Saalhauser Bote Nr. 48, 1/2021
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Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

von Annika Deitmer

1. Wolf in Sicht?

Er war einmal das verbreiteste Säugetier der Welt: der Wolf.

Bis ins späte 19. und frühe 20. Jahrhundert drängten die Menschen in Europa ihn immer weiter aus ihrem Lebensraum zurück. Er war für sie existenzbedrohend, wenn er ihnen das eine Schaf, die eine Ziege oder das eine Rind riss, das die Familie ernährte. Wie gefürchtet der Wolf war, lassen Märchen wie „Rotkäppchen“ oder „Der Wolf und die sieben Geißlein“ erahnen. Gleichwohl war der Wolf darin am Ende immer der Verlierer.

In den 1960er Jahren lebten nur noch im östlichen und nordöstlichen Europa einschließlich der Karpaten und des Balkan größere Wolfsrudel. Weiter westlich ließen die Menschen Isegrim nicht sesshaft werden. In Ostdeutschland wurde der Wolf bejagt. Die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland verhinderte Weiteres.

Seit dem neuen Jahrtausend ist der Wolf auch im Westen Europas auf dem Vormarsch. Tiere aus dem baltisch-ostpolnischen-ukrainischen Raum und ihre Nachkommen siedeln sich bislang noch vorrangig im Norden und Osten und vereinzelt im Westen und Süden Deutschlands an. Verzeichnete die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes (DBBW) im Jahr 2000 nur ein Rudel in Sachsen, waren es 2008 bereits fünf, 2014 schon 31 und 2021 113 Wolfsrudel und 113 territoriale Einzeltiere (vgl. https://www.dbb-wolf.de/Wolfsvorkommen/territorien/karte-der-territorien ).

2018 gab es in Nordrhein-Westfalen das erste offiziell erfasste territoriale Einzeltier. 2020 registrierte die DBBW bereits zwei Rudel in NRW.

Für das Sauerland weist die DBBW bislang weder ein Rudel, noch ein Einzeltier auf. Räumlich am nächsten ist uns ein Rudel in der Leuscheid, dessen 16 Kilometer Radius des ca. 200 Quadratkilometer großen Territoriums bis nach Eitorf, Windeck und Altenkirchen reicht. Obgleich für unsere Gegend kein Exemplar verzeichnet ist, kann es vorkommen, dass einzelne junge Wölfe, die sich von ihrem Rudel getrennt haben, hin und wieder durch unsere Landschaft streichen. Jungtiere, vor allem Rüden und unter Futterstress leidende Tiere, verlassen in einem Alter zwischen einem und zwei Jahren ihre Familie auf der Suche nach Fortpflanzungsmöglichkeiten und einem eigenen Territorium.

An einem frühen Morgen Anfang Mai 2018 sahen ein Jäger und ein LKW-Fahrer auf den Wiesen unter der SGV-Hütte in Bracht einen einzelnen jungen Wolf. Später beobachtete der gleiche Jäger diesen Wolf noch einmal am Jagdhaus über Saalhausen. Bevor Isegrim weiterzog, wurde er schließlich noch zwischen Saalhausen und Störmecke gesichtet. Monate später fand man ihn tot im Schluchsee. Dies belegen vom Senckenberg Institut in Frankfurt analysierte Kotproben.

Gesehen will der ein oder andere einen Wolf auch hier und da in den Saalhauser Wäldern. Belege dafür gibt es nicht. Verwechslungen mit anderen Tieren sind möglich. Die weit verbreiteten Wildbeoachtungskameras in der Gegend haben bislang keinen Wolf ablichten können. Würde sich ein Wolf dauerhaft in Saalhausen und Umgebung aufhalten, hätte er auch die Reh- und Wildschweinpopulation reduziert. Das wäre zumindest den Jägern aufgefallen.

2. Wolf oder Schäferhund?

Wie erkenne ich nun aber einen Wolf? Wie kann ich ihn von einem Hund unterscheiden? Vorneweg: Der Wolf ähnelt einem großen Hund. Er gehört schließlich zur Familie der Canidae, der Hundeartigen. Wolf und Hund entwickelten sich vor circa 15.000 Jahren auseinander.

Wolfsrüden wiegen 33 bis 47 Kilogramm, Fähen etwa 25 bis 35 Kilogramm. Sie haben eine Widerristhöhe von 66 bis 82 Zentimeter und sind einschließlich Rute bis zu zwei Meter lang. Im Vergleich dazu: Ein Schäferhund wiegt bis zu 40 Kilogramm und wird bis zu 65 Zentimetern groß.

Wölfe haben im Vergleich zu Schäferhunden einen schlankeren Körperbau. Mit Sommerfell können sie sehr ausgemergelt aussehen. Anders als bei Schäferhunden ist ihre Rückenlinie gerade und ihr Bauch stark eingezogen. Der Brustkorb ist hoch und schmal, die Beine vergleichsweise lang, länger als die des Schäferhundes. Sie haben einen großen Kopf, aber kurze Ohren und eine relativ lange Rute. Der Schäferhund hat längere Ohren und ebenfalls eine lange Rute.

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Bild 1, Wolf, www.pixabay.de
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Bild 2, Wolf, www.pixabay.de
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Bild 3, Deutscher Schäferhund, www.pixabay.de

Das Fell der Wölfe hat eine graue Grundfärbung, die von gelblichgrau, über graubraun bis dunkelgrau variieren kann. Die Unterseite der Schnauze und die Kehle sind hell, die Rückseiten der Ohren rötlich gefärbt. Die Schwanzspitze ist meist schwarz.

Der Wolf bewegt sich typischerweise im geschnürten Trab, bei dem die Hinterpfoten exakt in den Abdruck der jeweiligen Vorderpfote gesetzt werden. Die Spuren der rechten und linken Pfote bilden damit fast eine einheitliche Linie wie beim Fuchs und sehen wie auf einer Schnur aufgereiht aus. Hundespuren sind dagegen weniger geordnet und geradlinig. Die Hinterpfoten des Hundes treffen nicht die Spuren der Vorderpfoten.

Die Trittsiegel eines Wolfes sind zehn bis dreizehn Zentimeter groß und häufig größer als die eines Hundes (bis zu elf Zentimeter) und erheblich größer als die eines Fuchses. Hundespuren sind breiter und ihre Krallen hinterlassen einen wesentlich undeutlicheren Abdruck. Des Weiteren lässt sich das Trittsiegel des Wolfes durch ein X teilen.

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Bild 4, Wolfsspur, www.pixabay.de

Der Wolf verfügt über 280 Millionen Geruchsrezeptoren. Er kann aus fast 300 Metern Entfernung wittern, bei sehr günstigen Windverhältnissen sogar über zwei Kilometer weit.

Mit dem typischen Wolfsheulen können Wölfe bis zu zehn Kilometer weit mit ihren Gruppenmitgliedern kommunizieren. Das Heulen stärkt die soziale Bindung, sorgt für das Zusammenkommen der Gruppe oder von Paarungspartnern und verhindert ein Aufeinandertreffen verschiedener Rudel.

Der Wolf ist ziemlich anpassungsfähig. Vom Lebensraum hin bis zur Nahrung. Er bevorzugt vor allem Reh- und Rotwild und relativ ruhige Gebiete. Und wann ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, einen Wolf zu erblicken? Ist er tag- oder nachtaktiv? Auch in dieser Hinsicht ist der Wolf flexibel. Da er schnell überhitzt, wird man ihn kaum im Sommer in der Mittagssonne antreffen. Um Menschen auszuweichen, ist er eher nachts, in den frühen Morgenstunden und am Abend unterwegs.

3. Bedrohung Wolf?

In einem dicht besiedelten Land wie Deutschland ist die steigende Wolfpopulation nicht unproblematisch.

Menschen

Dabei war und ist ein Wolfsangriff auf einen Menschen relativ unwahrscheinlich. Normalerweise meiden die vorsichtigen Tiere unsere Nähe. Noch eher der Mensch sie entdeckt hat, sind sie ihm normalerweise schon ausgewichen.

Rechnet man die durch Tollwut ausgelösten Angriffe von Wölfen heraus, gab es in Europa in den letzten zwanzig Jahren nur acht gemeldete Wolfsangriffe, von denen keiner tödlich verlief. Problematisches Verhalten zeigen Wölfe vor allem dann, wenn sie stark an Menschen gewöhnt sind und angefüttert bzw. angelockt wurden, weshalb das Füttern oder Anlocken mittlerweile verboten ist.

Wie sollte man sich verhalten, wenn man einem Wolf begegnet?

◦ groß machen,

◦ klatschen,

◦ die Wölfe bestimmt ansprechen oder rufen,

◦ einen festen Schritt auf den Wolf zumachen oder sich langsam zurückziehen.

Und was ist mit Kindern? Ein dänischer Wolfsforscher hat davor gewarnt, Kinder in Wolfsgebieten allein im Wald spielen zu lassen. Vergleichbar ist die Situation mit dem Zusammentreffen von Kind und freilaufendem Hund, die auch nicht ungefährlich ist. Kinder wissen häufig nicht wie sie sich gegenüber einem wilden Tier verhalten müssen.

Anders als der Hund sollte der Wolf aber nicht an den Menschen gewöhnt sein und diesem ausweichen. Gewöhnlich sollte es deshalb nicht zu einer Begegnung zwischen Kind und Hund kommen, insbesondere nicht in Gebieten, die noch kein Wolfsgebiet sind.

Hunde

Und Hunde? Generell sollten Hunde im Wolfsgebiet angeleint bzw. nahe bei ihrem Besitzer geführt werden. Wenn Wölfe Hunde für ihre Artgenossen halten, kann dies zwischen ihnen zu "Missverständnissen" führen und als Eindringen in ihr Territorium verstanden werden. Um den Wolf zu verscheuchen, sollte man sich durch Rufen deutlich bemerkbar machen und ihn gegebenenfalls durch das Werfen von Gegenständen vertreiben.

Weidetiere

Für Weidetiere wie Schafe, Kühe und Pferde stellen Wolfsrudel anders als für Mensch und Hund eine echte Bedrohung dar. Die Beispiele für Tierrisse durch Wölfe sind zahlreich, insbesondere in Niedersachsen. So hat zum Beispiel seit Ende 2018 ein Rudel im Emsland mehr als 500 Schafe gerissen. Der Schaden für den Schäfer betrug 50.000 €, obwohl das niedersächsische Umweltministerium zuvor 40.000 € in Herdenschutzmaßnahmen investiert hatte.

Aber wie geht man damit um? Die alten Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) verlangten bis Anfang 2020 für eine sogenannte „letale (=tödliche) Entnahme“ fast Unmögliches. So musste exakt das Herdentier bestimmt werden, welches das Weidetier gerissen hatte. Es kam wie es kommen musste: In dubio pro reo für den Wolf bzw. die Wölfe. Überall wurde in teure Herdenschutzmaßnahmen investiert und dennoch schafften die Tiere es, diese in vielen Fällen zu umgehen.

Nach Änderung des BNatSchG kann eine letale Entnahme einzelner Wölfe mittlerweile schon genehmigt werden, wenn sich das Rudel bestimmen lässt, welches für den Schaden verantwortlich ist. Es dürfen so lange Tiere getötet werden, bis kein Schaden mehr entsteht, vgl. § 45a BNatSchG. Allerdings gilt dies weiterhin nur unter der Voraussetzung, dass die Situation alternativlos ist, also zumutbare Herdenschutzmaßnahmen wie Zäune erfolglos waren und ernste wirtschaftliche Schäden drohen. Auch die Wolfspopulation an sich darf durch die Tötungen nicht verschlechtert werden.

Auf Grundlage dieser Änderungen ist im Februar 2021 der erste Problemwolf im Emsland legal getötet worden. Der Jäger, der den Wolf erlegt hat, und der Nutztierhalter, der den Abschuss des Wolfes beantragt hat, erhielten eine Art „Zeugenschutz“. Aus Angst vor Bedrohung durch militante Tierschützer werden ihre Namen nicht verraten. Mehrere weitere Wölfe sind zum Abschuss freigegeben, weil sie wiederholt als wolfssicher geltende Zäune überwunden haben. Als weiteres Zeichen möchte Niedersachsen den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen, mit einer ganzjährigen Schonzeit.

Reichen die Vorschriften des BNatSchG aus, um mit der wachsenden Wolfspopulation umzugehen? Um ein verträgliches Miteinander des Menschen mit dem Wolf sicherzustellen? Das wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Auch unter Naturschutzaspekten erscheint es möglich, neben einem Wolfsmonitoring ein wissenschaftliches Wolfsmanagement zu betreiben, das Höchstgrenzen erträglicher Wolfsbestände definiert und überwacht. Ein Beispiel dafür gibt Frankreich. Es reguliert seine Wolfsbestände aufgrund der Zuwachsraten und hat eine Zielpopulation von 500 Wölfen festgelegt.


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