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Saalhauser Bote Nr. 19, 2/2006
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Ein Kaufvertrag im Jahre 1601

- von Friedrich Reinarz -


Wer wissen möchte, wie die Menschen in unserer Region früher dachten und lebten, erhält in den Heimatblättern für das kurkölnische Sauerland erhellende Hinweise. In den Olper Heimatstimmen von 1934 fand ich unter „Diet und dat“ etwas über einen Vertrag zwischen Saalhausern anno 1600.

Nun sind in unserer Dorfchronik von 1981 sehr viele Verträge der Geschichte der Saalhäuser Höfe zugeordnet. Dieser war nicht darunter.

Günther Becker und Robert Rameil konnten bei ihrer akribischen Arbeit kaum jede in Privatbesitz befindliche Urkunde aufspüren und sichten. Jene Urkunde auf Pergament in der Größe von 20 x 22,5 cm gab damals Gottfried Melcher aus Lüttringhausen dem Heimatmuseum. Die darüber gedruckte Notiz in den Heimatstimmen war handschriftlich berichtigt und daran vermerkt, dass der Eigentümer die Urkunde 1945 zurückerhalten hatte. Offensichtlich war man wegen der kriegsbeschädigten öffentlichen Gebäude bemüht, sich zu entlasten. Der Handvermerk stammt wahrscheinlich von dem Heimatforscher Norbert Scheele aus Rüblinghausen, der von 1946 bis 1975 unser Kreisheimatpfleger war.

Als vermutlichen Besitzer der Urkunde konnte ich den Sohn des Gottfried, Hans Melcher, Postweg 3 in Olpe, ausmachen. Fernmündlich angesprochen, versprach Herr Melcher, seine alten Schriftstücke durchzusehen; bei einer nochmaligen Anfrage meinte er, diese Urkunde aus Saalhausen besitze er nicht. Als ich im Olper Archiv alte Zeitungen einsah, erzählte ich dem Stadtarchivar, Josef Wermert, mein Missgeschick. Er erinnerte sich, dass er die Urkunden im Besitz des Herrn Melcher vor einem Dutzend Jahren kopiert hatte. Aus seinem Bestand gab er mir die hier gezeigte Ablichtung für den Saalhauser Boten. Von der ursprünglich gemessenen Größe der Urkunde fehlen der Kopie fast vier Zentimeter. Augenscheinlich ist der untere Teil ab dem Loch für ein Wachssiegel abgerissen. Die Unterschriften der Beteiligten sind deshalb darauf nicht zu sehen.

Die Urkunde ist in einer für uns heute ungewöhnlich lautenden Ausdrucksweise abgefasst. Deshalb reizte es mich, eine Leseabschrift des Dokumentes zu versuchen. Der Verfasser begann den Vertrag mit der Anrufung Gottes in Druckbuchstaben, setzte sein Protokoll dann aber in einer ausgeschriebenen persönlichen Kursive des 16. Jahrhunderts fort. Das brachte mir Ungeübtem Probleme; ich konnte nicht jedes Wort lesen und kann auch Fehler gemacht haben:

In gottes namen Amen kundt und zu wissen sey Jedermeniglich durch dieß gegensichtige offne Instrument das nach Christi unseres Erlößers geburtt Im Jahre Tausendt Sechs hundert (und eins?) In der -?- Indiction genant der Römer Zinß Zahl am Achten Monatstag February Bey Herschung und Regierung des Allerdurchlauchtigsten, großmechtigsten und unüberwindtlichsten Fürsten und herren , hern Rudolphen von Gottes gnaden des zweidten erwehlten Römischen Kaysers, zu allen Zeiten mehrern des Reichs In Germanien, zu Hungern, Behem, Dalmatien p Königs, Ertzhertzogen zu Osterreich, Hertzogen zu Burgund , Steyr, Carndten. Crayn und Würtenbergk p Graven zu Tirol p Unsers allergnedigstn Herrn, In Ihrer Kays : (Kayserlichen?) -?-: (Majestät?) Reichs des römischen und Behemischen im Funff und Zwantzigsten und des Hungerischen Im Acht und Zwantzigsten Jahren, vor mir untenbenenten Notario und glaubwürdigen Gezeugen In meiner wohnung daselbst umb Zwey uhr vier uhr nach mittage In eigener Person erschienen sein die ersame und bescheidene Johann uff den Steinen zu Salhaußen und Gedrut sein eheliche Hausfrawe, neben Johann Schmidt daselbst und hat ermelter Johan sampt seiner frawe offentlich, und freiwillig bekandt und -?-, das sie wohl bedechtlich umb Ihres bessern -?- Willen verkaufft hedten wie sie auch vor mir Notario In krafft dieses verkauffs Ire Wieße oben In der Glewer gelegen, midt einem ortdt an Jacoben Mennekens Wieße stoßendt, wie sie In Ihrem Hegen und bezirks gelegen, so ermelter Gerdrudten Vadter seligen Vincentz vor edtlichen Jahren von Hanßen Trillings seligen Erben erblich außbethan des zehendten, den die Trillings außgemelten Wießen jehrlich ein -?- vorbehaldten, ferkaufft und an sich gepracht vorgenanten Johann Schmidt Ihrem Schwager und Bruder, vor und umb ein gewisse summ geldts, die sie von ernennten Keufer für dato dießes mahl empfangen und zu Ihrem nutzen wieder angelegt hadten, derwegen sie Inen den Keufer solches Kaufgelts hirmidt quitiert, ledig und loß gesagdt, und ferner sich alles Rechtens, so sie an den verkaufften Wießenn gehabdt gäntzlich geußert, enterbedt, und begeben, dieselbe dem Keuffer cediert, übergeben und überlassen, Inen auch, In den geprauch und Besitz der Wißenn eingefurdt, Also das der Keufer und seine Erben nun hinfurten die verkauffte Wieße erblich und eigenthumblich einhaben nutzen, und damit gleich Andrer Ihren gudtern thun und lassen sollen und mögen, ohne Ihr den Verkeufer oder ihrer Erben Intragk und verhinderungk , Die verkeuffer haben auch gelobdt und versprochen, dem Keuffer und seinen Erben der verkaufften Wieße rechtliche wehrschafft zuthun, und alle Ansprache, so sie vom Jemandt der Wießen halb über kurtz oder lang angestelt werden, nächtz abzuschaffen, midt begebung aller Exceptionen, freiheidten, Gnaden und wohlthaten dero Rechten, so dießen Kauff kräncken möchten, und sonderlich die Exceptionum (non soluti prety , -?- onis -?- dimidium, doli & fraudis)?, und dergleichen , davon sie sich zu umbstoßung dieses verkaufs nicht gebrauchen, sondern denselben stadt, fest und unnerbrochen halten soldten und woldten, über welchs falhs die verkeufer mich Notarium gebedten Inen ein oder mehr offene Instrument aufzurichten, geschehen In beisein der ersamen Johan Henneken zu Hundtsoßen und Casparn Heßelers zu Salhaußen -?- glaubhafften zeugenn darzu erpedten und beruffen, Im Jahr, Monats, indiction -?- wie obstehet, und demnach Joh. Anthon Trilling zu Salhaußen cölnischen Bißthumbs Zinß Kay: (Kayserlicher?) gewalt offener Notarius bei oberzelten bekendtnis verkauff, gelobung der wehrschafft und allen andern neben den gezeugen. In der person(?) geweßen, solches also geschehen gesehen und gehördt also hab Ich darher dieß offen Instrument uffgericht dasselbe mit meinem Tauf und zunamen unterschrieben und mit meinem gewonlich notariatzeichen unterzeichnet, hier zu vor den verkeufern -?- requiriert und beruffen -?- ...

Wie klein das Dokument für die Menge des Geschriebenen ist! Pergament war teuer!

Wer von uns würde sich zutrauen, mit Federkiel und Tinte in so kleiner Schrift in absoluter Zeilentreue ein fehlerfreies Protokoll zu schreiben? Johann Anthon Trilling besaß in jener Zeit, da wenige lesen und schreiben konnten, eine geübte Hand.

Den Vertrag schmückte er mit der Zeichnung eines vollbärtigen Mannes mit Schwert und Waage. Der auf einem Band darüber angebrachte Wahlspruch in Latein beschwört die Konsequenz einer klaren Rechtsprechung. Daneben steht „ATS“ wohl für Anthon Trilling Salhaussen – oder für Anthon Trilling Signum, falls es sich um das erwähnte Notariatszeichen handeln sollte. Dies ließe sich im Vergleich mit anderen unbeschädigten Urkunden des Aufrichters klären.

Wie aus unserer Dorfchronik hervorgeht, hatte der Anthon Trilling bereits 1585 auf sich aufmerksam gemacht. Er hatte eine juristische Ausbildung genossen. Möglicherweise sollte er ursprünglich ein geistliches Amt anstreben. Oft bot man männlichen Hoferben ein Studium, damit sie eigene Einkünfte erhielten und für sich und ihre Nachkommen keine Ansprüche an den Hof stellten. Die Weitsicht der Eltern oder Großeltern hat sich wahrscheinlich ausgezahlt, denn als Anwalt und Notar hatte er gewiss die Möglichkeit, die Wirtschaftskraft des Hofes zu stärken, den Jacob Trilling verwaltete.

Weil Kaspar von Fürstenberg in seinem Tagebuch ausgangs des 16. Jahrhunderts von Beratungen mit dem Richter Trilling berichtete, dachte ich an den Saalhausener Juristen. Es handelte sich jedoch um den Richter Caspar Trilling aus Oberkirchen.

Kaspar von Fürstenberg war zu jener Zeit nämlich nicht nur Droste zu Bilstein, sondern auch Amtmann von Fredeburg.

Es fällt auf, dass die beiden letzten Worte der Jahreszahl durchgestrichen sind. Das erste lässt sich unschwer als „und“ erkennen. Beim zweiten gibt es keine Ober- und Unterlängen, da konnte also nur eins, vier oder neun stehen.

Wegen der 1476 erfolgten Kaiserwahl Rudolf II. kommt im 25. Jahr seiner Herrschaft nur als zunächst geschriebene Jahreszahl 1601 infrage.

Mir erscheint es kaum möglich, dass ein Notar im Februar irrtümlich das nachfolgende Jahr vermerkt. Ich glaube eher, dass später jemand den Kauf durch die Streichung der beiden Worte vorverlegen wollte.

Die diagonale Notiz in deutscher Schrift links unten stammt wahrscheinlich von Robert Scheele, der auf das Erwähnen in den Heimatblättern verweist.

Das namentliche Nennen einiger Männer und einer Frau aus Saalhausen in einem Dokument vom 6. Februar 1601 kann wie eine Momentaufnahme über die Handelnden im Dorfe etwas aussagen. Das Pergament reiht sich damit in die Kette von Belegen über die Geschichte Saalhausens ein.

Für die Familienkunde kann es aber ein wichtiger Mosaikstein sein. Denn es besagt unter anderem, dass 1601 Vinzenz Schmidt verstorben ist, sein Sohn Johann als Käufer, seine Tochter Gertrud und ihr Ehemann Johann auf den Steinen als Verkäufer auftreten.

Wenn ich Nachfahre dieser Leute wäre, würde ich die Urkunde von Herrn Melcher erwerben. Vielleicht findet sich bei einer Sichtung seiner ererbten Papiere ja auch das abgebrochene Stück mit den Unterschriften.

Mit diesem Beitrag möchte ich nach zehnjähriger Mitarbeit aus der Redaktion des Saalhauser Boten ausscheiden. Die oft über Monate dauernden Recherchen zu den Artikeln haben mich einiges gelehrt und Entdeckerspaß gemacht. Ich danke allen, die mir zwischen Olpe und Schmallenberg selbstlos geholfen haben.

Große Freude würde es mir machen, wenn sich jemand fände, der meine Rubrik “Unsere kleine Welt“ mit heimatkundlichen Themen neu belebte.


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