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Saalhauser Bote Nr. 19, 2/2006
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Der Saalhauser Bote im Gespräch mit Frau Traudel Pieper, Frau Friedel Zimmermann und Herrn Pfarrer Eugen Hillmann zum Thema „Flucht und Vertreibung vor 60 Jahren“

- Fortsetzung -
- von F.W. Gniffke -


Beim Interview v. l. n. r.: Herr Pfr. Eugen Hillmann, Frau Friedel Zimmermann, Frau Traudel Pieper u. Friedrich W. Gniffke

Den ersten Teil unseres Interviews hatten wir in der Frühjahrsausgabe 2006 des SAALHAUSER BOTEN abgedruckt.

Im März war es noch sehr kalt. Es soll nicht verschwiegen werden, dass es bei den Unterbringungen auch Disharmonien gab. Jede von unseren Familien wollte sich auch nicht auseinander reißen lassen. Die Wohnsituation regelte sich so allmählich. Wagners fanden als letzte Familie in der alten Schützenhalle Platz.

Pfr.H.: Als Herr Voss 1947/48 aus engl. Gefangenschaft zurückkam, sagte uns Frau Voss: „ Jetzt muss ich sie ausquartieren. Wir möchten die Gastwirtschaft wieder eröffnen.“ Wir kamen noch oben unters Dach. Ich erinnere mich noch daran, dass Tante Ida sagte: „ Sie haben es doch so schön getroffen, Sie haben den Herrgott so nahe.“ Sie war eine nette, aber auch sehr fromme Frau. Noch zum Bild, das man ja von uns haben musste (Glatz, Schlesien, Polen?) möchte ich anmerken, dass Dr. Deitmer die Grafschaft Glatz aus persönlichen Besuchen her kannte. Das Haus Deitmer hatte auch einige Einquartierungen und er konnte dieses Bild von uns erhellen helfen.

S.B.: Nachdem wir die Vertreibung und die Ankunft in Saalhausen besprochen haben, sollten wir in einem letzten Gesprächsdurchgang an die Zeit des Neuanfangs und des Aufbaus erinnern.

Fr.P.: Die Älteren werden sich noch an die Suchdienste im Radio erinnern. Wir waren 14 Tage in Milchenbach, da kam unser Vater Paul. Er war in Schleswig-Holstein schon irgendwo auf einem Gut beschäftigt.

Pfr.H.: Mein Vater hat uns auch nur durch diesen Suchdienst des DRK gefunden. In Frankfurt an der Oder hatte er erfahren, dass es das deutsche Schlesien gar nicht mehr gibt. Bei einem Bauern in der Sowjetzone hat er dann Unterschlupf gefunden und auf einer Kolchose gearbeitet. Ein Jahr lang hat er uns gesucht und ihm wurde dann unsere Adresse vermittelt. Die Behörden wollten aber, dass wir zu ihm ziehen sollten und so ist er über die Grenze zu uns „abgehauen“. Er ist noch beschossen worden aber 1947 kurz vor der Währungsreform kam er bei uns an. Ich sehe ihn noch vor mir mit seiner Russenmütze.

Fr.P.: In Milchenbach ist es uns relativ gut gegangen. Wir bekamen noch ein Zimmer dazu, und ich habe bei Dümpelmann gearbeitet. Vater war Zimmermann, der war in der Zeit sehr gesucht, wie überhaupt alle Handwerker überall gebraucht wurden. Meine Mutter konnte nähen, sie nähte auch schon für Kunden. Wir haben uns eigentlich gut über Wasser halten können. Es gab Lebensmittelmarken wie für alle Bürger. Nur es gab ja in der Zeit des Anfangs sehr wenig zu kaufen.

Pfr.H.: Mein Vater, so erinnere ich mich, hat für diese Marken grüne Heringe besorgen können, die hat er mariniert und das war dann bei Voss unser Hauptnahrungsmittel. Wir hatten was, wovon wir leben konnten.

Fr.Z.: Oswald Wagner und mein Vater hatten von Schmitten Paul den Tipp bekommen, sich einmal bei Gustav Gastreich auf dem Sägewerk umzuhören, und dort fanden sie dann auch Arbeit. Sie waren auch viel im Wald als Waldarbeiter tätig. So hat jeder versucht, Arbeit zu finden und Fuß zu fassen. Wir waren noch jung. Man war unternehmungslustig und konnte nach all dem Erlebten neuen Mut haben und zufrieden sein.

Fr.P.: Es war zum Schützenfest oder zu Karneval, ich weiß es nicht mehr genau, jedoch der Karneval war damals noch nicht so groß, da kam der Hubert Pieper als Zivilarbeiter aus Frankreich in Urlaub nach Saalhausen. Er musste dann aber wieder weg. In der Halle hieß es dann: „Der Pieper Hubert ist da.“ Den wollte ich natürlich auch sehen. Jeder kannte ihn und jeder freute sich, dass wieder einmal einer lebend zurück war. Schnäpschen lockerten die Atmosphäre und so lernten wir uns kennen. Er musste wieder zurück nach Frankreich und irgendwann, als er wieder zu Hause war, hat’s dann endgültig gefunkt. Die Schwiegermutter hatte schon Beherbergungen organisiert, aber die Gaststätte und den Hotelbereich erarbeiteten wir uns. Mit 18 Jahren gingen wir in Lenne zur Firmung. Mit Lastwagen wurden wir dort hingefahren. Danach zogen wir noch um auf die Störmecke. Als der Hubert wieder zurück war, heirateten wir und ich zog in unser jetziges Haus, das schon weit über 100 Jahre alt ist.

Fr.Z.: Wir waren ja, wie ich schon sagte, bei Schmitten einquartiert, erhielten 8 Tage unseren gedeckten Tisch und dann mussten wir selber sehen, wie wir weiterkamen. Mein Vater hatte Arbeit gefunden und der Bauunternehmer Vollmer suchte eine Hilfe. Weil ich sehr unterernährt und gesundheitlich angeschlagen war, wollte mein Vater mich nicht zur Fabrik lassen. So fing ich bei Vollmer an. Als dann einer nach dem anderen aus der Gefangenschaft zurückkam, bin ich nach Schalkmühle gegangen und habe dort meine Hauswirtschaftslehre gemacht. Dort hatte ich auch Bekannte wohnen. 1949 kam ich wieder zurück, fing bei der Fa. Lönze in Schmallenberg an und verdiente ein gutes Geld. Danach habe ich die Handelsschule besucht und fing dann bei der Fa. Zimmermann in Salhausen an. Dort hat es bekanntlich auch gefunkt: ich heiratete Alfons Zimmermann.

Pfr.H.: So hat sich das auch schön gefügt. Was zusammen gehört, das kommt auch zusammen.

Fr.P.: Ich habe übrigens noch fast zwei Jahre bei Dr. Illigens gearbeitet.

Fr.Z.: Das möchte ich noch hinzufügen: Unsere jüngeren Geschwister, wie übrigens viele Kinder, die hatten es schnell spitz, dass es z.B. bei Schäfers und anderswo nach der Schule immer etwas zu tun gab. Dadurch hatten die ihr Essen schon einmal sicher.

Pfr.H.: Ich musste ja nach Altenhundem zur Schule und in unserer kleinen Dachwohnung bei Voss hatte ich wenig Platz, um die Hausaufgaben zu machen. Der Vater kam ja auch noch zurück, wir hatten mit seinem Leben gar nicht mehr gerechnet. Ein Cousin meiner Mutter kam aus dänischer Gefangenschaft und schlüpfte auch noch bei uns unter. Seine Mutter lebte noch in Schnellau und er konnte dahin nicht zurück. Zu den nun fünf Personen in unserer kleinen Dachkammer haben wir auch noch den ehemaligen Schulleiter von Schnellau aufgenommen. Er war geflohen und musste hier, da er als ehemaliger Schulleiter in der Partei war, sich einem Entnazifizierungsverfahren stellen. Als er seinen „Persilschein“ bekommen hatte, erhielt er dann auch eine Anstellung als Schulleiter an der holländischen Grenze. Auf engstem Raum hatten wir also mit 6 Personen gelebt. So konnte es auf Dauer nicht weitergehen. Herr Voss sagte uns, dass der Sportplatz (Bereich Finkenstraße) bald verkauft werden sollte und dass dort dann Bauland entsteht. Wir könnten ein Grundstück erwerben. Ein faires Angebot und meine Schwester, die als einzige damals verdiente, leitete dann alles in die Wege. Sie war bei den Geschwistern Gastreich beschäftigt. Ich habe ihr sehr viel zu verdanken. Sie hat mein ganzes Studium finanziert und uns alle tatkräftig unterstützt. Dann bekamen wir das Angebot zu bauen. Das Grundstück hatten wir schon, der Quadratmeterpreis betrug 2,00 DM. Wir legten los, fast alles von Hand und das meiste in Eigenleistung. Handwerker wurden nur eingesetzt, wo es nicht anders ging. Wir haben durch die Eigenleistung sehr viel eingespart. Für uns Vertriebenen gab es LAG-Zuschüsse (Lastenausgleichszuschüsse) und so war dieses Unternehmen Hausbau von Erfolg gekrönt. Meine Schwester war ja Fachfrau und hat alle Anträge gestellt, die Abrechnungen vorgenommen und Buch geführt. Wir waren alles in allem hinterher schuldenfrei und glücklich in unserem Eigentum. Bis zur Fertigstellung unseres Hauses erhielten wir bei Trilling auf dem Hof eine größere Wohnung, und zwar die mit dem separaten Seiteneingang. Hier wohnten wir schon etwas freier und großzügiger mit einer eigenen Haustür. In dem Jahr, in dem ich meine Primiz feiern konnte (16.Dez. 1956), hätten wir schon in unserem eigenen Haus feiern können, so weit waren wir da schon. Frau Trilling bot uns aber an, meine Primiz doch im Hause Trilling zu feiern. In den Jahren, in denen meine Schwester und ich über 40 Jahre weg waren, haben wir uns immer gefragt: „Haus verkaufen oder nicht?“ Die Eltern waren inzwischen verstorben. Wir entschieden uns für den Nichtverkauf. Meine Schwester, die Hedel, sagte: „ Nein, das machen wir nicht, wo wir das Haus so im Schweiße unseres Angesichtes gebaut haben, können wir das nicht einfach abstoßen und es verkaufen. Wir gehen dann halt zurück, wenn du dann pensioniert bist.“ Das war dann auch der Grund, dass ich dem Bischof von Limburg eine Absage erteilen musste, denn er wollte mich gerne nach meiner Pensionierung für verschiedene Aufgaben noch dort behalten. So sind wir dann in unserem Elternhaus wieder gelandet. Das Elterngrab ist hier auf dem Friedhof. (1974 war der Vater und 1975 die Mutter verstorben.)

Charta der deutschen Heimatvertriebenen
Charta der deutschen Heimatvertriebenen

S.B.: Wir haben ja jetzt bei Ihnen einen großen Sprung bis in die Rückkehr nach Saalhausen gemacht. Wie war überhaupt Ihr Weg zum Priester?

Pfr.H.: Ja, das ist auch wieder so ein Zickzack-Weg, eine Odyssee:

Fr.Z.: Darf ich vorher noch einen Einwand machen? Der Pfarrer Piel von Saalhausen hat auch sehr viel für eine Integration der Saalhauser mit den Vertriebenen getan. Er hat nie einen Unterschied gemacht und hat gefördert, wo er nur konnte.

Pfr.H.: Das, was Sie sagen, kann ich nur unterstreichen. Meinem Vater hat er den Hilfsküsterposten angeboten, weil er in seinen Beamtenberuf nicht zurück konnte. Meine Schwester und meine Mutter haben die Kirchenwäsche übernommen und ich war mit dem Vater zusammen der Glöckner. Ich habe ein ehrendes Andenken an ihn. Nun zu meiner Odyssee: Ich wollte nach der Ankunft gerne wieder zur Schule und bin nach Altenhundem gefahren (mit dem klapperigen Fahrrad natürlich). Der kommissarische Schulleiter Rammrath sagte im Gespräch zu mir: „Geben wir ihm doch eine Chance.“ Ich durfte trotz meiner Lücken in die Quarta aufgenommen werden. Alle Lücken musste ich in kürzester Zeit aufarbeiten. Das unter den engen Verhältnissen bei Voss. Ich habe aber die Kurve gekriegt. 1949 hatte ich dann mein Einjähriges, mehr war in Altenhundem nicht möglich. Herr Rammrath empfahl mir dann, in Attendorn weiter zu machen. Von Saalhausen fuhr ich mit dem Fahrrad nach Altenhundem, durfte das Fahrrad bei Fam. Rammrath abstellen und weiter ging’s mit dem Zug (umsteigen in Finnentrop) nach Attendorn. Bei Wind und Wetter immer mit höchster Geschwindigkeit, es war schon beschwerlich! Pastor Piel fragte dann meinen Vater, ob Schmallenberg nicht günstiger sei. Durch Pastor Piels Vermittlung konnte ich mitten im Schuljahr nach Schmallenberg wechseln. Bis zum Abitur blieb ich noch zweieinhalb Jahre in Schmallenberg. Es fuhr ja noch das Bähnle mit einem Pfeifton bei Trillings vorbei. Wir waren schon eine gemischte Klasse. Wir haben drei ausgelassene Abiturfeiern gehabt, und ich wurde auch gefragt, was ich denn jetzt machen wollte. Als ich sagte: „ Wahrscheinlich Theologie“, da wollte man das gar nicht glauben von einem, der so ausgelassen mitgefeiert hatte. Mein Vater wurde dann durch einen Erzpriester (aus dem Ermland), der hier in Saalhausen weilte, angesprochen, er solle mich doch ins Priesterseminar in Königstein im Taunus gehen lassen. Er legte ein gutes Wort für mich ein, so dass ich dort anfangen konnte. Dies war ein Priesterseminar für Heimatvertriebene. Ich war noch nicht so ganz überzeugt und willigte ein, probeweise dort zu studieren. Nach vier Semestern habe ich dann Freisemester in Freiburg im Breisgau studiert. Im Sommer habe ich dort die Natur erleben wollen und im Winter die Kultur, so dass ich auch noch ein Semester in München anhängte. Hier hörte ich den berühmten Romano Guardini. Aber auch das freie Leben ohne den Seminaristen-Alltag haben wir genossen. Zurück in Königstein musste ich dann natürlich wieder schwer büffeln und lernen. Zum Abschlussexamen wurde ich schon gefragt, ob ich nicht in der Diözese Limburg tätig werden wollte. Ich habe zugesagt und wurde zunächst Kaplan in Herborn. Nach einem Jahr wurde ich bei einem kranken Pfarrer in der Nähe von Montabaur Pfarrverwalter. Zwei Jahre blieb ich dort, bis der genesene Pfarrer wieder zurück war. Ich habe noch einen weiteren kranken Pfarrer vertreten in Steinbach bei Limburg. Hiernach wurde ich Subregens im bischöflichen Konvikt Hadamar. Dies war eine Tätigkeit in der Jugenderziehung. Dann schickte man mich noch einmal nach Frankfurt als Kaplan. Nach zwei Jahren sollte ich dann die Stelle als Pfarrer übernehmen, nachdem der bisherige Pfarrer pensioniert worden war. Ich hatte aber keine Meinung für ein Leben und Arbeiten in der Großstadt. Zu sehr hatten mich die Grafschaft Glatz und das Sauerland ländlich geprägt. Ich dankte für das Vertrauen und trat dann meine erste Pfarrstelle nach dem Pfarrexamen in Helferskirchen im Westerwald bei Montabaur an. Hier konnte ich 7 Jahre noch „vorkonziliar“ arbeiten. Ich sage immer, es waren meine 7 goldenen Jahre. Anlässlich einer Visitation bat mich der Bischof, doch eine größere Aufgabe zu übernehmen. So schlug er vor, in eine Diasporagegend zu gehen, in der viele Heimatvertriebene angesiedelt waren. Ich hatte viele Dörfer zu verwalten und war nicht nur Pfarrer, sondern auch Fahrer eines Busses, um die verschiedensten Aktivitäten betreuen zu können. Es waren 10 erlebnisreiche Jahre, und dann meldete ich mich 1981 zu einer Pfarrstelle in Kölbingen bei Westerburg und war zuständig für zwei selbständige Pfarreien. Hier blieb ich noch 15 Jahre bis zu meiner Pensionierung.

S.B.: Um einen vorletzten Gesprächsdurchgang möchte ich Sie noch bitten: Wie wurden die Erinnerungen an die alte Heimat wach gehalten, hat man die Heimat noch einmal besucht? Alle: Wir haben als ein verbindendes Informationsblatt den „Grafschafter Boten“. 1981 hatten wir ja im Rahmen der Ausstellung „Alt Saalhausen“ im Jubiläumsjahr eine eigene Ausstellung über die Grafschaft Glatz, aus der wir vertrieben wurden. Diese Ausstellung hat uns erneut wieder zusammen geführt und hier bei Piepers sind alle zwei Jahre Treffen. Eigentlich sollte das erste Treffen nur ein Treffen unter den Nachbarsmädchen sein, aber es weitete sich doch aus. Beim ersten Mal waren wir schon mit 40 Personen. Die Höchstzahl waren 120 Personen. Es kamen Glatzer aus den verschiedensten Orten. Nach der Öffnung der Mauer kamen auch einige aus den neuen Ländern, die dort gelandet waren. Es kam dann die Zeit, in der man reisen konnte. (Frau Zimmermann und Frau Pieper hatten ihre alte Heimat besucht. Herr Pfarrer Hillmann war nicht wieder in seiner alten Heimat.) Verschiedene Wallfahrten, z.B. nach Werl, wurden organisiert. Castrop Rauxel war Patenstadt. Es gibt eine Reihe Schriften und Kalender, auch im Internet sind wir vertreten. In Telgte sind ebenfalls Treffen, zum Beispiel die Pastoralkonferenz Grafschafter Priester.

S.B.: Ein letzte Bitte von mir: Halten wir doch einmal kurz inne und geben Sie uns einen Wunsch für die Zukunft an.

Fr.P.: Ich würde gerne noch einmal eine Reise nach Schlesien machen, aber als Rundreise, um auch die Weite des Landes zu sehen und natürlich auch noch mal nach Hause zu kommen, es ist immer noch das Zuhause. Gerne wäre ich auch mit den Kindern, die hier geboren wurden, gefahren, aber das war uns leider nicht vergönnt. Ob sich die Enkel interessieren werden, ist fraglich. Es ist eine andere Generation, die nicht mehr die Beziehungen dazu haben kann.

Fr.Z.: Mein Wunsch wäre, dass das gesamte Geschehen nicht in Vergessenheit gerät. Es soll nicht dramatisiert werden und kein Hass aufkommen. Wir sind voller Optimismus, weil wir wissen, wir sind hier jetzt zu Hause, und zwar jeder an seinem Platz, voll integriert.

Pfr.H.: Für mich ist die Kirche eine zweite Heimat geworden. Ich hege und pflege die Bilder an die alte Heimat immer noch sehr gern. Ich stimme Jean Paul zu, der einmal gesagt hat: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann.“ Das trifft für mich zu. Wie gesagt, meine Heimat ist die Kirche und mein Wunsch wäre es, wenn die Heimatvertriebenen ihren Zusammenhalt noch bei den Wallfahrten weiter pflegten. Ich erinnere auch gerne an die Charta der Heimatvertrieben, die 1950 in Stuttgart schon formuliert wurde, in der man sagt, dass man keine Rache üben will, obschon man uns soviel angetan hat.

Ich wünsche mir aber auch, dass wir uns gegenseitig vergeben. Im Moment kann ich diese Schritte zur Versöhnung bei den Polen und Tschechen nicht so deutlich erkennen. Ich wünsche mir auch, dass mit einem Denkmal an die Zeit der Vertriebenen erinnert wird. Es geht ja hier nicht nur um die Vertreibung der Deutschen, sondern um Vertreibungen in Europa und was sonst alles schon vorher passierte. Im Moment wird dieser Wunsch, den unsere Vorsitzende der Heimatvertriebenen Erika Steinbach vertritt, sehr stark angegriffen.

S.B.: Ich möchte mich bei Ihnen Dreien ganz herzlich für dieses Gespräch bedanken. Wir konnten feststellen, dass Sie aus einer sehr schönen Heimat gegen jedes Recht unter unsäglichen Strapazen vertrieben wurden und in Saalhausen eine neue Heimat fanden. Durch Ihren Mut und Ihren Willen zum Aufbau gelang es Ihnen Fuß zu fassen. Sie halfen mit am Aufbau und sind überzeugt, dass eine Integration gelungen ist. Sicherlich gab es Höhen und Tiefen. Sie hielten aber auch Kontakt untereinander und pflegten das Kulturgut Ihrer alten Heimat. Sie sprachen auch davon, dass viele von ihnen eigentlich lange Zeit immer noch die Hoffnung auf Heimführung hatten. War man anfänglich der Meinung, was kommen da für Habenichtse, stellte man nach einiger Zeit manchmal sogar etwas neidisch fest, dass Sie mit Kraft und Elan vieles geschaffen hatten. Sie sprachen davon, dass man damals allgemein ein großes Grundvertrauen hatte. Dadurch, dass wir das Tonband haben mitlaufen lassen, ist wieder ein zeitgeschichtliches Dokument für unser Archiv entstanden. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, danke aber auch für das angenehme Gespräch und nicht zuletzt für den leckeren Kaffee und Kuchen, den uns Annette Pieper spendiert hatte.


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