Saalhauser Bote Nr. 43, 2/2018
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Was war denn das? / Gefriergemeinschaft in Saalhausen

von Carola Schmidt
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Auf dem Fussboden sind die Reste der Gefrieranlage zu erkennen
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Eingang zur ehemaligen Gefriergemeinschaft in Brüggemanns Scheune
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Gefriergemeinschaft in Dreislar

Nach der Konservendosen-Verschließmaschine in der letzten Ausgabe des Saalhauser Boten stellen wir an dieser Stelle eine andere Art der Haltbarmachung von Nahrungsmitteln vor: eine Gefriergemeinschaft. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

In den Anfangszeiten der Gefriertechnik in den 60-er Jahren gab es zwar schon Kühlschränke, doch die waren nur für die finanziell besser Gestellten erschwinglich. In den Dorfgemeinschaften gab es eher Eiskeller, ein ganz oder teilweise unterirdisch angelegtes Bauwerk, das zur Lagerung und Aufbewahrung von Lebensmitteln genutzt wurde.

Nach den ersten Kühlschränken folgten Kühltruhen. Doch die waren für den Privathaushalt noch so teuer, dass sich kaum ein Sauerländer Privatmann eine solche Truhe leisten konnte.

Für die öffentlichen Anlagen einer „Gefriergemeinschaft“ dagegen gab es Zuschüsse, und diese Chance nutzt der damalige Saalhauser Bürgermeister Josef Brüggemann. Nach einer Vorstellung des Projekts „Gefrieranlage“ bei Rameil Schmitten, fanden sich genügend Mieter der 24 Gefrierfächer der Anlage. Josef Brüggemann stellte der Gemeinschaft seine (1792 erbaute) ehemalige Scheune zur Verfügung.

Der Eingang zur Gefriergemeinschaft lag auf der linken Seite und die Tür ist heute noch zu sehen, ebenso wie die Überreste der Gefrieranlage auf dem Boden. Zugang zu der Gefriergemeinschaft hatten alle offiziellen Mitglieder der Gemeinschaft, 1 Schlüssel öffnete die Scheunentür, der 2. Schlüssel war individuell mit der Nummer des Gefrierfachs beschriftet. Auf einem an der Wand errichteten Tisch konnten die Mieter das Gefriergut – meist Fleisch - zum Einfrieren vorbereiten.

Hier einige Beispiele von Mietern:

Die Familie von Grete Gastreich aus Gleierbrück mietete während des ca. 10-jährigen Bestehens der Gemeinschaft 2 Fächer mit einer Kapazität von 240 l pro Fach. Der Mietpreis (inklusive Strom) betrug pro Monat 7,50 DM pro Fach. Im ersten Moment erscheint das nicht viel.

Doch auf Befragung bezifferten einige Saalhauser ihr Einkommen zur Zeit der Gefriergemeinschaft wie folgt:

Heinz Steinhanses verdiente bei Zimmermanns 0,50 DM pro Stunde, das war der Gegenwert zu einem damals erhältlichen 4-Pfund-Brot.

Marita Rameil hatte im Gasthof Rameil-Schmitten Gäste aus dem Programm KfD (Kraft durch Freude), die für einen Tagessatz von 3,75 DM ein Zimmer hatten und mit 4 Mahlzeiten (inklusive Kuchen am Nachmittag) verpflegt wurden.

Grete Gastreich als examinierte Krankenschwester verdiente im Monat 65 DM (plus freies Wohnen im Krankenhaus). Angesichts der monatlichen Einkommen relativiert sich der Mietpreis.

Nicht jeder konnte sich daher diese Art der Haltbarmachung finanziell erlauben. Parallel dazu wurde weiterhin Gemüse in (Weck-) Gläsern eingemacht, Kohl in vielen Fällen zu Sauerkraut verarbeitet und in tönernen Töpfen für den Winter gelagert.

Nach jeder Ernte und jeder Schlachtung wurde tagelang eingekocht, geräuchert und gepökelt. Und dann gab es einige Jahre noch eine weitere Errungenschaft der Technik: die Konservendosen-Verschließmaschine (wie im SB 01 2018 beschrieben).

Laut der Erinnerung von ehemaligen Mietern blieb die Saalhauser Gefriergemeinschaft über ca. 10 Jahre am Netz. Nach einem technischen Defekt am Kühlaggregat und den damit verbundenen Reparaturkosten löste sich die Gemeinschaft auf. Was genau mit den Gefrierfächern passierte, die in Brüggemanns Scheune abgebaut wurden, ist nicht bekannt Heute erinnern noch Spuren im Boden auf die ehemalige Installation.

Wie die Anlage in Saalhausen ausgesehen hat, lässt sich anhand eines Fotos erkennen: die Gefriergemeinschaft in Dreislar (Gemeinde Medebach) wird noch heute betrieben. Die Gemeinschaft verfügt auch heute noch über fast alle Unterlagen vom Bauantrag bis zur Inbetriebnahme und vom laufenden Betrieb der Anfangszeit bis heute. Bei Interesse kann der Kontakt vermittelt werden.


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