Saalhauser Bote Nr. 40, 1/2017
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Sauerländisches Fuhrmannsleben in früherer Zeit

von Georg Pulte
Schon bevor die Lennetalstraße in der Mitte des 19.Jahrhunderts gebaut wurde, lag Saalhausen recht verkehrsgünstig am „Kriegerweg“. Dieser frühgeschichtliche Fernweg überquerte beim heutigen Gleierbrück die Lenne und traf bei Bracht auf die Heidenstraße, die im nachfolgenden Text als „Köln-Kasseler Heer­straße“ bezeichnet wird. Weiter führte der Kriegerweg zum Hellweg und nach Paderborn. In der entgegengesetzten Richtung erreichte man Siegen und im weiteren Verlauf den Rhein.

Wie der Elsper Heimatforscher Wolfgang Poguntke berichtet, soll der Kriegerweg ursprünglich vom Steinernen Kreuz über das Bräukelken und die Peilen direkt durch Saalhausen verlaufen sein. An der Legge herauf erreichte der Weg den Hohen Lehnberg mit der Wallburg und dann Bracht. Auf Reliefkarten sind im Gelände heute noch mehrere alte Wegetrassen westlich und südlich des Rinsley zu erkennen, die sehr für diese These sprechen.

Auch in Saalhausen, das in kurkölnischer Zeit, bis zum Anfang des 19.Jahrhunderts, zum Justizamt Bilstein gehörte, betrieben mehrere Bauern das Fuhrmannsgewerbe als Zuerwerb zur Land- und Forstwirtschaft. Der nachfolgende Text und die Überschrift sind entnommen aus:

alte-Bruecke-kriegerweg-31.1.1891.jpg
Die Brücke im Kriegerweg, die Gleierbrück den Namen gab. Nach teilweiser Zerstörung durch die Katharinenflut der Lenne im November 1890 entstand diese Fotografie am 31. Januar 1891. Im Hintergrund ist Saalhausen zu sehen mit den Bergen Roßnacken, Steimel und Dolberg.

„De Suerlänner – Heimatkalender für das Sauerland 1937“

geschrieben von Dr. Heinrich Schauerte, Warburg:
Einen bedeutsamen Erwerbszweig im sauerländischen Berglande bildete in früherer Zeit das Fuhrmannsgewerbe. Es verdankt seine Entstehung dem Fernhandel, den die Sauerländer seit jeher betrieben, zumal sauerländische Städtchen der Hansa angehörten, die ja den Fernhandel förderte. Dieser Fernhandel benötigte nun in Ermangelung von Wasserstraßen weite Frachten sauerländischer Fuhrleute, die den Kaufleuten ihre Waren nicht nur zu den Handelsplätzen des Inlandes, sondern auch ins Ausland brachten. Schon das Medebacher Stadtprivilegium vom Jahre 1165 spricht von Gesellschaftsfahrten dortiger Kaufleute nach Dänemark (Schleswig) und Rußland.

Ein verhältnismäßig reiches Straßennetz kam diesen Handelsfuhren zugute. Mehrere sogenannte Königsstraßen führten durch das Sauerland oder hatten doch Verbindung mit sauerländischen Landstraßen. Von Köln her zogen mehrere Straßen östlich durch das Land. Die bekannteste und wichtigste ist die sog. Köln-Kasseler Heerstraße, die durch das sauerländische Bergland führt, von Köln über Meinerzhagen, Attendorn, Grevenbrück, Elspe, Wormbach, Oberkirchen, Nordenau, Astenberg, Winterberg, Küstelberg, neben Medebach vorbei nach Korbach und Kassel und dort auf die Frankfurter Straße trifft. Diese Straße benutzte auch Kaiser Otto III. im Jahre 1000, als er von Aachen nach Italien zog; denn er stellte in Elspe eine Urkunde aus. Querstraßen stellten die Verbindung mit anderen Reichsstraßen her. Von der Frankfurter Straße zweigte noch eine andere ab und führte von Marburg über Hallenberg, Winterberg, Assinghausen, Olsberg, Altenbüren, Kallenhardt als sog. „Sauerländer Weg“ nach Lippstadt. Sie war besonders wichtig für den Verkehr mit der westfälischen Haupthansastadt Soest.

Freilich waren es zum Teil ausgefahrene Hohlwege, in denen die Fuhren mühsam und auch gefährlich waren. In dieser Hinsicht verordnete schon ein Erlaß des Kölner Kurfürsten vom Jahre 1769, daß wenigstens die Landstraßen aus den alten Hohlwegen heraus und höher gelegt werden sollten. Im sauerländischen Hochlande führten die Straßen vielfach in starken Steigungen über die Höhen, so daß Vorspann nötig wurde.

Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts war dann auch das Fuhrmannsgewerbe und der Vorspanndienst recht einträglich, besonders im Amte Bilstein; hielten doch in dem zu diesem Amte gehörenden Orte Welschenennest bisweilen an die 40 Wagen. Caspar Christian Vogt von Elspe schreibt darüber in seiner 1694 erschienenen Geschichte des Herzogtums Engern und Westfalen: „Außerdem (gemeint ist der Ackerbau) suchen die Bewohner ihren Lebensunterhalt durch Handel und Fuhren, indem sie einerseits westfälisches Salz und Eisenwaren aller Art zu Nachbarn und Freunden fahren und anderseits Wein und Getreide herbeischaffen. Insbesondere verlegen sich die Bewohner des Amtes Bilstein auf solche Fuhrgeschäfte und fahren durch das ganze Land, so daß im letzten Kriege mit Frankreich (1672 bis 1679) sich nicht nur der Kurfürst von Köln ihrer Hilfe bediente, sondern auch der Kurfürst von Brandenburg, der Fürstbischof von Münster und der verstorbene Bischof von Lüttich.“

Statt des heute üblichen vierrädrigen Wagens benutzte man der schlechten Gebirgswege halber früher meist zweirädrige große Karren mit hohen Rädern, die sich in den Krümmungen der Berggeleise viel gewandter bewegen konnten als die schwerfälligen vierrädrigen Wagen. Für Zwecke der Reise bediente man sich ebenfalls eines Karrens, der dann aber verdeckt war. Meistens indessen machte man sie zu Pferde, indem der Mann im Sattel oft noch seine Frau oder Kind hinter sich sitzen ließ. Eine Post gab es bis ins vorige Jahrhundert noch nicht. Zwar wurde 1740 eine Poststrecke Arnsberg, Meschede, Brilon, Marsberg eingerichtet, aber es war nur eine Reitpost, und alle Bemühungen, auch einen Postwagenverkehr ins Leben zu rufen, scheiterten an der Unwegsamkeit.

Die Fuhrleute waren ein Menschentyp für sich, den unser heimischer Geschichtsschreiber Seibertz (1842) so beschreibt: „Bei weitem die meisten Frachtfuhrleute waren aus den südlichen Hochlanden, namentlich in der Gegend von Bilstein zu Hause. Sie sowohl wie ihre Hengste zeichneten sich durch hohen, starken Gliederbau aus. Ein gewöhnliches Pferd ist nicht imstande, den schweren Karren im Stell oder in der Schere bergauf zu ziehen, bergab zu halten. Die Eigentümlichkeit dieser Leute und ihrer Pferde war in allem so bestimmt markiert, daß der Inbegriff derselben sich zu einem eigenen Fuhrmannstypus ausgebildet hat, der in mehr oder minder abweichenden Schattierungen fast durch ganz Deutschland bekannt geworden ist. Alles bis auf die Peitsche hatte seine eigentümliche Form. Sie war unten mit einem längeren Kolben von hartem Holze als die meisten Fuhrpeitschen versehen; der obere geflochtene Teil, steif krumm, war nur an der Spitze mit Leder überzogen. Ein niedriger Hut mit kugelrunder Kappe und breitem Rande, der bei gutem Wetter hinten an zwei Seiten aufgekrempt und mit Zoll- oder Wegezetteln bespickt war, vorn aber als Augenschirm herunterhing, schützte den Fuhrmann vor Sonne und Regen, ein blauer, bis auf die Knie reichender Kittel vor Kälte. Bei starkem Unwetter wurde ein dickes rotwollenes Plaid, welches sonst am linken Hamenknopfe des Stellpferdes hing, um die Schulter geschlagen. Weiße Gamaschen mit roten Kniebändern reichten tief über starke hohe Schuhe herab, um den Fuß vor Dreck zu schützen. Vor allem aber war es die immer in stiller Glut gehaltene sog. Fuhrmannspfeife, bestehend aus einem geraden Hornmundstück mit silberner Röhre, worin ein erdener Stummel steckte, die den Bilsteiner Fuhrmann auszeichnete und mit Hilfe des Luftzuges ihn durch den eigentümlichen Geruch seines Strangkanasters schon auf lange Strecken hin ankündigte, wenn er in gemütlicher Ruhe vor seinem Pferde herschritt. Mit genauer Erwägung, was des Pferdes Kräfte in der Ebene oder bergauf und bergab über die geladene Fracht vermochten, beschleunigte oder mäßigte er seine Schritte, während das Pferd, immer dicht hinter ihm, fast nie die Peitsche, sondern nur dieses Beispiels seines Herrn bedurfte, um sich zu seinen Leistungen zu ermuntern.“

Der Ackerbau stand auf niedriger Stufe; war doch der Bauer meist das ganze Jahr als Fuhrmann auf Reisen und oft monatelang von seiner Familie abwesend. In der Gegend von Berghausen machten die Fuhrleute Fahrten bis Frankfurt am Main, ja bis Hamburg und Bremen. In Fredeburg holte man vor dem Jahre 1833 die Holzwaren im Winter von Girkhausen, Langewiese, Neuastenberg oder auch Freienohl, wo Holzwaren in kümmerlicher Heimarbeit hergestellt wurden. In Fredeburg lud man dann die mitgebrachten Holzwaren auf Karren der Fredeburger Fuhrleute, die sie nach ganz Deutschland hin zu den Quartieren der heimischen Handelsleute fuhren. Um nun auch den Herstellungsverdienst im Städtchen zu lassen, begann man die eigene Industrie von Holzwaren und Schwamm, zumal 1833 die Teilnahme der Leute unter 30 Jahren am Hausierhandel abgelehnt wurde.

Ein Göbel aus Fredeburg fuhr ins Rheinland (nach Düren), ein Becker nach Schweden, um dort Schwamm zu holen. Vor einer solchen Fahrt hat er einmal nach der Volksüberlieferung zu seiner Frau gesagt: „Frugge, giev mey en rein Hiemet, ick well mol iäwen no Swaiden“ (Frau, gib mir ein reines Hemd, ich will mal eben nach Schweden). Die Fahrt dauerte drei bis vier Wochen.

Weite Fahrten im Inlande waren vor dem Bau der Eisenbahnen etwas Selbstverständliches. Für den ausgedehnten Hausierhandel waren auch Fahrten ins Ausland notwendig. So schafften z.B. Oberkirchener und Nordenauer Handelsleute ihre Holzwaren nach Holland. Andere versorgten die Handelsplätze des Münsterlandes und weiter hinauf. Bei dieser Gelegenheit brachte ein Nordenauer Fuhrmann um 1760 aus dem Münsterlande für die Nordenauer Kapelle den Altar mit, der mit einigen Ergänzungen auch in der neuen Kirche Aufstellung gefunden hat. Während des Revolutionsjahres 1848 fuhr ein Nordenauer mit seinem Wollwagen durch Deutschland und Österreich. Da in dieser Zeit eine Mobilmachung erfolgte, suchte man ihn als Fahnenflüchtigen. Als er auf seiner Fahrt nach Berlin kam, war dort gerade die Revolution ausgebrochen, und sein Wollwagen mußte als Barrikade dienen.

Über die genannte Köln-Kasseler Heer- und Handelsstraße kamen die Handelszüge von den Niederlanden her. Ein Steinkreuz bei Nordenau meldet noch, daß im Jahre 1733 ein Lütticher Kaufmann auf einer solchen Handelsfahrt vom Schlage gerührt wurde.

Für teils nähere, teils weitere Fahrten wurden die Fuhrleute des Sauerlandes auch in den vielen Kriegen in Anspruch genommen, in denen die Köln-Kasseler Heerstraße gern benutzt wurde. Ein Tagebuch des Gemeindevorstehers Tröster gen. Schauerte in Milchenbach (bei Lenne) über die Zeit von 1759 bis 1784 berichtet von zahlreichen solchen Fahrten. Dasselbe war der Fall in dem Napoleonischen Kriege und in den Freiheitskriegen.

Heutzutage erübrigen sich infolge der modernen Verkehrsmittel solche weiten Fahrten; aber der Holzfuhrmann, der das Holz aus den ausgedehnten Waldungen zur Bahn fährt, belebt immer noch die Straßen des Sauerlandes.


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