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Saalhauser Bote Nr. 35, 2/2014
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Mein Interview mit Antonius Heimes (Gregors):

Ich: Du warst ja 1939 bei Kriegsausbruch erst drei Jahre alt. Gibt es dennoch etwas, an das du dich erinnern kannst oder was dir vielleicht deine Eltern erzählt haben?

Antonius: Unser Papa sagte immer, dass es eine hohe Arbeitslosigkeit gab und die Menschen nichts zu essen hatten. Obwohl hier auf dem Land viele ein bisschen Landwirtschaft hatten, waren sie auch davon betroffen. Hitler hat ihnen natürlich Wohlstand versprochen und deshalb hat dann ein Großteil der Leute die NSDAP gewählt. In der Partei waren aber nur einzelne.

Ich: Und während des Krieges?

Antonius: Wie die ersten gefallen sind ging natürlich auch das Plus für den Adolf zurück. Ich kann mich daran erinnern, wie ein junger Bursche von Grobbels eingezogen wurde und meine Mutter auf einmal rief: „ Nein, da kommt er, die Flinte hängt fast auf dem Boden, so klein ist der Kerl, jetzt muss er in den Krieg.” Er ist auch gefallen.

Ich: Hat man denn über den Krieg gesprochen?

Antonius: Das durfte man ja gar nicht, das war ja Wehrzersetzung. Unser Papa hat ja immer mit dem Ukrainer russische Sender gehört, der wusste dann auch, wo die Front war. Er hat das unserer Mama erzählt und wir saßen als Blagen dabei.

Ich: Warum hat dein Vater die russischen Sender gehört?

Antonius: Weil man der Regierung nicht mehr traute, man wusste, dass die nur gelogen haben. Einer von Postes hat sich russische Kriegsgefangene, die hier arbeiten mussten, herbeigeholt, die ihn dann alles übersetzt haben. Aber das wurde ja sofort bestraft, man hat das rausgefunden und der von Postes wurde bis kurz vor Kriegsende eingesperrt.

Ich: Und als die Amerikaner kamen? Wie hast du das Kriegsende erlebt?

Antonius: Wir dachten, die Amerikaner kommen vom Westen. Nur, sie hatten das Ruhrgebiet mit dem Sauerland eingekesselt und kamen von Osten, womit die Leute nicht gerechnet haben. Sie haben dann von Jagdhaus hier runter geschossen. Dann wurden wir 1945 aus dem Haus rausgeschmissen und da kam der Hauptgefechtsstand hin. Man hatte vor den Fenstern zur Brücke hin Mehlsäcke hingestellt. Wir sind dann oben in den Wald gegangen und dann schossen die Deutschen von Gleierbrück aus und die Amerikaner von der anderen Seite und dazwischen lagen nun die paar Zivilisten. Wir waren in einer Art Höhle und dann ging die Kerze aus und dann sagte unser Papa, dass wir hier raus müssen, da es keinen Sauerstoff mehr gibt.

Ich: Wie war die Situation, als ihr ins Dorf zurückgekommen seid?

Antonius: Die Häuser waren ja alle abgebrannt. Auf der Brücke stand ja ein Panzer und der hat dreimal ins Haus geschossen, da stand nicht mehr viel. Muses waren ja auch erst bei uns im Keller. Vor der Nordseite war Holz hingepackt worden, was eigentlich für den Holzofen bestimmt war und das sollte sichern, dass von der Seite nichts passieren konnte.

Als Saalhausen schon von den Amerikanern eingenommen war, schoss die deutsche Artillerie von Bracht nochmal nach Saalhausen und traf das Engelberts Haus mitten ins Dach. Zuerst wollte keiner rein, aber der Opa war noch drin. Als die Leute reingegangen sind, fanden sie ihn, wie er tief und fest geschlafen hat und noch nicht mal wachgeworden ist. Da kann man sich vorstellen, wie kaputt die Leute waren, er hatte ja tage- und nächtelang nicht geschlafen.

Bracht hat ja lichterloh gebrannt, da sind auch Brandbomben gefallen. Und in Oberhundem an der Ski-Bahn sind wohl auch ein paar hundert Amerikaner gefallen.

Ich weiß noch, dass hier eine ganze Kompanie amerikanischer Soldaten durchmarschierte und dann habe ich zum ersten Mal Neger gesehen, ich habe ja als kleines Kind nie was von schwarzen Menschen gehört.

Ich: War denn noch Schule, als die Amerikaner angriffen?

Antonius: Im letzten halben Jahr vor Kriegsende war kaum Schule. Wenn die Sirene ging, mussten wir rennen, dass wir nach Hause kamen. Da lernt man natürlich nicht so viel, deshalb wurde nach dem Krieg das neunte Schuljahr eingeführt, um das wieder aufzuholen.

Ich: Gab es auch in Saalhausen eine Hitlerjugend?

Antonius: Ja, aber da waren wir noch zu jung für. Wenn wir ein Jahr älter gewesen wären, hätten wir gemusst. Die haben immer ihre Übungen gemacht, aber wir haben nicht viel davon gehört und wollten da auch nicht unbedingt rein. Unser Papa war (ja auch) nie für die Kameraden gewesen.

Ich: Wie war das Leben unter amerikanischer Besatzung?

Antonius: Unser Papa hatte ja einen Durchschuss im Oberschenkel und dann haben ihn die Amerikaner mitgenommen. Wir wussten zuerst nicht, wo er war, und dann kam einer und erzählte, dass er lebte und in Marburg in einem Krankenhaus war. Der, der uns das erzählt hat, kam aus Fleckenberg und war auch in in Marburg und ist aus dem Krankenhaus abgehauen.

Die haben auch den Jägers mitgenommen, der aber auf dem Weg nach Marburg verstorben ist. Und den Gastreichs haben sie mitgenommen, er war ja zwischen einen Lastwagen und sein Fuhrwerk gekommen, als er mit seinem Pferd Munition fahren musste und hatte sich alle Rippen gebrochen. In Marburg war ja das einzige Krankenhaus und da muss es so voll gewesen sein, dass die Patienten teilweise mit Zeitungspapier verbunden wurden.

Ich: Ihr hattet ja einen Kriegsgefangenen in der Backstube.

Antonius: Der wurde uns 1943 zugeteilt. Es war ein Offizier aus der Ukraine, der zuerst in Meggen in der Grube war. Wir hatten zuerst einen aus Polen, aber dann wurden auch die Gefangenen gemustert. Nun war der Pole ziemlich stabil und gut ernährt und kam deshalb nach Dortmund zum Bergbau und der Ukrainer kam zu uns. Ich: Wie habt ihr euch mit dem verstanden?

Antonius: Wir haben uns gut verstanden, er hat ja auch noch gebacken, als der Papa in Marburg war. Er hat auch immer mit unserem Papa die russischen Sender gehört, weil sie den deutschen Nachrichten nicht mehr trauten. Der Ukrainer hat auch immer gesagt: „Wir werden nicht mehr nach Hause kommen, wir werden nach Sibirien kommen und im Eis arbeiten.” Er hat auch seine Papiere in seine Mütze eingenäht und als er sie 1945 wieder herausgeholt hat, stand da „Russischer Offizier, studiert auf der Stalin-Schule in Moskau”.

Während er hier war, hatte er eine Freundin bei Willers, die aus Russland kam. Nach dem Krieg wurde er eingesammelt und hat vorher zu seiner Freundin gesagt, dass er sie nicht mitnehmen könne, da er zu Hause selber eine Frau und zwei Kinder hätte. Als sie das hörte, wollte sie mit einem Messer auf ihn losgehen.

Nachdem der Kriegsgefangene weggebracht wurde, haben wir nie wieder etwas von ihm gehört, ihm war auch von Anfang an klar, dass er nicht mehr nach Hause kommt, sondern als Kollaborateur nach Sibirien musste. Es sind auch Russen ausgerissen, wurden am Steinernen Kreuz wieder eingefangen und vor Arnsberg am Straßenbaum aufgehängt. Das habe ich aber erst nach dem Krieg erfahren.

Ich: Wie waren die Briten als Besatzungsmacht?

Antonius: Uns hat man nichts getan, die waren eigentlich sehr human. Sie merkten ja, dass wir backen mussten, damit die Leute was zu essen hatten. Ich weiß nur, dass sie mit Peitschen hinter dem Haus geangelt haben und als sie nicht genug Fische angelten, haben sie Handgranaten in die Lenne geworfen.

Ich: Wie haben denn die Leute in der Nachkriegszeit gelebt? Hast du auch mitbekommen, wie die Leute in den Städten gelebt haben?

Antonius: Es wurde von dem gelebt, was die Leute angebaut haben. Es waren auch immer Leute unterwegs, die alles Mögliche verhamstert haben. Ich habe mit meinem Papa 1945 meinen Onkel in Untereschbach besucht und wir sind durch Köln gefahren. Man kann sich nicht vorstellen, wie Köln aussah, die Menschen wohnten in den Trümmern.

Ich: Ab wann ging es denn spürbar aufwärts?

Antonius: 1948 würde ich sagen, mit der Währungsreform. Dann war auch wieder einiges auf dem Markt, was die Leute vorher versteckt hatten. Ab da ging es auch aufwärts. Es wurde auch die Straße von Padts her neugemacht, doch statt Teer war der Belag aus Lehm. Da hieß es: „Jetzt sind wir so modern, jetzt haben wir eine Lehmstraße.” Aber die wurde wieder abgerissen, weil die Leute sich beschwert haben.

Ich: Hat Franz Blöink dir jemals etwas von der Gefangenschaft in den USA und Großbritannien erzählt?

Antonius: Da hat er oft drüber erzählt. Wie sie nach Amerika verschifft worden sind, dachten sie: „Auwei, jetzt geht es uns schlecht”.

Der Kommandant war ein Jude und er hat wohl gesagt, dass sie jetzt alles haben sollen, was sie lange nicht bekommen haben. Sie waren total überrascht, dass sie alles zu essen bekamen, was sie wollten. Auch zu lesen bekamen sie alles Mögliche. Aber die Angst um zu Hause war natürlich da.

Aber es gab ein großes Fest, als er wiederkam, die Nachbarn haben einen Kranz gewickelt und er ist groß empfangen worden.

Ein Ausflug zum Hermannsdenkmal. Das Datum der Aufnahme ist unbekannt.
Ein Ausflug zum Hermannsdenkmal. Das Datum der Aufnahme ist unbekannt.
Ein Ausflug mit Frauen zum Hermannsdenkmal Ende der 1950er Jahre  mit Pastor Willy Hennes (Druikens)
Ein Ausflug mit Frauen zum Hermannsdenkmal Ende der 1950er Jahre mit Pastor Willy Hennes (Druikens)
Jahrgangstreffen: V.l.: Alfons Rameil, Franz Döbbener, Josef Rameil (Lindlar), Emil Zimmermann, Paul Hessmann, Wilhelm Lutter (Gleierbrück). Das Datum der Aufnahme ist unbekannt.
Jahrgangstreffen: V.l.: Alfons Rameil, Franz Döbbener, Josef Rameil (Lindlar), Emil Zimmermann, Paul Hessmann, Wilhelm Lutter (Gleierbrück). Das Datum der Aufnahme ist unbekannt.

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