Saalhauser Bote Nr. 16, 1/2005


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Ein Blick in die Geschichte der Eisenbahnstrecke von Altenhundem nach Wenholthausen unter besonderer

Berücksichtigung des Ortes Saalhausen (II)

- von Klaus Meschede -


Ein Blick in die Geschichte der Eisenbahnstrecke von Altenhundem nach Wenholthausen unter besonderer Berücksichtigung des Ortes Saalhausen“ heißt die Fortsetzungsreihe unseres Mitarbeiters Klaus Meschede. Nach seinem ersten Artikel im letzten Boten erhielt ich von Paula und Albin Schauerte nun ein interessantes Dokument, das Klaus Meschede mit in seine Fortsetzungsreihe und in seine Homepage einbringen kann.

Am 3. Mai 1937, dem 50. Jahrestag der Eröffnung der Strecke von Altenhundem nach Schmallenberg, schreibt eine sauerländische Zeitung: „Die Bahnlinie hat aber auch ebenso wie die anderen Nebenstrecken der Lenne- und Ruhrtalbahn einen Anteil an der Erschließung des Sauerlandes für den Fremdenverkehr, eine Tatsache, die nicht vergessen werden darf. Es steht zu hoffen, dass die Aufwärtsentwicklung der Bahn weiter anhält.“ Diese Aussagen waren sicherlich auch durch den Optimismus der Fremdenverkehrsverbände der damaligen Zeit geprägt. Wirtschaftlich ging es aufwärts. Aber das war nur eine Scheinblüte, denn am 1. September 1939 begann der 2. Weltkrieg.




Abb. 4: Personenzüge Fahrplanperiode Sommer 1944 (Gültig bis auf weiteres), Sammlung Klaus Meschede


Unsere Bahnlinie kam allerdings erst gegen Ende des Krieges in den Blickpunkt des Geschehens. Zu dieser Zeit galt der in Abbildung 4 dargestellte Fahrplan für den Personenverkehr. Der Vermerk „gültig bis auf weiteres“ verkündet bereits Endzeitstimmung. Am Bahnhof Saalhausen sollten werktags aber immerhin noch 7 Zugpaare verkehren. Ab Anfang 1945 war dies aber sicherlich nur noch eine Wunschvorstellung, denn auch unsere Strecke geriet ins Visier der feindlichen Flugzeuge.


Diese dramatische Zeit wird anschaulich in der Saalhauser Chronik von 1981 durch Alois Plitt beschrieben. Nachfolgend wird auszugsweise hieraus zitiert.


Zweimal fassten die feindlichen Flieger unseren Zug in der Nähe von Hundesossen. Bei einem dieser letzten Angriffe am 19. März 1945 hatten wir neben zwei fremden Fahrgästen unseren lieben Paul Feldhaus, der zu seiner Arbeitsstätte fuhr, zu beklagen. Ein anderes Mal wurde der Zug mitten im Einschnitt bei Stracken angegriffen. Am 23. März 1945 griffen Jagdbomber einen Lazarettzug bei Trillings an. Der Zug aus Attendorn sollte in Schmallenberg und Fredeburg entladen werden.

Der Angriff dauerte etwa 20 Minuten. Viele Tote und Verletzte waren zu beklagen. Am Abend des gleichen Tages wurde der Zug aus der Gefahrenzone des Dorfes weggeschleppt. Alle Dorfbewohner waren erleichtert. Die Front rückte von Osten immer näher und damit wurde die Eisenbahnlinie als Teil der Nachschubstrategie vermehrt in die Kampfhandlungen einbezogen. Am 5. April 1945 wurde so am Bahnhof Saalhausen eine Kompanie von Volkssturmmännern entladen. Die armen Zeitgenossen wurden aus Düsseldorfer Betrieben herausgeholt und waren ohne Uniform und ohne Waffen und Munition. Sie zogen weiter nach Wormbach und wurden dort mit Panzerfäusten ausgerüstet, um so den Vormarsch der bestens ausgerüsteten amerikanischen Armee aufzuhalten. Der helle Wahnsinn!


Am 9. April 1945 wird Saalhausen und somit auch die örtliche Eisenbahnstrecke von amerikanischen Truppen besetzt. An der Engstelle zwischen den Felsen an der Legge und dem Fluss wird wohl noch eine Panzersperre errichtet, aber ohne Erfolg. Die gegnerischen Panzer weichen durch den Einschnitt der Eisenbahnstrecke aus.


Von größeren Zerstörungen bleibt die Bahnlinie allerdings verschont. Am 19. Mai 1945 kann der Verkehr wieder aufgenommen werden. Wegen Kohlenmangel wird dieser aber in der Folgezeit immer wieder unterbrochen. Trotzdem erlebt die Eisenbahn in der Zeit bis zur Währungsreform 1948 eine Scheinblüte. Hamsterer aus den zerstörten westdeutschen Städten überfüllen die Züge, um lebensnotwendige Dinge der Versorgung hier zu tauschen. Manch örtlicher Bauer profitiert hiervon.


Ab Anfang der 50er Jahre geht es aber stetig bergab. Der Siegeszug der Straßenfahrzeuge ist nicht mehr aufzuhalten. Und da stört unsere Bimmelbahn halt! Die ungünstige Trassierung zwischen Altenhundem und Fleckenberg in Seitenlage der Straße, welche die Erbauer aus Kostengründen gewählt haben, wird nun zum Bumerang.


Die Fahrplanperiode Sommer 1953 weist zum letzten Mal Personenzüge an Sonntagen aus. Anschließend wird der Betrieb auf drei Zugpaare pro Werktag reduziert. Eine Rationalisierung mittels Schienenbussen, wie auf vielen anderen Eisenbahnstrecken in Deutschland praktiziert, unterbleibt.

Der restliche Verkehr wurde mit Autobussen abgewickelt. Für viele Saalhauser bedeutet dies aber auch einen erheblichen Fortschritt. Die Busse hielten nun auch in der Ortsmitte an der Haltestelle „Saalhausen, Kirche“. Der weite Weg zum Bahnhof am östlichen Ortsende entfiel.


Auch die Bürger wurden nun immer sensibler gegenüber den Besonderheiten des Bahnbetriebes. Aus Rationalisierungsgründen hatte die Eisenbahnverwaltung Mitte der 50er Jahre die althergebrachten Signalanlagen aufgelöst und fuhr ab diesem Zeitpunkt nach den Bestimmungen des "Vereinfachten Nebenbahnbetriebes".

Pfeifsignale dienten fortan als Kommunikationsmittel. Dies erregt die Bürger und „Sommergäste“ insbesondere wegen des Lärms in den frühen Morgenstunden und so beschließt die Gemeindevertretung in der Sitzung vom 7. November 1957, ein Beschwerdescheiben an die zuständige Bundesbahndirektion Wuppertal zu senden.




Abb. 5: Güterzug Fahrplanperiode 1958, Sammlung Dieter Zuncke


Der Güterzugfahrplan vom Sommer 1958 (Abbildung 5) zeigt diese Besonderheit auf.

Der Ng 9013 von Altenhundem nach Fleckenberg hatte in Saalhausen von 6.15 bis 7.12 Uhr einen Rangieraufeinhalt. In dieser Zeit kreuzten und überholten die Züge mit den Nummern 1762 und 1763 (siehe auch Abbildung 6). Das entsprechende Pfeifkonzert von 3 Zügen im Abstand von 45 Minuten war sicherlich „schlimmer“ als jeder Wecker.

Ein Ergebnis der Eingabe ist nicht bekannt; Tatsache ist aber, dass solche Pfeifsignale noch bis zum Ende des Bahnbetriebes abgegeben wurden.


In diesen Tagen spielte sich am Saalhauser Bahnhof laut den Erzählungen meines Großvaters auch die nachfolgende Begebenheit ab. Dienst als Fahrdienstleiter hatte ein Saalhauser Bürger. Beide benutzbaren Gleise des Bahnhofes waren besetzt: Ein Zug von Schmallenberg nach Altenhundem und ein Hilfsfahrzeuge der Bahnmeisterei (Rottenkarre). Ein weiterer Zug aus Altenhundem stand schon am Einfahrsignal bei Stracken und pfiff verzweifelt, um planmäßige Einfahrt zu erhalten. In voller Aufregung rief der Bahnhofsvorsteher: „Zug von oben, Zug von unten; alles verloren, alles verloren“.

Die Lösung fanden schon angeheiterte Besucher der Bahnhofswirtschaft: Die Rottenkarre wurde mit vereinten Kräften aus dem Gleis gehoben. So konnte auch der Zug von Altenhundem nach Schmallenberg zur Kreuzung in den Bahnhof einfahren. Alle waren zufrieden und die Eisenbahnbetriebswelt war auch wieder in Ordnung.





Abb. 6: Personenzüge Fahrplanperiode Sommer 1958, Sammlung Klaus Meschede


Der Personenzugfahrplan der Sommerperiode 1958 sagt auch genau aus, wann dies passiert sein muss (Abbildung 6): Nämlich um kurz nach 17.00 Uhr.

Der Zug nach Altenhundem fährt um 17.12 Uhr ab, derjenige nach Schmallenberg verlässt Saalhausen um 17.14 Uhr. Das Zeichen hinter dem Bahnhofsnamen sagt übrigens aus, dass sich hier auch eine Gastwirtschaft befindet (siehe oben).


Sehr oft habe ich als damals Siebenjähriger meinen Großvater dazu gedrängt, uns dieses Ereignis der Kreuzung zweier Züge erhoben von der Legge aus anzusehen.

Weiterhin kann man erkennen, dass der Busverkehr nun endgültig die Herrschaft im öffentlichen Nahverkehr übernommen hat. Bemerkenswert sind die durchfahrenden Kurse nach Arnsberg.


Auch ein Fahrgast ging der Bahn in diesem Zeitraum wahrscheinlich verloren. Er kam zum Saalhauser Billetschalter, wollte eine Fahrkarte nach Schmallenberg kaufen, schaffte es aber nicht, diesen Ortsnamen auszusprechen. Sch….!? Endlich brachte er ein paar Worte hervor. Aber wie hörte sich dass nun an: "Sch…...eiße, ich geh zu Fuß“.


Ob er dann gnädigerweise doch noch eine Fahrkarte erhalten hat, ist nicht bekannt.


Die Abbildungen 7 und 8 zeigen uns, wie sich die Eisenbahnlinie zu dieser Zeit in das Dorfbild einfügte.




Abbildung 7: Die Ortsmitte von Saalhausen auf einer Ansichtkarte der 50er Jahre. Die Bahnlinie ist am linken Bildrand zu erkennen. Der neue Kirchturm ist gerade fertig gestellt. Auch die neu erbaute Schule scheint gerade eröffnet worden zu sein. Beachtlich ist auch der Baumbestand in der Dorfmitte.




Abb. 8: Ein schönes Dorfbild in der Luftaufnahme. Die Bahnlinie schwingt sich rechts durch das Bild.




Abb. 9: Personenzüge Fahrplanperiode Winter 1963/64, Sammlung Klaus Meschede




Abbildung 10: Sonderhalt des letzten Personenzuges in Störmecke am 30. Mai 1964, Foto Paul Zuncke



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