Saalhauser Bote Nr. 17, 2/2005


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Saalhausen zwischen den Fronten der deutschen Verteidiger und der ame­rikanischen Angreifer

- Von Heribert Gastreich -




Die Hauptstraße im Bereich zwischen Legge und Lenne/Haus Böddicker


Unserem Leser, Herrn Paul Döbbener verdanken wir Hinweise zu Literatur und Zeitungsartikeln zum Thema Kriegsende 1945.


Den nachfolgenden Bericht entnahmen wir dem Buch „Der große Kessel – Eine Dokumentation über das Ende des Zweiten Weltkrieges zwischen Lippe und Ruhr / Sieg und Lenne“, Willi Mues, ISBN 3-9800968-2-3.


An der Südfront der 15. Armee kam es an diesem Tage nochmals zu besonders schweren Kämpfen im Lennetal. Hier stießen von Süden und Osten die Regimenter der 99. US-Infanteriedivision auf das Lennetal und entlang der Lenne vor. Dabei geriet auch Saalhausen zwischen die Fronten der deutschen Verteidiger und der ame­rikanischen Angreifer. Restgruppen der 338. Infanteriedivision verteidigten hier einige Stunden ihre Stellungen im Lennetal gegen die vordringenden amerikanischen Infanteristen. Nach erneutem Beschuss und darauf folgenden Infanteriekämpfen konnten die stark nachdrängenden US-Verbände die schwachen deutschen Verteidiger verdrängen.


Zu schweren Kämpfen kam es dabei auch noch um Bracht. Hier hatten sich in den letzten Tagen und Wochen verschiedene deutsche Einheiten eingefunden. Am 6. April setzte Artilleriebeschuss ein. Verteidigt wurde das Dorf von einer Kompanie der SA-­Brigade Feldherrnhalle. Am Morgen des 9. April rückten die deutschen Truppen —in Erkennung der großen feindlichen Übermacht — zunächst ab. Gegen Mittag kamen sie zurück, und es kam zu kleinen Gefechten mit den vorfühlenden Amerikanern. Daraufhin setzten die Amerikaner 16 Jagdbomber ein, die das Dorf und die deut­schen Truppen angriffen. Zwei Häuser wurden durch Bomben zerstört. Durch Bordwaffenbeschuss gerieten weitere19 Gebäude in Brand, wobei eine große Menge an Großvieh in den Flammen umkam. Auch zwei Personen fanden den Tod. Obwohl das Dorf bereits in Flammen gehüllt war, griffen die Amerikaner erst nach der Errichtung einer zusätzlichen Nebelwand an. Daraufhin nahm deutsche Artillerie das Dorf auch noch unter Feuer, wodurch weitere Schäden verursacht wurden. Nach der Einnahme des Dorfes folgte der US-Infanterie eine Unmenge an Fahrzeugen und Geschützen. Die Geschütze gingen sofort in Stellung — 38 allein in einer Weide — und eröffneten das Feuer in Richtung Marpe. Am Abend wurde durch das Feuer auch noch die Kirche zerstört. Wenige Orte im Sauerland haben so schwer gelitten wie das Dorf Bracht.


Das 395. Infanterieregiment der 99. US-Infanteriedivision hielt am Abend dieses Tages zusammen mit dem 394. Infanterieregiment eine Grenzlinie von Kickenbach (drei Kilometer östlich von Altenhundem) bis in die Gegend von Brenschede. Daran schlossen Einheiten der 7. Panzerdivision an, die man im Laufe des Tages beim Vor­stoß nach Norden gekreuzt hatte.

Die deutschen Verbände in diesem Raum waren mit viel Mühe in rückwärtige Stellungen zurückgegangen. Die Reste der Panzerlehrdivision hatten sich in nord­westlicher Richtung abgesetzt. Durch ununterbrochene feindliche Lufttätigkeit wur­den die Einheiten der Division sehr zerrissen. Zu schweren Kämpfen kam es nicht.


Die Stellungen der 338. Infanteriedivision waren am Abend dieses Tages nicht genau bekannt. Die Führung der 15. Armee vermutete sie um Cobbenrode—Oedin­gen — Ober-

elspe. Weiter westlich im Raume Grevenbrück-Attendorn vermutete man die 2. Flakdivision, die hier die Front der 5. Panzerarmee verstärkte.


Zwei weitere Artikel zum Thema sind der Tageszeitung „Westfälische Rundschau“ entnommen:


Auch in Dörfern wie Saalhausen oder Bracht sind es immer wieder versprengte SS-­Gruppen und Volkssturm­-Männer, die Widerstand leis­ten. Brennende Fachwerkdör­fer prägen das Bild der Oster­zeit 1945 im SauerIand. Die letzten Tage der Kämpfe schil­dert ein Niedersfelder: „Die geschlagene deutsche Armee flutet durch unser Dorf zu­rück. Stundenlang dauert der traurige Zug, Wagen auf

Wagen. Zerfetzte Geschütze, be­wegungslos geschossene Pan­zer werden von Schleppern gezogen, der lange Zug völlig erschöpfter Infanterie folgt.“

In Oberhundem erlebt die US-Army ein Inferno: Die von Rüspe aus anrückenden Sol­daten der 99. Infanterie-Divi­sion („Battle Baby“) geraten in einen Hinterhalt. 400 Soldaten sterben am Fuße des Rothaargebirges. Nur fünf Kil­ometer weiter in Würding­hausen filmen US-Kriegsre­porter lachende Landser, die froh sind, dass es vorbei ist.

Am 8. April gibt sich der Wehrmachtsbericht für die Heeresgruppe B kleinlaut: „Die Munition reicht noch für 14 Tage.“

Es fallen Soest und Kreuztal. Altenhundem, „Bahnhof des oberen Sauerlandes“, ist durch Artillerie von drei Sei­ten zermürbt. Bahnbeamte werden wegen Ihrer Uniform für SS-Angehö­rige gehalten und mit erhobe­nen Händen durch die Hun­demstraße getrieben.


Bei Solingen und Düsseldorf zerfällt der Ruhrkessel


Am 9. April meldet der Wehrmachtsbericht die Ein­nahme Hernes, für den 11. April „Häuserkämpfe in Bo­chum“ und einen „15 Kilo­meter tiefen Einbruch bei Ol­pe“. Tatsächlich fällt Olpe am 10. April in die Hände der Amerikaner.

Kurz darauf besucht Oberbefehlshaber Eisenhower die Stadt. Im Gebäude der NSDAP-Kreisleitung lässt er sich von General Matthew B. Ridgway vom 18. Luftlande­korps über die Lage informie­ren. Der Fünf-Sterne-General wird bei seinem Frontbesuch im Südsauerland von Kalk­werksbesitzer Limborn in Fretter zum Tee eingeladen.


Auszug aus Westfälische Rundschau Nr. 75 vom 1.4.2005


Augenzeugen erinnern sich: Beim Einmarsch der Amerikaner flüchten die Bürger in selbstgezimmerte Wald-Schutzhütten.


Blutiger Straßenkampf endete vor 60 Jahren in Saalhausen


Saalhausen. (jk) Am Wochen­ende vor 60 Jahren endete der zweitägige blutige Häuser- und Straßenkampf in Saalhausen.


Saalhausen, auf den Ein­marsch der Amerikaner vor­bereitet und zur Festung aus­gebaut, stand unter dem Be­fehl des Generalmarschalls Mode!: „Der Ort ist auf jeden Fall zu halten, trotz der ameri­kanischen Übermacht zu Lan­de und aus der Luft.“ Und die hatten das von oben beobach­tet, ihr mehrstündiges Artil­leriefeuer bereitete ihren An­griff aus der Region Flecken­berg vor. Saalhausens Bürger hatten sich fluchtartig in ihre selbstgezimmerten Waldschutzhütten zurückgezogen.


Anton Plitt erinnerte sich: „In unserer Hütte mögen 30 Personen gewesen sein, und zwei Drittel aller Einwohner drängten sich in der Runsecke auf einen großen Haufen. Vie­le wollten in den sicheren Stollen, aber der war zum gro­ßen Teil mit Russen belegt.“


Die Amerikaner drangen mit Panzern nach Saalhause­nein, hinter den Häusern und Hecken lagen die Verteidiger mit Panzerfäusten, den Gra­naten meist schutzlos ausge­liefert. Der erbitterte Häuser­kampf endete, nachdem der Hauptgefechtsstand in Gre­gors Haus und die Nachbarhäuser zerstört wurden.


Die Bewohner rannten zu ihren Häusern, um die Brände zu löschen. Aber vieles war be­reits eingeäschert. Nachdem die Amis Saalhausen erobert hatten, eröffneten deutsche Geschütze von Bracht aus das Feuer. Dorfarzt Hesse versorg­te inzwischen die vielen Ver­letzten.


Heinz Steinhanses er­innerte sich: „Rund 30 deut­sche Soldaten und zehn Zivili­sten starben beim Kampf um Saalhausen. Die Amerikaner ließen die toten deutschen Soldaten lange liegen, wir schafften sie dann unter De­cken zum Friedhof. Ihre eig­nen brachten sie schnell zu­rück. Dann mussten wir alle in die Kirche. Der Zwangsauf­enthalt dauerte hier eine Wo­che.“


Unentwegt kümmerte sich Pastor Piel um die Bewoh­ner. Er war mutig bei seinen Verhandlungen mit den US-­Soldaten. Diejenigen, die noch lebendes Vieh hatten, durften aus der Kirche heraus, um das Vieh zu versorgen. So gab es frische Milch für Klein­kinder und Kranke. In einem Viehkessel wurde die Suppe gekocht.

Was die Menschen in der Kirche nicht wussten: Polen und Russen, befreit aus ihrem Lagerleben, plünderten ihre Wohnungen. Die Amerikaner ließen sie gewähren.



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