Saalhauser Bote Nr. 45, 2/2019
Zurück Inhalt Vor

Der Einzug der Fichte ins Sauerland

von Bernhard Brüggemann

Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Fichte im Sauerland nicht heimisch. Vorherrschende Baumarten waren die Buche, die Eiche und andere Laubhölzer. Die Waldbestände waren regelrecht verwüstet. Seit 1700 waren in weiten Teilen des Sauerlands sich stark ausdehnende Brach- und Heideflächen entstanden. In den Tälern wurde der Wald durch die Landwirtschaft zurückgedrängt. Die hieran anschließenden Flächen waren überwiegend mit Niederwald und in geringerem Umfang mit Hochwald bestanden.

Das galt auch für Saalhausen. In der Karte des Jagdbezirks Saalhausen der Freiherrn von Fürstenberg aus dem Jahr 1744 waren insbesondere am Südrand des Tals weitgehend nur noch die Bergkuppen mit Hochwald bewachsen. Die im Übergang zwischen dem landwirtschaftlich genutzten Tal und dem Hochwald gelegenen Flächen sind als Niederwald dargestellt. Bei diesem Niederwald handelte es sich auch in Saalhausen überwiegend um Hage- und Hauberge. So schenkten etwa nach der Fundationsurkunde zur Errichtung einer Vikarie aus Februar 1778 die Saalhauser Eingesessenen dem Kaplan einen „unter der sogenannten Rinsleien belegenen Hageberg unter dem Hochgehölz Trillings und seitlich Altenmüllers Hageberg“.

Der Sauerländer Wald war über Jahrhunderte ausgebeutet worden. Die Menschen brauchten Holz für ihre Häuser und Scheunen, das sie dem Hochwald entnahmen. Der Niederwald wurde zur Viehhude genutzt. Die Dorfhirten trieben das Vieh in die Wälder und das Vieh frass neben Eicheln und Bucheckern auch die jungen Triebe der Bäume. In den Hage- und Haubergen wurden die Bäume nach 15 bis 18 Jahren bis auf den Stock gesetzt. Das Holz wurde als Brenn- und Kohlholz genutzt. Der Reiser wurde verbrannt und die Asche verteilt. Anschließend wurde im ersten Jahr zwischen die Stöcke Roggen und im folgenden Jahr Buchweizen oder Hafer gesät. Wenn sich der aus dem Stockausschlag erneuernde Wald nicht mehr durch Verbiss gefährdet war, wurde er wieder zur Hude genutzt.

Wesentlichen Anteil am Raubbau an den Wäldern hatte auch die Köhlerei. Es gab zahlreiche Meiler, in denen Buchen- und Eichenholz zu Holzkohle gemacht wurde. Das Gewerbesteuerverzeichnis von 1809/1810 nennt für Saalhausen etwa 10 hier wohnende Köhler. Bereits im 17. Jahrhundert verbot der Kölner Kurfürst wegen der „höchsten Notdurft“ des Waldes die Ausfuhr von Holzkohle.

Die Wälder wurden auch zur Gewinnung von Gerbstoff genutzt. Von den Eichen wurde die Rinde abgeschält, in Lohmühlen zerkleinert und verarbeitet. Die Lohgerberei war in Saalhausen schon seit 1555 bezeugt und ist in einem Betrieb bis in die 1920er Jahre ausgeübt worden.

Anfang des 18. Jahrhunderts änderten sich in weiten Teilen des Sauerlandes die Waldbesitzverhältnisse. Die Kirchen und Klöster mussten im Zuge der Säkularisation ab dem Jahr 1803 ihre Waldflächen abtreten und diese wurden weitgehend zu Kommunal- und Staatswald. Daneben gab es noch die großen (adeligen) Privatwaldbesitzer, die eigene Forstverwaltungen hatten.

In Saalhausen war weiter der Wald bäuerlicher Privatbesitz. Das Kloster Grafschaft hatte hier keinen Wald und adelige Großwaldbesitzer gab es hier nicht. Seit dem Mittelalter hatte es neben dem hofeigenen Besitz noch Gemeinschaftswälder gegeben, die aber im 17. Jahrhundert auf die Eingesessenen aufgeteilt worden waren. So sind 1725 die Saalhauser Mark und 1751 die Gleier Hochmark aufgeteilt worden.

Nach dem Übergang des Sauerlandes an Hessen-Darmstadt wurde 1803 eine neue Forstverwaltung aufgebaut. Die hessische Regierung übernahm die Oberaufsicht über alle Waldungen und handhabte die Holzgesetze streng. Den Bauern wurde etwa das nötige Brennholz angewiesen. Ab 1815 wurde die Forstverwaltung in die preußische Verwaltung integriert. Die Preußen förderten auch im Sauerland mit Verordnungen und Gesetzen eine Wiederaufforstung der Heide- und Brachflächen und des Staats- und Kommunalwaldes. Sie setzten dabei auf schnell wachsende und anspruchslose Nadelhölzer wie die Fichte. Seither wird die Fichte auch verbreitet als „Preußenbaum“ bezeichnet.

Auch im Privatwald wurde zeitlich verzögert, z.T. erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, und gegen erhebliche Widerstände der Viehbesitzer der bisher vielfältig und gemeinschaftlich genutzte Laubmischwald in reine Fichtenwälder umgewandelt. Die Naturverjüngung wurde durch künstliche Verjüngungsformen (Pflanzung, Saat) ersetzt. 1852 hatte Hanses-Ketteler aus Rinsecke die Idee, selbstgezogene Forstpflanzen an andere Kunden auszuliefern. Schon in den 1870er Jahren gab es dann zahlreiche „Baumschulen“ im Kirchhundemer Land, die Pflänzlinge in alle Teile des Deutschen Reiches lieferten. Grund für den Umbau der Wälder war neben staatlicher Unterstützung und Förderung auch der veränderte Holzmarkt. Die Stahlindustrie nutzte Steinkohle und nicht mehr die Holzkohle, so dass bis etwa 1860 die Waldköhlerei weitgehend verschwand. Die Gerberei wurde unrentabel, weil es billigere Gerbstoffimporte und synthetische Gerbmittel gab. Zugleich gab es eine ständig wachsende Nachfrage nach Stammholz durch den fortschreitenden Eisenbahnbau (Schwellenhölzer), den Bergbau (Gruben- und Schwellenhölzer), die Papierindustrie (Zellstoff) und den einsetzenden Wohnungsbauboom (Bauholz). Dieser Bedarf konnte angesichts der längeren Umtriebszeiten der Laubgehölze am besten durch die schnell wachsende Fichte gedeckt werden. Durch die Ruhr-Sieg-Strecke konnte das Holz auch schneller und einfacher in das Ruhrgebiet mit seinem durch die Industrialisierung hohen Holzbedarf transportiert werden. Daher zog die Fichte ins Sauerland ein und wurde der „Brotbaum der Forstwirtschaft“.

Die Fichte hat in Saalhausen immer noch einen Anteil von rund 70 % an unseren Wäldern. Nachdem am 18. Januar 2007 durch den Sturm „Kyrill“ zahlreiche Fichten geworfen wurden, begannen viele Waldbesitzer mit dem Umbau der reinen Fichtenbestände in Mischwald und mit der Pflanzung anderer Nadelhölzer wie z.B. Douglasie. In ganz Mitteleuropa sind die Fichtenbestände durch die Hitze und Trockenheit der vergangenen Jahre und die 2018 ausgebrochene Borkenkäferkalamität gefährdet. Es ist zu hoffen, dass der nächste Artikel nicht „Das Ende der Fichte im Sauerland“ überschrieben werden muss.


Zurück Inhalt Vor