Saalhauser Bote Nr. 16, 1/2005


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Mit dem Drachen übers Sauerland

- von Hugo Rameil –




Im Schlepp hinter dem UL (motorisierter Drache)


Freitagabend, 25.06.2004 - der ARD Wetterbericht für morgen ist viel versprechend. Der Segelflugwetterbericht im Internet bestätigt die Prognose und gibt mir weitere Auskünfte über Thermikentwicklung und Windgeschwindigkeiten. Wegen des gemeldeten Westwindes müsste ich, bei einem Start in Winterberg, Richtung Osten fliegen. Vorsichtshalber schaue ich mir in der Luftfahrtkarte noch die Kontrollzonen, in die man nicht einfliegen darf, östlich von Winterberg, an.


Samstagmorgen, 26.06.2004 – Bubi (Wolfgang Henrichs) ist noch arbeiten und kann sich erst ab Mittag frei machen. Mittlerweile bilden sich am Himmel hübsche Schäfchenwolken, die auf eine gute Thermik deuten. Um 11.30 Uhr kommen wir endlich los und sind gegen 12.15 Uhr in Winterberg. Kurz vor dem Fluggelände „Remmeswiese“ sehen wir Christoph mit seinem UL (motorisierter Drache) den ersten Drachen in die Luft schleppen. Nach dem Ausklinken steigt dieser in der Thermik gut nach oben.


Schnell fangen wir mit dem Aufbau der Drachen an. Die Instrumente – Navigationsgerät (GPS), Höhenmesser und Variometer werden eingestellt. Auf Grund früherer schlechter Erfahrungen ziehe ich mich warm an – T-Shirt, Wollpullover, Windbreaker und oben drüber eine enge „zweite Haut“, anschließend Gurtzeug und dicke Handschuhe – und das Ende Juni.


Der Wind kommt auf der Startbahn von rechts und nicht optimal von vorne, ist aber noch im grünen Bereich. Ich gebe Christoph das Startzeichen und muss ganz schön lange rennen, bis mich mein Drachen in die Luft zieht.


Am Ende der Piste fliegt Christoph nach rechts über einen Fichtenwald. Unser Steigen ist allerdings nicht berauschend. Wenn hier das Schleppseil reißt, habe ich ein dickes Problem. Die Höhe reicht nicht zum Rückflug auf den Flugplatz und als Landeplatz bleibt nur der enge Golfplatz weiter unten im Tal. An die Turbulenzen dort will ich gar nicht denken.

Plötzlich taucht Christoph vor mir ab, er scheint in eine stark fallende Luftmasse gekommen zu sein, ich 80 m hinter ihm am Schleppseil bin noch in steigender Luft.

Durch eine höhere Fluggeschwindigkeit versuche ich auf gleiche Höhe wie Christoph zu kommen. Wegen der hohen Geschwindigkeit – ich fliege mit über 100 km/h – hängt das Schleppseil durch. So wie Christoph abgetaucht ist, schießt er plötzlich wie ein Korken nach oben. Wenn jetzt wieder Zug auf das Schleppseil kommt, wird wohl die Sollbruchstelle reißen.

Das Seil spannt sich - und wie vermutet, reißt die Sollbruchstelle. Na ja, die Höhe reicht auf jeden Fall, um zum Flugplatz zurück zukommen. Ich fliege aber in kräftiges Steigen ein und 10 Minuten später bin ich unter der Wolkenbasis auf 2100 m NN (Höhe über Meeresspiegel).


Mit dieser komfortablen Höhe fliege ich Richtung Osten los. Über Medebach bringt mich die nächste Thermik wieder unter eine Wolke, allerdings schüttelt es mich dabei ganz schön durch.


Zwischen Korbach und Edersee kann ich wieder aufdrehen und dabei den Ausblick auf den Edersee und die Gegend um Korbach genießen. Am Flugplatz Korbach sehe ich Elmar Müller, einen Fluglehrer aus Winterberg, mit Gleitschirmflugschülern beim Windenschlepp. Schön hier oben zu sein und nicht dort unten!


Richtung Flugplatz Waldeck ist wie des öfteren keine Thermik zu finden. Warum ist hier eigentlich ein Segelflugplatz, die Plätze wurden doch immer in thermisch guten Gebieten angelegt?

Ich gleite weiter und komme dem Boden immer näher. Ich fluche - hier bin ich bei Streckenflügen schon zweimal gelandet. An einer Waldkante in Flugrichtung sehe ich tief einen Vogel kreisen, ein Zeichen für Aufwind. Ich fliege die Stelle an und finde dort einen Aufwind, dieser ist aber so schwach, dass ich nicht mehr bis unter die Wolken komme.


Bei Fritzlar kreuze ich die A49 und kurz vor Melsungen die A7. Die Thermik ist hier überall sehr schwach und zwischen den einzelnen Thermikbärten verliere ich immer viel Höhe und muss mich von unten langsam und mühsam nach oben arbeiten.


Weiter Richtung Waldkappel ändert sich die Landschaft und kommt mir wieder vertrauter vor - sie ähnelt stark dem Sauerland. Die Thermik wird deutlich besser und kreisende Segelflieger zeigen mir die Aufwinde.


In Flugrichtung wird die Landschaft ebener, mit riesigen Getreidefeldern. Überall stehen Windräder, die mir zuverlässig die Windrichtung anzeigen. Südlich von meinen Kurs sehe

ich Eisenach mit der Wartburg.

Das Fliegen hier macht riesig Spaß, die nächste Wolke anpeilen, los fliegen und unter den Wolken in butterweicher Thermik hoch drehen.




Kurz vor der Landung


Da ich mittlerweile ziemlich erschöpft bin, und für die Landung noch einmal volle Konzentration benötige, suche ich mir nach 5 ½ Stunden Flugzeit eine abgemähte Wiese zum Landen. Um 18.45 Uhr lande ich sicher aber überglücklich auf einer riesigen Wiese in der Nähe von Erfurt. Mein GPS zeigt an, das es bis nach Winterberg 167,5 km – Luftlinie - sind.


Dank Bubi, der einen Teil der Strecke schon mit dem Auto, auf Verdacht, Richtung Osten gefahren ist, brauche ich mir um das Nachhause kommen, keine Gedanken machen. Als er mich abholt, hoffe ich, dass ich mich bei ihm irgendwann revanchieren kann.



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