Saalhauser Bote Nr. 43, 2/2018
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Problem: Wohnungsnot in Deutschland Lösung: Ein Hochhaus in Gleierbrück?

von Carola Schmidt

Bei Grete Gastreich aus Gleierbrück fand sich ein Zeitungsartikel aus der „Olper Rundschau“ (Amtliches Bekanntmachungsblatt für den Kreis Olpe) vom Herbst 1967, der den möglichen Bau einer Neubausiedlung mit Hochhaus in Gleierbrück, Parzelle Eulensiepen gegenüber dem ehemaligen Haus Waidmannsheil beschreibt. Der verstorbene Erwin Gastreich scheute in den Jahren ab 1960 keine Mühen, um aus seinem Wiesengrundstück in Gleierbrück Bauland werden zu lassen und das gewünschte Projekt einer Siedlung mit Einfamilienhäusern und einem Hochhaus zu realisieren.

In den 1970er Jahren herrschte in Deutschland Wohnungsnot. In einer Dokumentation des SWR werden in 5 Folgen die „wilden 70er“ Jahre beschrieben, darunter in der 1. Folge das Thema „Wohnräume und Wohnträume“.

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Bericht aus der Olper Rundschau Herbst 1967

Zitat: Das Thema Wohnen war in den Siebzigern allgegenwärtig. In den Medien meist als Negativschlagzeile, denn es herrschte noch große Wohnungsnot in Deutschland. Zwar füllten die utopischen Entwürfe der Architekten und Designer Zeitschriften und Magazine, der bundesdeutsche Wohnalltag aber sah anders aus. Das Bild bestimmten klobige Betonklötze. Auf freiem Feld wuchsen ganze Stadtteile, wie Mannheim-Vogelstand, 6.000 Wohnungen sollten hier entstehen.

Im Sauerland war es ähnlich. Die Gemeinde Kirchhundem suchte in den 70er Jahren nach Neubaugebieten, um der Wohnungsnot zu begegnen. Für das Projekt Gleierbrück-Eulensiepen landeten die Unterlagen (1960 – 1974) bei der Gründung der Stadt Lennestadt in deren Archiv: 2 dicke Aktenordner mit Anträgen, Protokollen der Ratssitzungen, Zeichnungen und Anschreiben an alle notwendigen Behörden und Organisationen, die bei einem solchen Projekt involviert waren.

Auch wenn Erwin Gastreich beim Antrag auf Baugenehmigung empfohlen wurde, mit dem Verkauf der Grundstücke zu warten, er ließ sich von seinem Bestrebungen um Umwandlung von Wiesen in Bauland nicht abbringen. Er wurde aktiv und fand bald Käufer für die geplanten Parzellen. Die Akten enthalten Kopien von einigen Kaufverträgen, die allerdings eine Klausel enthielten: Der Käufer ist berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, wenn sich das Grundstück innerhalb von 2 Jahren als nicht bebaubar erweist.

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Geplante Siedlung mit Hochhaus in Gleierbrück-Eulensiepen
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Eine Vielzahl von Behörden und Organisationen mussten ihr Einverständnis erklären.

Auf Saalhauser Seite unterstützen der damalige Bürgermeister Brüggemann sowie die Lokalpolitiker Theo Heimes und Alfred Tüschen das Projekt. Um seinem Projekt Nachdruck zu verleihen, bot Erwin Gastreich sogar an, hinter seinem Haus ein Freibad zu errichten, in dem die Kinder aus den geplanten Häusern 2 x die Woche kostenlos schwimmen durften.

Aus dem ursprünglich geplanten Hochhaus mit 10 Etagen wurden im Laufe der Jahre nach Antragstellung 1960 immerhin noch ein Gebäude mit 5 Etagen (Beschluss vom 01.07.1968), die Anzahl der umliegenden ein- bzw. zweistöckigen Einfamilienhäuser wurde laut Beschluss vom 08.11.1966 auf 34 festgelegt. Damit wäre in Gleierbrück eine komplett neue Siedlung entstanden.

Unterschiedliche Auffassungen bestanden allerdings beim Thema der Kostenübernahme der möglichen Erschließungskosten, die für damalige Verhältnisse enorm hoch waren. Weder die Gemeinden Saalhausen oder Kirchhundem noch Erwin Gastreich waren bereit, bei diesen Kosten in Vorleistung zu treten. Stattdessen sollten die Kosten bei den Verkaufspreisen der einzelnen Parzellen eingerechnet werden.

Für das Jahr 1969 findet sich im Archiv ein Brief des zuständigen Regierungspräsidenten in Arnsberg an den Amtsdirektor von Kirchhundem vom 20.02.1969: es werden die Bedenken gegen das geplante Projekt aufgeführt: 1. wegen der abseitigen Lage des Baugebiets und 2. wegen der schwierigen und z.T. unzulänglichen Erschließung des Grundstücks.

Wenige Monate später, präzise am 01.07.1969, erfolgte die Gründung der Stadt Lennestadt, zu der ab sofort auch die Ortsteile Saalhausen und Gleierbrück gehörten. Die Neugründung einer solchen Stadt aus bisher unabhängigen Gemeinden mit all den verbundenen administrativen Aufgaben brachte die weitere Planung des Projekts Eulensiepen zum Stillstand.

Das endgültige Aus kam im Jahr 1974. In einem Brief informiert die Bauverwaltungsabteilung der Stadt Lennestadt das für die Erschließungsmaßnahmen zuständige Ingenieurbüro am 13.02.1974: Der Rat der Stadt Lennestadt hat beschlossen, den Bebauungsplan „Gleierbrück-Eulensiepen“ nicht weiter zu verfolgen, weil der Aufwand für die Erschließungsmaßnahmen außergewöhnlich hoch ist. Die Notwendigkeit der Erarbeitung von Tiefbauplanungen entfällt daher“.

Wie sich in der Geschichte Vieles wiederholt. Auch heute, mehr als 50 Jahre nach dem gescheiterten Projekt „Gleierbrück-Eulensiepen“, sucht die heutige Stadt Lennestadt händeringend nach Bauland, um der steigenden Nachfrage nach Bauplätzen in beliebten Ortsteilen wie Saalhausen und Gleierbrück nachkommen zu können. Die Nachfrage übersteigt das Angebot.


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