Saalhauser Bote Nr. 47, 2/2020
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Der Sauerländer Wald

von Annika Deitmer

Die Sauerländer haben ein besonderes Verhältnis zum Wald. 300.000 Hektar groß und damit fast ein Drittel der gesamten Waldfläche von Nordrhein-Westfalen zählt zu ihrer Heimat. Ist Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt nur zu 26 Prozent bewaldet, sind es im Sauerland 60 Prozent der Flächen. Dabei setzt sich dieser Wald aus bis zu 60 Prozent Fichten, 15 Prozent Buchen und 10 Prozent Eichen zusammen.

Das Sauerland bildet eine „grüne Lunge“ für das Ruhrgebiet, noch. Beeindruckt von der klaren Luft, dem Sternenhimmel, den man in wolkenlosen Nächten bestaunen kann, und der Stille lockt das Sauerland viele „Städter“ an. Jedermann darf sich im Wald erholen, sich dort aufhalten. Selbst Reiten und Fahrradfahren sind grundsätzlich gestattet.

Der Wald versorgt die Bauwirtschaft mit Holz, ermöglicht romantische Kaminfeuer, ist Begräbnisstätte, Sportarena, Erholungs- und Rückzugsort, liefert mit Pilzen, Früchten und Wildbret Nahrungsmittel und ernährt letztendlich auch Familien. Er ist Heimat zahlreicher Tiere und Pflanzen, vermehrt auch nicht heimischer Arten.

Aber der Wald ist noch viel mehr. Er ist Klimaschützer. Er entzieht unserer Atmosphäre Kohlenstoffdioxid und speichert es als Kohlenstoff im Holz. Acht Tonnen des Treibhausgases pro Hektar kompensiert der deutsche Wald jedes Jahr. Dies entspricht in etwa dem durchschnittlich in Deutschland pro Einwohner in einem Jahr produzierten Kohlenstoffdioxid. Anders gerechnet: 655 Millionen Tonnen Treibhausgas werden in Deutschland jährlich ausgestoßen. 11,9 Millionen Hektar Wald in Deutschland kompensieren 127 Millionen Tonnen CO2 jährlich.

Bedrohungen für den Sauerländer Wald

Waldsterben 1.0

Seit den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts spricht man von Waldsterben. Ein Begriff, der es wie das deutsche Wort „Kindergarten“ in andere Sprachen geschafft hat (zum Beispiel Französisch: „le waldsterben“).

Saurer Regen löste das Waldsterben der Achtzigerjahre (Waldsterben 1.0) aus. Unter saurem Regen versteht man Emissionen aus Stickoxiden, Schwermetallen und Staubwolken. Diese Luftverschmutzungen vermischen sich mit Niederschlagswasser, dringen in das Erdreich ein, schädigen Bäume über Baumwurzeln oder Blätter und Nadeln. Die Bäume werden anfälliger für Schädlinge und Witterungseinflüsse.

Mehr als die Hälfte des Waldbestandes in Nordrhein-Westfalen hielt man in den 80-er Jahren für erkrankt. Die Besorgnis um den Wald in der Bevölkerung war gewaltig. Die Bundespost veröffentlichte 1985 eine Briefmarke mit dem Titel „Rettet den Wald“.

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Bild 1 Fundstelle: Briefmarke https://de.wikipedia.org/wiki/ Datei: DBP_1985_1253_ Rettet_den_Wald.jpg

Gegen den sauren Regen wurde seitdem viel getan. Drastisch reduzierten Umweltmaßnahmen die Emissionen. So ließ sich zum Beispiel die Schwefeldioxid-Luftverschmutzung von 3,2 Millionen Tonnen im Jahr 1980 auf 0,9 Millionen im Jahr 1990 und 289.000 Tonnen in 2019 mindern.

Gesund wurde der Wald dennoch nicht mehr. Im Gegenteil, es geht dem Wald zunehmend schlechter. Dies belegen die seit 1984 von den Bundesländern durchgeführten Waldzustandserhebungen. Bei diesem „Gesundheitscheck“ werden jährlich im Sommer in Nordrhein-Westfalen etwa 10.000 Probebäume von speziell geschulten Forstleuten untersucht. Diese messen den Umfang, begutachten Baumkronen auf vergilbte Blätter oder Nadeln und bewerten den Befall von Baumschädlingen wie Insekten oder Pilzen. Aus den Daten leiten sie den Gesundheitszustand der vier wichtigsten Hauptbaumarten Buche, Eiche, Fichte und Kiefer ab.

Im ersten Waldzustandsbericht von 1984 waren noch 59 Prozent der Bäume in Nordrhein-Westfalen ohne Schäden. Die Zahl der gesunden Bäume sinkt seitdem kontinuierlich. 2019 fanden die Forstleute nur noch 19 Prozent gesunde Bäume.

Stürme

Schon viele Orkane tosten über das Sauerland. Statistisch ist mit einem folgenschweren Sturm alle zehn bis zwanzig Jahre zu rechnen.

Am 18. Januar 2007 wütete Kyrill. Mit bis zu 225 Kilometern pro Stunde fegte er über das Mittelgebirge. Der Kreis Olpe rief den Katastrophenfall aus. Die Sauerlandlinie wurde an vielen Stellen gesperrt.

Kyrill hinterließ ein Schlachtfeld aus ineinander verkeilten, entwurzelten und gebrochenen Bäumen, Ästen, Kronen, versperrten Straßen und Wegen. In Saalhausen waren vor allem der Bauerhagen und das Jagdhaus betroffen.

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Bild 2 Holger Deitmer, Jagdhaus Oktober 2020, Alles wieder zugewachsen

Bis sie aufgeräumt waren, wurden die Wälder zunächst gesperrt.

In Nordrhein-Westfalen fielen 15,7 Millionen Festmeter Sturmschadensholz an. Dies entspricht in etwa dem Dreifachen des Jahreseinschlags von Nordrhein-Westfalen. Circa 7 Prozent der Holzvorräte und 15 Prozent der Fichtenvorräte des Landes lagen am Boden. Auch die Forstbetriebsgemeinschaft Saalhausen-Milchenbach verzeichnete circa das Dreifache eines Jahreseinschlages als Sturmschadensholz. Sie kam damit im Vergleich zu den umliegenden Gebieten im Hochsauerland oder in Elspe und Oedingen glimpflich davon. Aufgrund der Angebotssituation auf dem Holzmarkt litten die Waldeigentümer vor Ort allerdings unter einem starken Holzpreisverfall. Das Forstschäden-Ausgleichsgesetz konnte ihnen nicht helfen. Dessen besondere Steuererleichterungen, neben der Kalamitätsnutzung nach § 34 des Einkommensteuergesetz, sind an die Feststellung einer Marktstörung und eine Beschränkung des Holzeinschlags gekoppelt. Unbestritten lag zwar eine Marktstörung vor, feststellen ließ sich diese aber nicht. Der Bundesrat, das heißt eigentlich die anderen Bundesländer, war nicht bereit, sich solidarisch zu zeigen und den Holzeinschlag vorübergehend deutschlandweit zu beschränken.

Ein Jahr nach Kyrill waren 85 Prozent der Sturmholzmenge aufgearbeitet. Holzlager entstanden, da weder schnell genug abgefahren noch verarbeitet werden konnte und der ein oder andere Holzeinkäufer auf weiter sinkende Holzpreise setzte. Auch in Saalhausen entstand hinter der Lenne am Trimm-Dich-Weg für zwei Jahre ein Nasslager.

Waldsterben 2.0 – Hitze, Trockenheit, Klimawandel

Nach Orkanen wie Wiebke, Vivian, Lothar und insbesondere Kyrill vertrocknet der Wald nun. 2020 war das dritte Dürrejahr in Folge. Seit 2018 fehlen Niederschläge von bis zu dreihundert Litern Wasser pro Quadratmeter. Die Temperaturen waren lange Zeit viel zu hoch. 2019 betrug der gemessene Höchstwert in Lennestadt 37,9 Grad Celsius. Dies sind fast vier Grad mehr als in anderen Sommern.

2018 gab es im Sauerland 70 Sommertage und 15 Tropentage mit über 30 Grad Celsius. 2019 hatte 16 Tropentage und wie 2020 über 40 Sommertage. Die durchschnittliche Zahl der Tropentage in Deutschland vervierfachte sich seit den 50er Jahren. Der Klimawandel lässt sich nicht verleugnen.

Auch wenn September und Oktober 2020 kälter und nasser als in den Vorjahren waren, leiden die Böden immer noch unter extremer Dürre. Nur Regen über Monate hinweg könnte helfen.

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Bild 3 Dürremonitor des Helmholtz-Instituts vom 23. Oktober 2020 (Bildquelle: www.ufz.de)

Der Dürremonitor des Helmholtz- Zentrums für Umweltforschung zeigt die tragische Situation unserer Böden. In Saalhausen und Umgebung leidet der Gesamtboden bis 1,8 Meter Tiefe und der Oberboden bis 25 Zentimeter Tiefe unter schwerer bis extremer Dürre. Die fünfstufige Skala des Dürremonitors geht dabei von „ungewöhnlich trocken“ bis hin zu „außergewöhnlicher Dürre“. Extreme Dürre ist dabei eine Stufe unterhalb „außergewöhnlicher Dürre“ und tief rot. Waldbrände drohen.

Fichten und Buchen im Sauerland leiden in unterschiedlicher Art und Weise unter dieser Dürre.

Fichte - Der große Borkenkäferfraß

Auch wenn häufig laute Motorsägengeräusche aus dem Saalhauser Wald zu hören sind und die Borkenkäfertaxis mit vollbeladenen Containern Richtung China rollen: noch gibt es Fichten, die seit Jahrzehnten ein Markenzeichen des Sauerländer Waldes bilden. Die „Verfichtung“, die dem Bedarf an Holz in der Nachkriegszeit geschuldet war, könnte sich allerdings bald erledigen.

In Langenei oder Altenhundem sieht es schon ganz anders aus: kahle Stellen oder braune Flecken mit abgestorbenen Bäumen überall. Im Rheinland steht keine einzige Fichte mehr. In und um Arnsberg herum ist alles braun, tot.

Schuld daran ist der derzeit schlimmste Feind der Fichte, der Borkenkäfer. Von den circa 150 Arten an Borkenkäfern leidet der Sauerländer Wald vor allem unter dem Buchdrucker, dem sein Fraßbild diesen Namen verleiht.

Der Borkenkäfer wacht ab einer Temperatur von 16 Grad Celsius auf und attackiert die Fichte. Diese kann mit ihrem Harz 200 bis 400 Käfer pro Baum abwehren. Vorausgesetzt es gibt genug Wasser.

Hat der Borkenkäfer sich in den Baum gebohrt, schickt er Pheromon-Einladungen für seine Rammelkammern an Artgenossinnen raus. Aus einer befallenen Fichte schwärmen schließlich zehntausend Männchen aus. Diese befallen etwa weitere zwanzig Bäume, die selbst bei genügend Wasser nur geringe Chancen haben. Aus diesen Bäumen fliegen 400.000 Käfer aus und befallen mindestens 400 weitere Bäume. Und so frisst er sich immer weiter, exponentiell.

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Bild 4 Holger Deitmer, Forstarbeiten in Saalhausen
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Bild 5 Holger Deitmer, Borkenkäfer

Wie wichtig es ist, in diesen Ablauf einzugreifen und die Bäume so schnell wie möglich zu entnehmen, erklärt sich von selbst. Nur am gefällten Baum kann der Käfer mit Insektiziden oder durch das Entfernen der Rinde bekämpft werden.

Ein erschreckendes Beispiel dafür, was passiert, wenn man nicht eingreift, bekundet der Langeneier Wald.

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Bild 6 Annika Deitmer, Wald in der Nähe der Stöppel

Zu wenige Forstunternehmer, um das befallene Holz aus dem Wald zu holen, und die derzeitigen Holzpreise, die die Kosten der Aufarbeitung nicht decken, hindern den ein oder anderen daran, in den Borkenkäferkreislauf einzugreifen. Wenn Finanzämter bei Neu-Waldbesitzern dann sogar beginnen, Liebhaberei zu unterstellen, also Verluste bei der Bewirtschaftung nicht anerkennen, schaden sie dem Wald indirekt. Eine Pflicht, Schadholz schnell aus dem Wald zu entfernen, gibt es in Nordrhein-Westfalen nämlich (noch) nicht.

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Bild 7 Annika Deitmer, Bohrmehl

Pheromonfallen, wie man sie an der ein oder anderen Stelle sehen kann, eignen sich nicht, die Borkenkäferplage zu bekämpfen. So hat man festgestellt, dass selbst 24 aufgestellte Fallen auf einem Hektar Wald lediglich 30 Prozent der ausfliegenden Käfer auffangen. Die Fallen dienen der Dokumentation der Käferpopulation und ihrer Flugverläufe. Waldbesitzer können damit erkennen, wo und wann sie wachsam sein müssen.

Aber wie erkennt man, ob ein Baum vom Borkenkäfer heimgesucht wurde? Erste Anzeichen für Borkenkäferbefall sind kleine Löcher und vor allem Bohrmehl unten am Baumstamm, das wie Kaffeeprütt aussieht. Von Weitem kann man unter Umständen den Baum glitzern sehen. Grund dafür ist das Harz, das die Fichte zur Abwehr in die Löcher pumpt. Auf den Wegen in Fichtennähe bilden sich grüne Nadelteppiche. Schließlich färben sich die restlichen Nadeln am Baum rot, größere Rindenstücke fallen ab. Der Baum stirbt.

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Bild 8 Annika Deitmer, Bohrmehl

Buchen

Zwar konzentrieren sich derzeit die Sorgen der hiesigen Waldbesitzer vor allem auf die Fichte - die Kronenverlichtung hatte im Waldzustandsbericht 2019 bei den Buchen sogar leicht abgenommen – es gibt aber auch absterbende Buchen.

Die Buche leidet anders als die Fichte. Zwar kann die Buche tieferliegende Wasserreserven erschließen, aber diese sind mittlerweile ebenfalls erschöpft.

Die Buche benötigt für ihre Photosynthese Wasser, das sie in Leitungsbahnen durch den Baum in die Blätter pumpt. So verdunstet eine hundertjährige Buche mehrere Hundert Liter am Tag. Ist es zu trocken, entstehen Spannungen in den Leitungsbahnen und Wasserfäden reißen ab oder Luft dringt ein. Die Buche erleidet eine Embolie. Der Baum verdurstet. Dies erkennt man daran, dass die Buche bereits im Sommer ihre Blätter abwirft. Daneben brechen Äste ab und die Rinde der Buche bekommt Sonnenbrand. Pilze und andere Schädlinge wie der Buchenborkenkäfer dringen in den gestressten Baum ein. Um ihr Überleben bzw. das ihrer Nachkommen zu sichern, produziert sie vermehrt Bucheckern.

Der Zukunftsbaum?

Der Wald muss nach Sturm, Dürre und Borkenkäfer zukunftsfähig aufgeforstet werden. Schwierig, wenn derzeit das Geld wegen niedriger Holzpreise fehlt. Schwierig aber auch hinsichtlich der Frage „womit“. Relativ einig ist man sich, dass die Waldbauern auf Mischwälder und Naturverjüngung setzen sollten.

Als Nadelbäume pflanzen momentan viele Sauerländer Douglasie, Weiß- oder Küstentanne, als Laubbäume Buchen, Eichen oder Kastanien. Für den Speierling oder die Elsbeere, die man in anderen Regionen wiederentdeckt hat, eignet sich das Klima im Sauerland leider nicht.

Laubbäume wachsen langsamer als Nadelbäume. So wächst die Fichte durchschnittlich im Jahr 37 Zentimeter, 80 Jahre lang, die Buche nur 90 Millimeter, bis zu 150 Jahre lang. Die Tannenarten wachsen zwar in den ersten Jahren langsamer als die Fichte, später aber fast genauso schnell. Die Weißtanne schmeckt dem Rehwild mangels Bitterstoffen besonders gut und hat deshalb Wachstumsprobleme.

Ob diese Bäume den Stürmen, der Trockenheit, dem Insekten- sowie Pilzbefall ausreichend trotzen können, wird man erst in Jahrzehnten sehen.

Allgemeingut Wald?

Im Sauerland gehören 75 Prozent der Waldfläche Privateigentümern, in Saalhausen-Milchenbach sogar fast 99 Prozent. Dennoch wird Wald als Allgemeingut wahrgenommen. Eines der großzügigsten Waldbetretungsrechte Europas verleitet hierzu. Geregelt ist es im Bundeswaldgesetzes und Landesforstgesetz NRW und war vor seiner Einführung am 1. Januar 1970 gesellschaftspolitisch heftigst umstritten.

Die Sorgen, die die Waldbesitzer bereits damals umtrieben, haben sich immer wieder bewahrheitet. Im Wald wird Müll abgeladen, trotz höchster Waldbrandgefahr geraucht, Auto oder - schlimmer noch - mit Motorcrossmaschinen mitten durch Bestände gefahren. Ganz abgesehen von einer Vielzahl organisierter, kommerzieller Veranstaltungen, die ohne Erlaubnis der Waldbesitzer gerne durchgeführt werden.

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Bild 8 Christoph Rameil, Reifendeponie im Wald

Als Gegenleistung für das Waldbetretungsrecht sagte das Land 1970 zu, die Hälfte der Waldbrandversicherung zu tragen und für alle Schäden durch Erholungssuchende aufzukommen, soweit diese nicht ermittelt werden können. Dies regelte § 6 Landesforstgesetz. Die Schadensbeseitigung steht noch immer im Gesetz. Die Unterstützung bei der Waldbrandversicherung ist gestrichen worden.

Aufgaben der Forstämter

Der Bestand des Ökosystems Wald ist nicht nur für den einzelnen Waldbesitzer, sondern vor allem für die Allgemeinheit ein wichtiges Gut. Wald muss nachhaltig bewirtschaftet werden. Dies gelingt nicht ohne Unterstützung. Vielen Klein- und Kleinstwaldbesitzern fehlt entweder das notwendige Wissen oder das (wirtschaftliche) Interesse - oder sogar beides - sich intensiv um die Belange ihres Waldes zu kümmern.

Neben ihren hoheitlichen, ordnungsrechtlichen Aufgaben unterstützen die Forstämter die Klein- und Kleinstwaldbesitzer deshalb seit Jahrzehnten bei der Beförsterung. Nur Rat und Anleitung sind jedoch nach § 11 Landesforstgesetz NRW kostenfrei. Die Grenzen dessen sind schnell erreicht. So muss Rat stets allgemeiner Natur sein und darf nur gelegentlich in Anspruch genommen werden, ohne sich auf die speziellen Interessen des Einzelbetriebs zu beziehen.

Holzvermarktung

Gelegentlicher Holzverkauf in geringen Mengen ist weder für die Sägewerke interessant noch können damit vernünftige Verkaufserlöse erzielt werden. Seit Mitte der 70-ger Jahre vermarktete demgemäß die Landesforstverwaltung Nordrhein-Westfalen neben dem Holz aus dem Staatswald auch Holz aus Privat- und Körperschaftswald.

Im Jahr 2001 richtete der Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie hiergegen eine Kartellbeschwerde. Verkaufspreise und -konditionen seien durch den Verkauf durch die Forstämter fast vollständig vereinheitlicht, ein Wettbewerb auf dem Holzmarkt finde nicht mehr statt, so der Vorwurf.

Das Bundeskartellamt anerkannte ein Kartell. Versuche, mit Hektargrenzen und der Förderung nichtstaatlicher Zusammenschlüsse die kartellrechtlichen Probleme zu lösen, scheiterten. Schließlich untersagte das Bundeskartellamt eine Holzvermarktung für Waldbesitzer und Forstbetriebsgemeinschaften ab einer Größe von 100 Hektar. Sowohl das Oberlandesgericht Düsseldorf als auch der Bundesgerichtshof bestätigten diese Entscheidung. Am ersten Juli 2019 stellte der Landesbetrieb Wald und Holz den Verkauf von Holz für Privatwaldbesitzer ein.

Doch damit nicht genug. Ein US-amerikanischer Prozessfinanzierer verklagt für die Sägewerke gegenwärtig das Land Nordrhein-Westfalen auf 262 Millionen Euro Schadensersatz zuzüglich Zinsen in Höhe von über 80 Millionen Euro. Die Begründung: die Vermarktung durch die Forstämter habe zwischen 2005 und 2019 durchschnittlich zu Preisaufschlägen von acht Prozent geführt.

Ob die Sägewerke vor Gericht tatsächlich einen Schaden beweisen können, bleibt abzuwarten. Vielleicht hat ihnen diese Art der Holzvermarktung sogar den ein oder anderen Vorteil gebracht. Auch für die Waldbesitzer waren die vom Landesbetrieb Wald und Holz ausgehandelten Konditionen marktbeherrschend, bessere Preise kaum erzielbar. Der Landesbetrieb Wald und Holz war - wie beim Klausner-Vertrag mit fixen Liefermengen und zu schlechten Preisen nach Kyrill – zudem nicht immer der geschickteste Verhandlungsführer.

Für den Fall, dass die Klage verloren geht, prüft das Land, ob es sich das Geld von den Waldbesitzern wiederholen kann, entweder durch Streitverkündung oder durch Streichung von Fördergeldern für den Wald.

Die Forstbetriebsgemeinschaft Saalhausen-Milchenbach und die einzelnen Waldbesitzer verkaufen ihr Holz nun entweder selbst oder über die WaldHolz Sauerland GmbH. Gegründet wurde die WaldHolz Sauerland GmbH von der Forstwirtschaftlichen Vereinigung Olpe, einem wirtschaftlichen Verein, und zwei anderen Forstwirtschaftlichen Vereinigungen. Gesellschafter der WaldHolz Sauerland GmbH sind diese drei Vereinigungen. Mitglieder der Forstwirtschaftlichen Vereinigung Olpe sind Forstbetriebsgemeinschaften wie die Forstbetriebsgemeinschaft Saalhausen-Milchenbach. Ähnlich wie die Forstämter berechnet die WaldHolz Sauerland GmbH derzeit zwei Euro für den Verkauf eines Festmeters Holz.

Kartellrechtlich ist diese Holzvermarktung unproblematisch. Hinter der WaldHolz Sauerland GmbH stecken die Waldbesitzer und nicht mehr das Land. Ihr Marktanteil in Nordrhein-Westfalen, wo circa noch sechs bis acht andere Waldvermarktungsgesellschaften existieren, liegt bei unter 30 Prozent.

Von der indirekten zur direkten Förderung

Erheblich einschneidender als das Verbot der Holzvermarktung durch den Landesbetrieb Wald und Holz ist die Umstellung von der indirekten zur direkten Förderung bei der Bewirtschaftung des Waldes zum 1. Januar 2022.

Der Landesbetrieb Wald und Holz bietet den Forstbetriebsgemeinschaften abseits der Holzvermarktung momentan noch viele Dienstleistungen zu 25 bis 50 Prozent der tatsächlich entstandenen Kosten und damit „indirekt“ gefördert an. Dazu schließen die Forstbetriebsgemeinschaften mit dem Landesbetrieb einen Beförsterungsvertrag, in welchem sie Basis- und/oder Leistungspakete vereinbaren können. Auf Grundlage dieses Vertrages zeichnet der Förster Bestände aus, berät bei Anpflanzungen, organisiert Wegeunterhaltungen und einiges mehr. Das dafür zu zahlende Entgelt wird pro Hektar berechnet und steigt mit zunehmender Größe des einzelnen Waldbesitzes.

Bei der direkten Förderung kann die Forstbetriebsgemeinschaft einen Dienstleistungsvertrag mit dem Landesbetrieb Wald und Holz oder mit einem privaten Anbieter schließen. Dazu sind im Vorfeld für gewöhnlich mindestens drei geeignete Anbieter zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern. Vertragspartner ist immer die Forstbetriebsgemeinschaft, die die Leistungen gegenüber dem Waldbesitzer berechnen muss.

Soweit es sich bei der erbrachten Tätigkeit des Försters um eine förderwürdige Dienstleistung handelt, kann die Forstbetriebsgemeinschaft Fördermittel beim Landesbetrieb Wald und Holz beantragen. Maximal 80 Prozent der Dienstleistungsentgelte sind als Fördermittel erstattungsfähig.

Anders als die „indirekte Förderung“ zeichnet sich die „direkte Förderung“ als wesentlich aufwendiger ab. Die Forstbetriebsgemeinschaft muss Angebote einholen, unter Umständen sogar ausschreiben. Hinzu kommt, dass zunächst in Vorleistung getreten werden muss, bevor Fördersummen beantragt werden können. Vorteilhaft erscheint theoretisch immerhin, dass der Förster frei gewählt werden kann. Für den einzelnen Waldbesitzer mag es zudem nachvollziehbarer werden, welche einzelnen Dienstleistungen dieser für ihn erbracht hat. Geleistete Stunden müssen genau aufgezeichnet werden.

Ein erhebliches Risiko der direkten Förderung liegt in ihrer Abhängigkeit von Haushaltsmitteln des Landes. Ebenso wie die Zuschüsse zur Waldbrandversicherung lässt sich die direkte Förderung darüber steuern.

Da Corona-bedingt die direkte Förderung statt am 1. Januar 2021 erst Anfang 2022 startet, bleiben die tatsächlichen Auswirkungen abzuwarten.


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