„1667 Juli 1 In Lenne und Saalhausen grassiert die Pest. Der Pastor von Lenne und viele Andere sind daran gestorben. Saalhausen ist mit Schützen umstellt, so dass keiner heraus oder herein kommen kann.“
So lautet ein Eintrag im Archiv des Freiherrn von Fürstenberg, Herdringen (Akte AFH 493, Blatt 163).
Pfarrer Ludwig Fredebölling hatte sich infiziert, als er in Saalhausen die Sterbenden betreute, sein Todestag ist der 23. Juni 1667. Beigesetzt hat man seinen Leichnam in der Lenner Kirche, die in damaliger Zeit auch die Pfarrkirche der Saalhauser war. Ein später abgetretener Stein vor der Kirchentür erinnerte noch lange an sein tragisches Schicksal. In den 1930er Jahren fand man sein Skelett bei Heizungsbauarbeiten. Weiterhin ist dem Buch „900 Jahre Lenne“ (1972) zu entnehmen, dass im Jahr 1667 für die Ortschaft Lenne im Kirchenbuch nur ein Todesfall verzeichnet ist, somit in der Pfarrei wohl nur Saalhausen von der Pest betroffen war.
Hier eingefügt, etwas gekürzt, nun ein Text von Lehrer Paul Padberg, der in den Heimatblättern für den Kreis Olpe, November/Dezember 1937, erschienen ist:
Als Deutschland durch den dreißigjährigen Krieg so arg ausgesogen war, dass im Lande „nicht ein Kalb, nicht ein Korn Frucht, nicht ein Kleid“ geblieben war, da gesellte sich zu all der furchtbaren Not auch noch eine unheimliche Krankheit: Der „Schwarze Tod“ oder die Pest. Die Seuche hatte im Sauerlande schon in den Jahren 1480, 1551, 1591, 1598, 1625 und 1636 gewütet und zahllose Opfer gefordert. Wenn irgendwo ein Dorf oder eine Stadt von der Pest heimgesucht war, so hütete man sich ängstlich vor jedem Umgang mit fremden Menschen. Doch ließ sich nicht jeder Verkehr von Ort zu Ort unterbinden.
Als nun die Kunde ins Land kam, in Köln sei die Seuche erloschen, fuhr ein Mann aus Saalhausen mit seinem Wagen, beladen mit Säcken voll Holzkohle, nach Köln. Er lud die Fracht in der Hühnergasse, die durch die Pest ausgestorben sein soll, ab. Mit den leeren Säcken und Waren, die er für den Erlös gekauft hatte, kehrte er in die Heimat zurück. Dies geschah im Sommer des Jahres 1667. Zu Hause angelangt, gab er einer Magd die Säcke zum Reinigen und Flicken. Diese biss, als sie an einem Sacke ein Loch zugenäht hatte, den Faden mit den Zähnen ab. Alsbald fühlte sie sich schwach und elend und legte sich mit großen Schmerzen zu Bett. An ihrem Körper zeigten sich eitrige Beulen, aus denen schwarzes, stinkendes Wasser floss. Von den Achselhöhlen aus verbreiteten sich die Geschwüre rasch über den ganzen Körper und verursachten furchtbare Schmerzen. Am zweiten Tage stellten sich Blutspucken und hohes Fieber ein. Am dritten Tage starb sie. Dieses Mädchen hieß Margarete Cencigs und war 26 Jahre alt (Lenner Kirchenbuch). Heute ist die Familie Cenzigs, später Zenzigs oder Zenses ausgestorben. Als dieses erste Opfer der Pest am 1. Juni 1667 zu Lenne begraben war, suchte sich der Schnitter Tod neue Opfer. Zunächst erkrankten die Angehörigen der Verstorbenen. Noch im gleichen Monat starben fünf Knaben aus derselben Familie und ein Adolphus Cencigs im Alter von 30 Jahren.
Nun griff die Krankheit weiter um sich und verbreitete sich mit Windeseile im ganzen Dorfe. Wer Kleider der Pestkranken trug, auf ihrem Lager schlief oder ihnen auch nur den Strohsack aufschüttelte, wer von dem Teller oder mit dem Löffel der Erkrankten aß, wer die Kranken anfasste oder die Toten ins Grab legte, dem saß sogleich der Tod im Nacken. Noch im gleichen Monat meldet das Lenner Totenbuch neue Opfer der Pest aus anderen Familien zu Saalhausen.
Am 24. Juni starb auch der Pastor zu Lenne: Pater F. Ludowig Fredebölling, Professus aus dem Kloster Grafschaft, an der Pest. Er hatte den Pestkranken zu Saalhausen die heilige Wegzehrung gespendet und sich dabei den Tod geholt. Dem in Ausübung seiner priesterlichen Pflicht erkrankten und verstorbenen Pfarrer setzte die dankbare Gemeinde folgende Inschrift auf die Grabplatte:
Bonus pastor dat animam suam pro ovibus suis – der gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe.
Ihrem geistlichen Herrn folgte am 6. August auch die Magd des Pfarrers, Magdalene Hesse, ins Grab.
Da es an Ärzten und Apotheken mangelte, stand man der Krankheit machtlos gegenüber. In den Häusern verbrannte man Räucherwerk und ließ den stickigen Qualm durch alle Räume ziehen. Wer sich dem Bette eines Kranken nähern musste, hielt sich ein Tuch vor Mund und Nase. Wer die Toten aus den Häusern trug, umwickelte sich die Hände mit Säcken. Doch alle diese Vorsichtsmaßregeln nützten wenig. Der Würgeengel schritt von Haus zu Haus und machte reiche Beute. Man konnte nicht Särge genug für all die Toten herbeischaffen. Es war auch zu gefährlich, die Leichen auf dem Kirchhofe mitten im Dorfe Lenne zu beerdigen. Zuletzt lud man die Toten ohne Gebet und Einsegnung auf einen zweiräderigen Karren und bestattete sie außerhalb des Dorfes. In Saalhausen zeigt man noch heute die Stelle auf einer Wiese, dicht an der Landstraße nach Lenne gelegen, wo man die Toten bestattet haben soll. Das Totenbuch der Pfarrei Lenne bestätigt, dass 1667 an der Pest Gestorbene „in Coemiterio Salhusano“ beerdigt worden sind. Der eigentliche Kirchhof um die Kapelle in Saalhausen wurde erst 1781 in Gebrauch genommen. Die Leute beteten in ihrer Not:
Vor Pest und Hunger, Krieg und Brand bewahre Herrgott Leut und Land.
Nach alten Aufzeichnungen in privater Hand soll Saalhausen im Jahr 1667 fast ganz ausgestorben sein. Nach dem Lenner Kirchenbuch starben von Juni bis September 1667 aus Saalhausen 32 Personen an der Pest, darunter 19 Jugendliche unter 15 Jahren. Vermutlich sind im Totenregister zu Lenne die zuletzt Gestorbenen gar nicht mehr eingetragen. Einige Leute hatten sich rechtzeitig in die Wälder flüchten und so vor der Ansteckung bewahren können. So war das ganze Dorf verödet und menschenleer. Auch kein Fremder getraute sich ins Dorf. Endlich schickte der Herr von Fürstenberg zu Oberhundem einen Bauern mit einem Wagen voll Lebensmittel nach Saalhausen. Dieser fuhr durch die verödeten Straßen, und, da er sich nicht in die Häuser wagte, so rief er laut, wer noch am Leben sei, der möge herkommen und Brot und Fleisch in Empfang nehmen.
Allmählich erlosch die Seuche. Die Übriggebliebenen kamen aus ihren Verstecken hervor, verbrannten die Pesthäuser und siedelten sich neu an. Mit neuem Mut und gläubigem Gottvertrauen legten die Geretteten die Hand ans Werk und begannen die Aufbauarbeit.
Soweit der Text von Paul Padberg. Etwas anfügen möchte ich noch zur Lage des Pestfriedhofes in Saalhausen. Heinz Steinhanses beschreibt den Ort genauer: Das Himmlische Werth, im Handriss zum Urkataster 1831 als
Himmels Werth
bezeichnet (heute Flur 7, Flurstück Nr.79). Vielen Saalhausern ist dieser Flurname wahrscheinlich nicht mehr bekannt. Die Wiese befindet sich am Radweg vom Sportplatz Richtung Störmecke und beginnt gegenüber der Firma Tüschen u. Zimmermann --- für die Mountainbiker unter uns: Am Fuße des Tracto-Downhill. Diese Wiese war früher sehr abgelegen und nur durch einen Fußweg bzw. schmalen Fahrweg am Fluss entlang erreichbar. Der Weg endete dort, eine Fortsetzung weiter flussaufwärts zur nächsten Wiese bestand nicht. Der Bergrücken an der Zimmermanns Schlacht war die natürliche Barriere. Verbindung nach Störmecke bestand nur über den Fußweg weiter oben im Hang, den alten Kirchweg nach Lenne, heute vorbei an der Musikhütte. Heinz Steinhanses berichtet, dass sich im südwestlichen Bereich der Wiese, also gleich am Anfang, eine nur dünn bewachsene Fläche befand. Lehrer Paul Padberg hatte seinen Schülern in den 1930er Jahren diese Stelle gezeigt und als Pestfriedhof bezeichnet.
Allerdings gibt es auch bedeutende Hinweise auf einen anderen Platz, das
Wiebern,
, umgangssprachlich auch Wieber genannt. Diese mündliche Überlieferung zu einem Pestfriedhof im Bereich Wiebern/Gensenberg kannte ich von meinem Großvater Franz Metten. Im Archiv des Saalhauser Boten entdeckte ich dann einen umfangreichen Text mit der Überschrift: „Saalhausen, Geschichte einer Dorfgemeinschaft“. Darin ist zu lesen:
„Außerhalb des Dorfes, im Wieber, oberhalb des Schulten Hofes, liegt der alte Pestfriedhof.“
Pater Bernhard Trilling erzählte mir im August 2013 bei einem Besuch im Missionshaus in Oeventrop, dass er den Text in den 1970er Jahren auf Anregung von Paul Schmidt hin verfasst hat. Seine Angaben zum Pestfriedhof haben als Grundlage die Überlieferung auf dem Hof Trilling.
So lässt sich zurzeit nicht zweifelsfrei klären, wo die Toten der Pest 1667 beerdigt wurden. Die Berichte zeigen aber, wie lebendig die mündliche Überlieferung in den vergangenen Jahrhunderten war. Möglicherweise sind an beiden genannten Orten Opfer der Pest bestattet worden. Ich würde mich freuen, falls Leserinnen und Leser des Saalhauser Boten noch etwas Ergänzendes mitteilen können.