rammes” bedeutet haben mag. Mit Deutungsversuchen erreicht man also nichts.
In dem Ort Schwartmecke und dem dortigen Gutsnamen Rammes sehe ich einen Zusammenhang zur Geschichte über den Ort Huckenpaul. Beide liegen etwas südlich von Saalhausen auf einem Berg. Hat man damals noch etwas gewusst …?
Dennoch bleibt der Namensursprung immer etwas im Dunkeln verborgen. Doch das ist nicht so wichtig, denn wenn man den Ursprung wüsste, ändert das auch nichts an den bisherigen Kenntnissen. Eine andere Frage, die auch häufig gestellt wird, ist:
Sind alle Familien Rameil miteinander verwandt?
Aus der Ehe von Johannes Rameil, Heirat 1746 mit Anna Ursula Hamers, gingen 10 Kinder hervor, sieben Söhne und drei Töchter.6)
Fünf Söhne haben Nachkommen bis in die heutige Zeit. Zählen wir heute die Angehörigen der siebten Generation nach Ausbreitung des Namens, so sind alle existierenden Rameil derselben Generation maximal bis zum sechsten Grade verwandt. Dabei läuft die Verbindung fast immer über den Vater des Vaters, dessen Vater usw. sowie die männlichen Nachkommen der jeweiligen Brüder.
Daraus ergibt sich bei den heute lebenden Familien Rameil, dass alle jeweils geheirateten Ehefrauen, Mütter, Großmütter usw. aus jeweils anderen Familien kommen. So sind die heutigen Rameil häufiger mit Familien anderer Schreibnamen verwandt als untereinander!
Dennoch sind alle miteinander verwandt, wenn auch überwiegend weit entfernt, und wie andere Nachnamen auch, nur über eine bestimmte Linie. Es ist also keine Inzucht, wie manchmal gescherzt wird.
Zum Schluss
Deutungsversuche können auf Grund der Fakten nur zu Fehlern führen. Besser ist es, wenn man den ursprünglichen Zweck des Namens versteht.
Der Name Rameil gehört zu einer Reihe von Namen im Sauerland, die ursprünglich eine Hofstelle bezeichneten, und wie auch andere Namen später zu Familiennamen wurden.
Alle Rameil aus Saalhausen sind miteinander verwandt, wenn auch überwiegend nur entfernt.
Den Namensursprung kennt man nicht. Zu den vorhandenen Vermutungen müssten noch Bezüge zu den genannten Fakten gefunden werden.
Vieles deutet darauf hin, dass sich der Name aus einer älteren Guts- oder Besitzbezeichnung abgewandelt hat. Hierzu gibt es Indizien. Sicherlich ist der Name Rameil heute und auch noch in Zukunft ein Selbstläufer, der durch manche Erklärungsversuche auch in der Gegenwart Geschichten hervorbringt. Bevor aber alle Forschungsergebnisse in Vergessenheit geraten, soll es hiermit festgehalten werden.
Quellenangabe:
- 1) Robert Rameil/Günter Becker Nachrichten über Saalhauser Höfe, 1981 Chronik Saalhausen.
- 2) Stadt Attendorn, Archivseite.
- 3) Staatsarchiv Münster Reichskammergericht.
- 4) Aloys Klein, Chronik Oberhundem 1972.
- 5) Albert Hömberg, Aufsatz Bauerntrotz.
- 6) Paderborn, KB-Archiv, KB Lenne.
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