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Saalhauser Bote Nr. 34, 1/2014
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Eloge auf das Sauerland

von Wilhelm Gössmann

Die Eloge ist eine Ansprache oder eine schriftliche Äußerung, die betont durch Lobrede, ehrende Worte und Komplimente charakterisiert ist (Wikipedia)

Das Felsenmeer, die Bruchhauser Steine - Tourismusziele, zugängliche und unzugängliche Höhlen. Gepriesen sei das Sauerland, nicht vor Fremden, eher vor den Sauerländern selbst, die hier leben und wirt­schaften. Eine Sympathieerklärung mit unbekümmer­ter Offenherzigkeit: Ich liebe das Sauerland, obwohl ich oder gerade weil ich vor dem gebirgigen Westfalen geboren bin, immerhin kurkölnisch.

Am schönsten erscheint mir deshalb das Sauerland von dem alten Höhenweg, dem Haarweg aus, zum Teil Autostraße geworden, zum Teil noch bloßer Wirtschaftsweg. Seit urdenklichen Zeiten verlief hier ein breit ausgetretener Wildwechsel. Instinkt und Orientierung, die Spur alter Wanderung von Mensch und Tier, gewiss schon seit der letzten Eiszeit. Die Kelten zogen hier entlang, auch die germanischen Stämme, die Römer drangen auf ihm vor und Karl der Große auf seinen Zügen gegen die nördlichen Sachsen. Das Sauerland blieb südlich liegen.



Der Anblick der Bergwelt mit zeitweiliger Fernsicht lockte in die Täler, lockt heute auf die Aussichtstürme.

Vor dem Sauerland, auf der Haar, neben der Drüggelter Kapelle, steht der preußische Bismarckturm, nicht so steinbombastisch weiter ostwärts die Spitze Warte, eine flügellos gewordene Windmühle des vorigen Jahrhunderts, nun umrahmt von den modernen, Energie und Ärger erzeugenden Windrädern.

Im Innern der Berge und Bergzüge die Hohe Bracht, der Kahle Asten. Das Sauerland, ein Land voller Aussichten: Land der Berge, Land der Seen, Land der Wälder und der Wiesen. Darüber gipfelnah, wolkenverhangen oder sonnenoffen das Himmelsfirmament.

Einst trennender Bergrücken von hüben nach drüben, auch Schneegrenze, hoch sich hinziehend für Fußgänger und Fahrzeuge: der Stimmstamm. Endlich oben, das Gasthaus erreichen und wieder talwärts. Nun eine breite Autostraße für ein schnelles Hinüberkommen. Die Wälder trauern, dass man das sauerländische Bergwelt-Panorama nur noch im Vorübergleiten sieht.

Städte, die noch wie Dörfer zusammengehören, Industrie am Rande, im Innern die selbstbewusste eigene Profilierung: Brilon, Meschede, Arnsberg.

Fügt eure Geburts- und Lieblingsorte hinzu. Die Ruhr ist noch kein Ruhrgebiet. Seit es den Winter­sport gibt, lieben die Städte und ihre Hotel-Restaurants Schnee und Eis. Vom seligen Restaurieren strahlen die Städte und kleinstädtischen Dörfer: schwarz­weiße Fachwerksauberkeit, Schieferdächer, Steintreppen, Segenssprüche über den Hauseinfahrten, neben der Kirche die properen Gasthäuser. Wer einkehrt, ist gern gesehen.

Bei der Durchfahrt durch das Sauerland sieht man, mehr als andernorts, dekorative Schilder und liest „Golddorf”. Auszeichnungen, die die Preise aus dem Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden" do­kumentieren. Ich liebe die sauerländischen, verschwiegenen Dörfer. Sie sind schön. Sollen sie aber den verhängnisvollen Komparativ erhalten: zu schön? Mu­seumsdörfer, in denen man sich wie in einer historisch vergangenen Welt bewegt: Erhalten - ja, bloß restaurieren - nein. Das Sauerland, eine einmalige Dorfwelt. Diese putzt sich heraus wie nirgendwo sonst.

Ich begann, die Denkmäler des Krieges in sauerländischen Dörfern und Städten aufzusuchen, eine seltsame Öffentlichkeit aus vergangener Spruchweisheit: Reich, Vaterland, Ehre. Die Schützenvereine erweisen ihre Reverenz. Erschrocken über die national­sozialistische Inschrift ihres Denkmals, sorgte eine Dorfgemeinde dafür, dass eine Bronzeplatte ange­bracht wurde mit dem Anspruch der Bergpredigt: „Frieden stiften".

Land und Leute. Keltische Ursprünglichkeit ohne eine allzu große westfälische Behäbigkeit. Wem die Täler zu eng wurden, der wanderte aus, liebt aber nach Generationen noch die Heimat und seine frommen Vorfahren.

Annette von Droste-Hülshoff kannte ihre Westfalen. Die Münsterländer sind gutmütig, aber sie sind auch langweilig. Die Paderborner sind übermütig im Denken und Handeln, sind aber poetisch. Die Sauerländer sind geschäftig und rührig, aber sie bleiben zu realistisch. Konsequenz: Man muss das Sauerland literarisieren. Der beste Sauerländer ist der, der ein Gedicht von Christine Koch zitieren kann. Einen solchen lernte ich in Münster kennen.

Heimatliteratur gab es hier, so fest verwurzelt, dass alle andere Literatur dahinter verschwand. Wer nicht so dachte und dichtete, von denen glaubte man, dass ihnen die Heimat nichts mehr bedeute. Heimat ist mehr als es die Heimatvereine ahnen und vertreten. Der in sich geschlossene, wenn auch keineswegs ver­schlossene sauerländische Landschaftsraum brauchte die heimatliche Selbstbestätigung und Erhöhung. Keine Großstadt, keine Universität, eine Kulturpolitik im Kleinen. So sollte es nicht bleiben. Die Lokal­zeitung im Medienzeitalter - die bevorzugte Tageslektüre. Im Ehebett unter dem Kreuz träumten früher die Mütter bei der Zeugung eines Sohnes, dass er einmal Geistlicher werde, damit das katholische Land nicht aussterbe. Als Mutter, als Witwe ihm den Haushalt führen, in Sonntagskleidung, ein spätes, verdientes Glücksgefühl. Die Pfarrhäuser, man erkennt sie sogleich an der Vornehmheit, die ihnen eigen ist, bleiben jetzt oft leer. Kirchenlieder, früher noch beliebter als Volkslieder, die Kirchenorgel am Sonntagmorgen fast so wichtig wie die Blasmusik der Schützenfeste.

Die Bauern waren mit Vorliebe Rinderzüchter. Weil das Korn so spät reifte, ein karger Ackerbau an den Hängen, wenige, widerstandsfähige Obstsorten. Statt dessen Tannenbäume für die Christbaumzeit, ringsum in der Welt.

Außerhalb der gewachsenen Städte die Gewerbeparks, ein riesiges Gelände für sich ansiedelnde Firmen und Fabriken. Ein optimistisches Planen und Planieren, Verkaufs- und Lagerräume, großzügig, aber deprimierend: Marketing statt Marktplatz. In den Talsperren staut sich das Wasser, das von den Bergen, aus Bächen und Flüssen kommt. Segel­boote verschönern den Anblick. Turbinen erzeugen die Energie, durchhängende Drähte am Himmel, über Land.

An den See fahren
zur Drüggelter Kapelle
ein See in der Landschaft
von Wäldern und Bergen
wo die Seele Westfalens aufklart
Über die Felder an der Haar träumen
als noch kein See war
nur das weite offene Möhnetal

Hoch aufragend der Backsteinbau, das Königsmünster. Innen ein Klangraum für die Stimmungen und Stimmen der Mönche, hymnisches Gotteslob die Tageszeiten hindurch. Die Abtei, eine Attraktion für neugierige und religiöse Menschen, die ihren Frieden suchen. Hier Ostern feiern, die Feste des Kirchenjahres. Das Sauerland, so scheint es, feiert mit.

Jeder Gang durch ein Dorf endet bei einer Kirche oder im Wirtshaus. Als es noch keine Leichenhallen gab, ging die Prozession mit Verwandten, Nachbarn und Bekannten vom Sterbehaus zur Kirche, dann auf den Friedhof und zuletzt in ein Gasthaus. Die Zurückgebliebenen wurden traurig, um wieder fröhlich zu werden.

Vieles ist im Sauerland konstant geblieben, trotz der abrupten Veränderungen der letzten Jahrzehnte. Das Sauerland mit dem Auto durchfahren, noch besser, es durchwandern, zu Fuß durch die Wälder, hinauf auf die Berge auf gut ausgezeichneten Wegen und Pfaden. Auf einer Bank ausruhen, mit Blick auf Wiesengründe und Bäche, und darüber nachdenken, wie man hier geistig überdauern kann.

Bewohnbares Land
wo die Seele sich ausdeht
Heimat irrlichtert
innen und nirgends sonst.

Anmerkung der Redaktion:

Obige Eloge entnahmen wir der Schrift: Wilhelm Gössmann: „Landschaft und Kultur als Lebenserfahrung”, Essays und literarische Texte. Ich hatte das Vergnügen, bei Prof. Dr. W. Gössmann in Neuss studieren zu dürfen. Den Kontakt zu ihm haben meine Frau und ich immer gehalten und viele seiner Veranstaltungen zur Literatur besucht. Auf der Jubiläumsveranstaltung: 20 Jahre Christine – Koch – Gesellschaft in Schmallenberg gab mir Professor Gössmann die Erlaubnis, in unserem Saalhauser Boten aus seinen Schriften Beiträge zu übernehmen. Herr Gössmann ist Postbezieher unseres Boten, schrieb uns einen kritischen Essay zu Josefa Berens und eröffnete damals unsere Bilderausstellung des Saalhauser Malers Josef Trilling. Ich bin Prof. Dr. Wilhelm Gössmann in vielfältiger Weise sehr dankbar.

Friedrich W. Gniffke

NRW Literatur im Netz entnehmen wir Vita:

  • Geboren am 20.10.1926 in Langenstraße, Kreis Lippstadt (heute Soest). Aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof. Aufbauschule in Büren und Rüthen. Luftwaffenhelfer, Arbeitsdienst, Soldat, Gefangenschaft.
  • 1946 Abitur, Förderkurs Büren. Studium der Germanistik, Philosophie und Theologie in Münster und München,
  • 1952 Staatsexamen in Münster,
  • 1955 Promotion über Annette von Droste-Hülshoff in München.
  • 1955-1960 Dozent in Japan an der Sophia- und Tokyo-Universität. Erwerb des Meistertitels im Blumenstecken (Ikebana).
  • 1961 Mitbegründer der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Bayern, ihr erster Geschäftsführer.
  • 1962-1968 Dozent an der Pädagogischen Hochschule Weingarten (Oberschwaben).
  • 1968-1980 o. Prof. an der Pädagogischen Hochschule Rheinland, Abteilung Neuss für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur.
  • 1972-1982 Erster Vorsitzender der Heinrich-Heine-Gesellschaft Düsseldorf.
  • 1972-1989 Engagement für die Benennung der Universität Düsseldorf nach Heinrich Heine.
  • 1980-1991 o. Prof. an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf für Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik.
  • 1991-1995 Leiter des Eichendorff-Instituts.
  • Seit 1962 Mitarbeit im Literarischen Forum Oberschwaben.
  • Seit 1976 Mitglied der europäischen Autorenvereinigung "Die Kogge", Minden.
  • 1988-1997 Vorsitzender der "Initiative. Verein zur Förderung der Kultur auf dem Lande e.V.", Rüthen-Langenstraße.
  • 1993 Mitbegründer der Christine-Koch-Gesellschaft e.V., Verein zur Förderung der Literatur im Sauerland. Errichtung von acht Steinblöcken für die Glücklichpreisungen der Bergpredigt in der Gemarkung seines Heimatdorfes Langenstraße (Abschluss 2005). Unterricht in der Kunst des Blumensteckens (Ikebana).

Mitglied der Droste-, Heine-, Eichendorff-, Spee-, Hille-, Grabbe-,Weber- und Hertha-Koenig-Gesellschaft.




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