Im Frühjahr 1941 war Josef Metten zusammen mit seinem Bruder dabei, am Rossnacken Fichten zu pflanzen, als plötzlich ihre Mutter auf sie zugelaufen kam. In den Händen hielt Maria Metten den Gestellungsbrief für ihren Sohn.
Nach Beendigung der Feldzüge gegen Polen 1939 und Frankreich 1940 glaubten viele Deutsche an Frieden und auch Josef Metten hatte nicht mehr damit gerechnet, zur Wehrmacht eingezogen zu werden. Im Juni 1941 hielt er sich zur militärischen Ausbildung in einer Kaserne in Wuppertal auf.
Feldpost vom 8. Juni 1941: Abs. Schütze Josef Metten, 1.Komp.Schützen Ers.Batl.(mot.) 64, Wuppertal-Barmen: Ihr Lieben, gestern war ich in Elberfeld zur Kirche. Ferner am Abend nach Ronsdorf zur Kirmes wo ich plötzlich den Sommergast Rhutekolk mit Frau traf aus Oberbarmen. Ich habe heute Mittag nicht viel Zeit zum Schreiben. Morgen ist hier Besichtigung …
Der nächste noch vorhandene Brief der Feldpost ist vom 8.10.41: Schreibe Euch kurz, dass es mir noch gut geht, was hoffentlich bei Euch auch der Fall ist … Schickt mir eine kleine Pfeife … Hier gibt es keine Pfeifen. So arm hätte ich mir Russland nie vorgestellt …
Russland, d. 22.10.41 Meine Lieben, … Hier in Russland wird die Landwirtschaft nur mit großen Maschinen bewirtschaftet. Jeder, der auf dem Lande wohnt, hat unter Stalin nicht mehr gehabt als 1 Kuh, 1 Kälbchen, 1 oder 2 Pferdchen oder Ochsen, 1 bis 2 Schweine, Hühner und Enten. So dem entsprechend ein kleines, aus Lehm gebautes Häuschen.
Zur Weintraubenernte waren wir an der Asowischen Meeresküste und haben dort Weintrauben gepflückt zum Essen, welche sehr süß schmeckten. Schickt mir im Brief mal eine kleine Landkarte aus der Zeitung oder etwas Ähnliches. Meine K.D.F. Landkarte reicht nicht mehr aus. Ein kleines Liederbüchlein mit dem Sauerlandlied könnt Ihr ja auch dabei tun und im Paketchen ein Kartenspiel mitschicken. In letzter Zeit haben wir zu rauchen genügend gehabt, aber wenn man Reserve hat ist besser.
Vom Sonntag merkt man hier nichts, bloß, dass die Leute nicht alle arbeiten. Die Kirchen sind umgewandelt zu Theaterhäusern und zu sonstigen Zwecken. In einem Land, wo keine Glocken läuten, macht sich gar kein Sonntag bemerkbar, welches Ihr Euch nicht vorstellen könnt …
Die Bevölkerung winkt uns manchmal zu, wenn wir vorbei fahren. In den Wohnungen haben verschiedene Leute einige Heiligenbilder und Altärchen, wo sie den Sonntag feiern. … Auf ein frohes Wiedersehen, Gruß Euch, Josef
Russland, d. 30.10.41 … In der letzten Woche war ein Lastwagen von unserer Kompanie unterwegs und wurde auf der Fahrt von feindlichen Bomben getroffen. 4 Mann waren dem Schicksal erlegen, welche am folgenden Tag beigesetzt wurden. 2 von den Toten waren aus meiner Gruppe, die am Abend nicht mehr auf die Stube zurückkehrten. Solange wie ich lebe werde ich dies nicht vergessen …
Russland, d. 5.7.42 Liebe Mutter und Bruder, sicherlich habt Ihr meinen Wunsch schon erfüllt. Dass Ihr mich gemeldet habt als Landwirtschaftsführer für die neugewonnenen Gebiete … Denn das ist gar nicht schlimm, solches zu machen. Die Ukrainer sind gut und freundlich zu uns. Ich bin dann nächsten Winter besser dran. Ich glaube ja kaum, dass die Bestimmungen so sind, dass Jahrgang 1909 noch zu den kämpfenden Truppen gehört … Ich möchte dieses schnell erledigt haben. Für kurze Zeit, 2 Wochen oder 3, sind wir in Ruhe … Schreibt mal öfter darüber, wie weit es ist. Euer Josef
Soweit die Auszüge aus Feldpostbriefen, die noch vorhanden sind. Der letzte Brief und damit das letzte Lebenszeichen von Josef Metten liegt nicht mehr vor. Amerikanische Soldaten brachen nach der Einnahme Saalhausens am 9. April 1945 alle Schränke in Metten Hof auf und vernichteten einen Teil der gelagerten Schriftstücke. Dieser letzte Brief, Feldpost vom 3. Januar 1943 (abgestempelt 8.1.43), aus dem Kessel von Stalingrad muss sehr erschütternd gewesen sein. Besonders in Erinnerung geblieben sind diese zwei Sätze: "Zu essen haben wir nur noch das Fleisch erschossener oder erfrorener Pferde. Wenn ihr mich sehen könntet, ihr würdet mich nicht mehr erkennen."
Ein weiterer Satz aus dieser letzten Feldpost ist in Briefen zu finden, die seine Mutter Maria Metten in den Jahren bis 1950 an heimgekehrte Kriegsgefangene in Deutschland und Österreich geschrieben hat: "Dann hat er geschrieben, er sei in einer Truppe bei Stalingrad mit 125 Pferden und er hätte viele Österreicher bei sich und keine Bekannten oder Westfalen". Die Adressen der Heimkehrer hatte sie anhand der Feldpostnummer von Josef Metten durch wiederholte Anfragen an folgende Suchdienste erhalten: -Suchdienst des roten Kreuzes in Friedland / Hannover -Hilfsdienst für Kriegsgefangene und Vermisste in Stuttgart -Bundesministerium für Inneres, Kriegsgefangenensuchdienststelle in Wien
Einer der Kriegsheimkehrer antwortete:
Minden, den 9. 5. 1949 Sehr geehrte Frau Metten! … Leider habe ich Ihren Sohn Josef nicht gekannt und kann Ihnen deshalb auch keine nähere Auskunft geben. Anfang Januar ist allgemein die letzte Post aus dem Kessel Stalingrad ausgeflogen worden. Die Gefangennahme der im Kessel eingeschlossenen Truppen (91000) erfolgte in der Zeit vom 25. 1. 43 bis 1. 2. 43 … Doch hoffe ich mit Ihnen, dass er sich noch unter den Lebenden befindet und dereinst gesund in die Heimat zurückkehrt. Es grüßt Sie hochachtungsvoll Ihr Gottfried Mangold
Nur einer der heimgekehrten ehemaligen Wehrmachtssoldaten konnte sich noch an Josef Metten erinnern. Er schrieb:
Innsbruck, den 11. 3. 1949 Werte Frau Metten! … Der Name Ihres Sohnes ist mir wohl noch in Erinnerung. Es war im Jahre 1942 in den Junitagen im Raume von Stalino vor der Offensive in Richtung Stalingrad. Wir befanden uns in einer Bereitschaftsstellung westlich Jassinovataya, am 9. 6. 1942 war ich mit Ihrem Sohn das letzte Mal beisammen.
Ich kam mit meiner Einheit, 1. Battalion Bergmann, zur Südostarmee und habe seither mit Ihrem Sohn keine Berührung mehr gehabt. Meine Marschrichtung war der Kaukasus, während meiner Anschauung nach Ihr Sohn bei der Stalingradarmee verblieben sein wird … Ich weiß, er war ein braver und anständiger Junge … Mit vielen herzlichen Grüßen, bis zum nächsten Schreiben verbleibe ich ergebenst Franz Spörr.
Nach diesem Schreiben aus Innsbruck hat es keine Nachricht mehr über das Schicksal von Josef Metten gegeben.