Saalhauser Bote Nr. 43, 2/2018
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Geschichte vom „Haus Waidmannsheil“ in Gleierbrück bis zum Abriss im Frühjahr 2018

von Carola Schmidt

Jahrzehntelang war das Fachwerkhaus der Gastreichs „Gasthof-Pension Waidmannsheil“ an der B236 in Gleierbrück ein attraktives Gebäude. Nach Aussage des Heimatforschers Robert Rameil lässt sich die Bauzeit des Hauses als Bauernhof auf die Zeit 1833 bis 1845 anhand von Urkunden belegen. Der Bauernhof wurde bewirtschaftet und zeitweise verpachtet.

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Postkarte
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Erwin Gastreich kam als Hoferbe 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft nach Hause ins Siegerland, wohin seine Mutter nach dem frühen Tod des Vaters umgezogen war. Dort hatte Erwin seine zukünftige Frau Grete kennengelernt. Im Jahr 1953 beschlossen die Eheleute Erwin und Grete mit Sohn Klaus aus dem Siegerland auf den Bauernhof in Gleierbrück umzusiedeln. Da kam ihnen ein Vorschlag sehr gelegen, den Bauernhof in eine Wirtschaft mit Fremdenzimmern umzuwandeln. Die Gasthof-Pension "Waidmannsheil" eröffnete im Jahr 1958. Im oberen Lennetal war es das erste Haus mit fließend kalten und warmen Wasser in den Gästezimmern; für die damalige Zeit eine absolute Neuerung.

In den Jahren 1958 bis 1983 führten Grete und Erwin das Haus Waidmannsheil. An den Wochenenden gab es regelmäßig Tanzveranstaltungen mit einer Live-Band, z.B. 4 Musikern, die aus der Kaserne Oedingen kommend, am Wochenende gerne ein paar DM dazuverdienten; oder einer 4-Mann-Band um und mit Manfred Erwes. Diese Abende erreichten einen wahren „Kultstatus“. Manch Saalhauser erinnert sich voller Wehmut an die geselligen Nächte in Gleierbrück, häufig gefolgt von einem nächtlichen Fußmarsch zurück nach Saalhausen.

Auf der Höhe des Hauses von „Lübken Tante Anna“ (in der Nähe des heutigen Kreisverkehrs) wurde von manchem Heimkehrer ein Zwischenstopp eingelegt. Auch wenn Anna für die Durstigen nachts die Haustür nicht öffnete, ließ sie es sich nicht nehmen, aus einem Kippfenster über der Haustür an einem Seil ein Fläschchen Wein herunterzulassen.

Berühmt sind die Geschichten von Erwin Gastreich, die dieser Gästen von „auswärts“ auftischte. Gab es doch im "Waidmannsheil" ein Exemplar eines „Wolpertingers“ - einen ausgestopften Hasen mit Hörnern und Federn. Mit voller Inbrunst erzählte Erwin den überraschten Städtern, dass es diese Art von seltenen und geheimnisvollen Mischwesen tatsächlich in Sauerländer Wäldern gäbe. In manch privater Bar in Saalhausen soll es diese ausgestopften Mischwesen noch heute geben.

Die Bedingungen für das Haus Waidmannsheil wurden allerdings immer schwieriger. Langsam erwachte das Bewusstsein für "kein Alkohol am Steuer". Um die Saalhauser als Gäste zu halten, chauffierten Grete und Erwin regelmäßig ihre Gäste nach den Abendveranstaltungen mit dem hauseigenen Wagen nach Hause. Das Interesse der neuen Generation an Tanzveranstaltungen dieser Art ließ aber nach, die ersten Diskotheken waren für die junge Generation interessanter und zeitgemäßer.

Um die jüngere Generation als Gäste zu erhalten, eröffneten Grete und Erwin im eigenen Haus kurzfristig auch eine Diskothek. Als jedoch der Drogenkonsum einiger Gäste offensichtlich wurde, schlossen die Gastreichs den Diskothekenbetrieb von einem Tag auf den Anderen. Da zeichnete sich ab, dass die ältere Generation nicht mehr nach Gleierbrück zu den Tanzveranstaltungen kam und die jüngere erst recht nicht. Als Erwin Gastreich dann auch noch erkrankte, fiel die Entscheidung: Grete und Erwin gaben das Kommando im Haus Waidmannsheil an Sohn Klaus ab.

Dieser führte das Haus von 1983 bis 1988. Klaus war gelernter Koch und bot neben dem Kneipenbetrieb auch Mittagstisch und komplette Buffets an. Zu besonderen Festtagen wurden weiterhin Tanzveranstaltungen angeboten. Doch die Anstrengungen reichten nicht: angesichts einer finanziellen Schieflage musste das Haus Waidmannsheil schließen. Neuer Eigentümer des Gebäudes wurde die Stadt Lennestadt.

Einige Jahre diente das Haus der Stadt Lennestadt für die Unterbringung von Asylanten, danach von Flüchtlingen. Nach der Schaffung neuer Unterbringungsmöglichkeiten im Zuge der Flüchtlingswelle (u.a. die neue Unterkunft am Kur- und Bürgerhaus) war die Stadt auf das Gebäude in Gleierbrück nicht mehr angewiesen. Die mit hohen Kosten verbundene Renovierung von Haus Waidmannsheil war an einem Punkt nicht mehr sinnvoll, und so beschloss die Stadt Lennestadt den Abriss des Gebäudes und eine Nutzungsänderung des Grundstücks als Bauland von ca. 4.000 m² für mehrere Bauplätze.

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Im Frühjahr 2018 war es dann soweit: wochenlang konnte beobachtet werden, wie zunächst das Haus entrümpelt wurde, dann verschwanden Fenster und Türen in großen Containern vor dem Gebäude. Und schließlich dauerte es nur wenige Tage, bis das Haus in Teilabschnitten abgerissen wurde. Zurück bleibt eine große Freifläche, die zur neuen Bebauung einlädt.

Nachtrag: das Team vom Saalhauser Boten regt an, Geschichten und „Döneken“ aus dem Waidmannsheil zu erzählen und für die Nachwelt zu erhalten. Ein Terminvorschlag folgt.


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