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Saalhauser Bote Nr. 38, 1/2016
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Hannes Tuch: Der Horst der großen Vögel

- aufbereitet von F.W.Gniffke –

Vorbemerkungen: Aus dem Jugendbuch des Saalhauser Schriftstellers Hannes Tuch werden wir mit Genehmigung der Gebrüder Ralf und Wolfrüdiger Tuch einige Kapitel veröffentlichen. Das Buch ist 1955 erstmals erschienen und erhielt den Jugendbuchpreis des damaligen Bundespräsidenten Prof. Dr. Heuß. Ob es auch heute noch unsere jungen Leser interessiert? Falls wir positive Rückmeldungen erhalten, werden wir weitere Kapitel folgen lassen. Ruft uns an oder schickt uns eine Mail (Telefon 02723/8862 oder fw-gniffke@t-online.de).

Hannes Tuch, geboren am 2. November 1906 in Meschede als Sohn eines Kochs - Kindheit und Jugend in Laer bei Meschede - ausgedehnte Reisen (Europa. Nordkap. Syrakus. Afrika, Irische Inseln) -archäologische Studien in seiner Heimat - Förster im Forsthaus Schwedenbusch am Rande der Warburger Börde -1969 Pensionierung und Rückkehr ins Sauerland. Er erwarb den Femhof in Saalhausen, den die von ihm verehrte Josefa Berens 1938 erbaut hatte, und starb am 12. September 1986 in Lennetadt. Auszeichnungen: Der Horst der großen Vögel wurde 1956 vom Bundespräsidenten Heuss als bestes Tierbuch prämiert und von der UNESCO gewürdigt. Zu seinen Werken gehörten unter anderem die Bücher "Jagdhüttenbuch", "Gespräche mit Bäumen", "Chronos und der Waldläufer" , "Der Horst der großen Vögel", „Menschen und Bäume”, „Der graue Würger”, „Wein aus Österreich”, „ Das karge Gold der frühen Jahre” und „Mein Denken an Dich” Die Frühjahrsausgabe des Saalhauser Boten 2002 hatte Hannes Tuch zum Hauptthema. Im September des gleichen Jahres gestaltete unser Botenteam eine Sonderausstellung zu Hannes Tuch in der damaligen Josefa-Berens-Stube. Auch einige seiner herrlichen Federzeichnungen aus dem Buch werden wir abbilden:

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Kapitel 1 Die Heimkehr Eben kam das Licht über die blauenden Berge im Osten und weckte die Farben und die Schatten zum Leben. Das Licht fiel über den Fluss und die Teiche, die Felder und die Moore, es rieselte in den weiten stillen Wald hinein, bis dahin, wo gewaltige Buchenbäume sich aus moos- und flechtenbärtigen Felstrümmern ragend gen Himmel erhoben. Quellen sprangen Silber-fädig aus dunklen Gesteinsschlünden und klangen mit hellem Rauschen weit in den Wald hinein. Dunkle Wetterfichten, mit grünem Zweigwerk bedacht, stiegen wie Türme aus dem Grunde. Mit den ersten Strahlen des Morgenlichtes fielen wie große Blüten zwei Vögel mit funkelndem Gefieder aus den Tiefen des Himmels.

Dort, wo im Felsgestein die höchste aller hochragenden Buchen ihre erst spärlich belaubte Krone in die reine Luft erhob, stand in halber Höhe der mächtigen Krone das dunkle Bollwerk eines Vogelhorstes. Wie ein schwarzer Ball hing er vor dem strahlenden Hintergrunde des Morgenhimmels, und sein dunkler Schatten fiel weit in den Wald hinein. Hoch ragte er über die raunenden Täler, wo der Opferdampf rauschender Waldwasser als feiner blauer Dunst in die Morgenhelle stieg. Wie zahllose Sonnenspiegel funkelte der Tau regenbogenfarben im Wipfel dieses Baumes, um den nun die beiden Vögel kreisten, die in engen Spiralen aus unbekannten Höhen niedergestoßen waren. Die Schatten der Vögel wanderten dunkel über den Waldboden mit.

Die beiden Vögel waren sehr groß, so groß wie die Reiher oder die Störche über den Niederungen. Ihre Rücken, die sich dunkel vom weißen Untergefieder abhoben, schimmerten bei jeder Wendung ihrer Flugspiele im farbigen Wechsel zwischen Purpur und Grün. Rot leuchteten die langen Schnäbel, und hellrot glänzten die langen, gestreckten Ständer der großen Vögel, die mit der Morgensonne gekommen waren. Es waren Schwarzstörche, Waldstörche, jene Vögel der Einsamkeit und Stille, die in langem Wanderfluge aus Afrika heimgekehrt waren zu ihrem festen Horst im alten Buchenbaum über den Waldhöhen. Schnabelklappernd glitten sie dahin, ohne die Flügel zu rühren, das Steuer des Schwanzes wendete sich auf und ab im Schwunge ihrer Kreisflüge. Immer wieder rundeten sie um den alten Baum, und die dunklen Schatten rundeten mit.

Endlich scherte die Waldstörchin, die hinter dem Storche geflogen war, aus dem Rundflug aus. Sie faltete die großen Flügel zusammen und ließ sich auf dem obersten Ast der Buche nieder. Der Storch aber umkreiste weiterhin den Baum und tauschte schnabelklappernd Beobachtungen mit der Störchin, wonach auch er in den Baum einfiel und auf schwankendem Aste lange auf- und abwiegte, bis er zur Ruhe kam. Verhaltenes, sparsames Schnabelklappern, die Sprache der Störche, undeutbar für horchende menschliche Ohren, aber doch wie eine Sprache klingend, ging im Wechsel von Vogel zu Vogel. Dann sprang die Störchin, ohne die Flügel zu lüften, von ihrem Aste in den großen Horst hinein, den sie prüfend ohne Hast ein paar Mal umschritt.

Der Waldstorch stand inzwischen sichernd im hohen Wipfel und äugte unverwandt über die nahe und weite Umgebung hin, wo nichts seinen klugen Augen entging. Er kannte jede Einzelheit ihres weiten Jagdgebietes, denn es war dieses die fünfzehnte Wiederkehr von langer Südlandfahrt. Er eräugte den vom harten Frost des vergangenen Winters gesprengten Felsen und meldete mit Schnabelklappern der Störchin diese Veränderung des vertrauten Bildes. Er sah und berichtete weiter, dass der Wintersturm einen Baumwipfel gebrochen, und dass er drüben große Lücken in die Fichtenwand über dem Berge gestoßen hatte. Die Störchin hingegen gab einen Bericht über den Zustand des Horstes, der ihr befriedigend erschien und nur hier und da eine kleine Ausbesserung erheischte. Dann griff sie einzelne Zweige auf und legte sie in einer anderen Ordnung nieder, räumte nasses, verfilztes Gras aus der Nestmulde, und stieg ganz unvermittelt wieder vom Horste empor, als der Waldstorch leise klappernd erzählte, wie hell drüben hinter den Baumkronen die Moorwiese im Morgenlicht aufglänzte. Das war ein urtümliches Gebiet, das den Wildvögeln zu eigen war, die in den brakigen Tümpeln nach Fröschen und Molchen und in Kraut und Moos nach Eidechsen und Vogeleiern zu suchen pflegten.

Die Schwarzstörchin umkreiste ein paarmal den Wipfel ihres Baumes und lauschte dem verhaltenen Klappern des Storches. Dann rührte sie die großen Schwingen mit sausenden Schlägen und glitt eilig in Richtung der Moorwiesen davon. Der Schwarz­storch saß noch eine Weile still, dann warf auch er sich in die Luft und schoss der vorangeflogenen Störchin nach. Die großen Waldstörche bewegten während ihres Fluges die Flügel nicht mehr. Sie glitten vor dem Winde, der in die ausgespannten Flügel stieß, dass sie wie dunkle Piratensegel über dem Bug der schlanken Vogelleiber standen. Sie sprachen während des Fluges nicht miteinander, aber sie erkannten an den Bewe­gungen des anderen, dass hier oder dort etwas zu sehen war, was der Beachtung wert. So sah die Störchin, durch eine leichte Kopf­bewegung des Storches aufmerksam gemacht, den Jäger Godefrind mit seinem Hunde Ezzel unten im Walde dahin schreiten. Sie kannten ihn seit vielen Jahren und vertrauten ihm. Auch wussten sie, dass Godefrind sich oft in der Nähe ihres Horstes in den Felsen versteckt hielt, ohne dass sie ahnten, warum er das tat. Sie spürten dagegen unklar, dass dieser Jäger Godefrind man­ches zu ihrem Nutzen tat, wenn es auch unmöglich scheinen mag, dass Wildtiere den Sinn menschlicher Handlungen begreifen können.

Godefrind tat vieles zum Schutze der letzten Schwarzstörche in seinen Wäldern, und wenn die Störche dahinglitten, wichen sie ihm nie aus, sooft er im grünen Rocke auftauchte, sie zischten niemals warnend, und ihre Klapperstimmen riefen sich niemals erregt zu. Sonst pflegten die scheuen Waldstörche den Menschen auszu­weichen. Sie kannten von Jugend an die Gefahren, die ihnen von diesen Lebewesen drohten. Ihr ganzes Dasein war ein ständiger Einsatz ihres Lebens im Kampfe mit dem Menschen oder den Dingen, die er erfunden und erschaffen hatte. Der Jäger Godefrind hatte die Störche auch gesehen. Er war es auch, der ihnen Namen gegeben hatte. Er nannte den Waldstorch "Der Dunkle" und die Störchin "Die Helle". Denn er behauptete, der Storch habe dunklere Rückenfedern als seine Ge­fährtin, deren Rückengefieder einen silbrigen Schimmer aufweise. Mag sein, dass der Mann wirklich recht hatte, denn die Augen eines echten Jägers sehen schärfer und genauer als die der anderen Menschen. Während die Vögel über die braunviolett glänzenden Baum­wipfel dahintrieben, hob Godefrind die Hand zum Gruße. Er freute sich über die Heimkehr der großen Vögel; denn er wusste um die Gefahren und Abenteuer ihrer weiten Reise, genauso wie um die Abenteuer und Gefahren, die sie im großen Horst auf der Höhe zu bestehen hatten.

Ob die Vögel sich über den Anblick des Jägers freuten? Wer weiß es zu sagen? Sie verstanden es, wie alle Tiere der freien Wildbahn, ihre Gefühle gut zu verbergen. Sie segelten ruhig dahin, den fern erglänzenden Tümpeln der Moorwiesen zu.

Kann fortgesetzt werden; lasst es uns wissen!


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