Saalhauser Bote Nr. 43, 2/2018
Zurück Inhalt Vor

Themenvorstellung Genealogie II.

Ein Erfahrungsbericht
Fortsetzung
von Alexander Rameil
kirchenbuchseite.jpg
Kirchenbuchseite mit Schramme auf der Plastikfolie

Kommt man im Alltag gelegentlich auf das Thema Genealogie, auch Ahnenforschung genannt, zu sprechen, hört man manchmal die Frage, wie weit man denn so zurückkäme? Sicher liegt es in der Natur einer klassischen Ahnentafel, sich generationenweise zurückzuarbeiten. Jedoch wird immer das Vervollständigen der gesamten Ahnenreihe pro Generation angestrebt. Eine besondere Herausforderung besteht darin, über die Ehefrauen, die Mütter der Ahnen und Ahninnen in anderen Familien und über diese auch oft in anderen Pfarreien und Dörfern weiter zu forschen. So müsste die meist rhetorisch gestellte Frage nach dem „zurückkommen“ sich wohl eher auf die Anzahl an möglichen Forschungsergebnissen beziehen. Vielleicht hilft dabei folgendes Gedankenspiel:

Die acht Urgroßeltern eines im Jahre 2000 geborenen Kindes kamen alle um das Jahr 1900 zur Welt. Deren insgesamt vierundsechzig Urgroßeltern kamen um das Jahr 1800 zur Welt, und um das Jahr 1700 wiederum alle fünfhundertzwölf ihrer(möglichen)Urgroßeltern.

Vorausgesetzt, das durchschnittliche Alter einer Elterngeneration bei Geburt des Kindes liegt bei rund fünfundzwanzig Jahren, was jedoch in einzelnen Fällen jeweils höher oder auch niedriger sein kann. Also könnte, bei solchen zufälligen Zeitverschiebungen durch Altersunterschiede bei Eheleuten, die zehnte Ahnenreihe ungefähr zwischen 1640 und 1700 geboren sein bzw. gelebt haben. Also dem Zeitraum des Beginns der Kirchenbuchaufzeichnungen.

Rechnet man alle diese zehn Generationen zusammen, kommt man theoretisch auf eine Anzahl von eintausendzweiundzwanzig angehörigen Ahnen von eben nur einem Kind, einschließlich seiner Geschwister, als Probanden. Bei Abzug eines *Ahnen-Implex von sechs Prozent, in zehn Generationen, wären dies letztlich neunhundertsechzig tatsächliche Ahnen, die genau zur Hälfte mehrfache Urgroßväter und Mütter dieses Kindes, wie auch seiner Geschwister sind. Die sechs Prozent „Ahnenverlust“ oder „Ahnen-Implex“ entsprechen dem bei meinen Geschwistern und mir. Dieser kann aber (in anderen Familien) auch höher oder niedriger sein. Das alles zeigt zumindest erst einmal theoretisch die Möglichkeiten, welche sich in der klassischen Ahnenforschung auftun. Leider werden diese Möglichkeiten oft durch Brände oder Kriegseinwirkungen deutlich geschmälert. Nicht deshalb, sondern wer die eigenen Eltern sind, hat Einfluss auf alle weiteren Forschungsverläufe. Im Hinblick auf die eigene Ahnensuche habe ich sehr viel Glück gehabt. Das meiste, das ich über die Ahnen erfahren konnte, ist durch die Archive in Detmold und Paderborn abgedeckt.

Je nach Lust und Laune besuchte ich diese oft in Verbindung mit anderen Freizeitaktivitäten. Alle Informationen daraus sind wertvoll und mühsam erarbeitet.

In Paderborn lasse ich mir Kirchenbuchverfilmungen „aus den siebziger Jahren“ nach eigenem Bedarf aushändigen. Diese, in Metalldosen eingepackten Filme werden in ein ebenso altes Lesegerät eingespannt, so dass ich diese mit zwei Kurbeln rechts und links hin und herdrehen kann. Auf einem Bildschirm vor mir erscheinen so die Originalverfilmungen der alten Kirchenbuchseiten.

Die alte Schrift macht zusammen mit den lateinischen Ausdrücken weniger Probleme als die Qualität der Seiten, oder die lückenhaften Aufzeichnungen und die persönlich schwankenden Handschriften damaliger Pfarrer. Eigentlich ist alles eine Gewohnheitssache. Auch heute kennt man das Phänomen, wenn jemand etwas mit Kugelschreiber auf einen Notizblock schmiert, macht es das Lesen oft schwierig. So ist dieses weniger vom Zeitalter abhängig. Mit dem Kirchenbuchlatein ist es auch nicht so wild. Im Grunde geht es um dreierlei: Taufen, Heiraten und Sterbefälle.

Nur wenige lateinische Begriffe sind wichtig, sie zu behalten, und die Vornamen, Familien oder Hofsnamen sowie Dörfer, Orte sind beliebig austauschbar. Es kann ein Vorteil sein, sich in der Gegend des jeweiligen Kirchenbuches, von heute auf damals rückwirkend, auszukennen.

Das größere Problem sind die oft mangelhaften und lückenhaften Aufzeichnungen der damaligen Pfarrer. Oft waren Kirchenbucheinträge ein lästiges Nebenher. Häufig fehlt die Elternangabe bei Eheleuten oder der Herkunftsname und Ort der meisten Ehefrauen.

Manchmal hilft es, alle Taufpaten zu kontrollieren, um Rückschlüsse auf das familiäre Umfeld zu gewinnen. Immer öfter müssen unterschiedliche Quellen verglichen und abgeglichen werden für immer dürftiger werdende Informationen. Da bewegt man sich bereits an der Schwelle zur gesamten Erfassung aller Kirchenbücher der jeweiligen Pfarreien. Doch dieses wurde in unserer Gegend „dankenswerterweise“ bereits geleistet.

Zu all den Schwierigkeiten kommen noch ganz profane Dinge, welche Probleme bereiten können. Da klemmt mal so eine Plastikrolle und sitzt in dieser blöden Metalldose fest. Eine Schramme im Plastikfilm sitzt nun dort, wo gerade an dieser Stelle im Kirchenbuch die erhoffte Information gestanden hat. („Knurr“) Als wenn es manchmal so sein sollte. Dazu kommt noch der zeitlich begrenzte Rahmen in einem solchen Archiv. Manchmal sah ich 1)Hobbyforscher, gleich Wölfen vor einer Metzgerei, morgens um halb neun vor der Archivtür stehen. Während der Recherchen im Archiv, einem leichten Trancezustand gleichend, bildet sich um mich herum eine Geräuschkulisse aus Hüsteln, Seufzen und wildem Hin- und Herdrehen an den Lesegeräten. Man hofft dort, unter Zeitdruck an die, ach so ersehnten Informationen zu kommen.

Daneben ist es immer gut, Kontakte zu gleichgesinnten Forschern zu pflegen, um Rücksprache zu allen möglichen Fakten und Thesen halten zu können.

Denn niemand von uns Hobbyforschern hat der Weisheit letzten Schluss gepachtet. Der Weg ist das Ziel.

1)Für einen fließenden Text sind beide Geschlechter gemeint. *Siehe weitere Informationen unter diesem Begriff in Wikipedia.


Zurück Inhalt Vor