Saalhauser Bote Nr. 47, 2/2020
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Archäologie infolge des Klimawandels auf der Wallburg Hoher Lehnberg

von Dr. Manuel Zeiler
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Abb 1: Topografie der Wallburg Hoher Lehnberg. Grün: Scheitellinien von Ringwall (RW), Vorwall (VW) und Spornwall (SW); Weiß: evt. bereits zerstörte Wallpartie; Gelb: Zuwegung; T: Torstandorte?; Gelbe Fläche/K: Kellergrube?; Rot: Grabungsschnitte; Blau: ausgewählte Funde; Sc: Störung am Wallfuß; St: Steinbruch (Kartengrundlage: Land NRW (2020). dl-de/by-2-0 [www.govdata.de/dl-de/by-2-0]; Grafik: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler).

Der Klimawandel hat zunehmend negative Konsequenzen für den Erhalt des kulturellen Erbes. In Südwestfalen äußert sich das in Schadensereignissen im Altbergbau aufgrund von Starkregen und seit 2018 allgemein durch zunehmenden Windbruch sowie die Massenausbreitung von Fichtenborkenkäfern. Diese wurde am 18. Januar 2018 »vorbereitet«, als das Orkantief Friederike große Baumbestände fällte, vielerorts die Waldränder öffnete und damit die Besiedlung von bruttauglichem Holz durch die Käfer erleichterte. Die lange dauernde Trockenphase ab April verhinderte dann, dass die Fichten Harz produzieren konnten, um den Befall abzuwehren, weswegen sich die Borkenkäfer massenhaft ausbreiteten. Zehntausende befallene Bäume konnten nicht umgehend entfernt werden und die monatelange Trockenheit im Folgejahr steigerten die Schäden, sodass nun große Waldbestände aus toten sowie befallenen Bäumen zu verzeichnen sind.

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Abb 2: Kerzenhalterfragment (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/H. Menne).

Bereits das Orkantief hatte große Zerstörungen archäologischer Befunde zur Folge, da die umgestürzten Bäume Bodendenkmäler wie Wallburgen oder Landwehren aufrissen. Mehr noch ist aber die Entfernung von Windbruch, Schad- und Totholz der eigentliche Zerstörungsfaktor: denn beim Herausschleifen der Bäume und dem Schieben von Gassen, um das zu entfernende Holz überhaupt erreichen zu können, werden massive und tiefgründige Bodeneingriffe entstehen. Die Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie für Westfalen ist daher seit 2018 zunehmend mit dieser Problematik befasst und konnte vielfach zusammen mit den Förstern fallspezifische Lösungen entwickeln. Einer dieser Fälle sind Maßnahmen am eingetragenen Bodendenkmal der Wallburg Hoher Lehnberg bei Lennestadt-Saalhausen, die im Sommer 2019 realisiert wurden.

Die Wallburg liegt auf einer kuppenartigen Rumpffläche der Saalhauser Berge zwischen 645 und 668 m ü. NN und umfasst eine Fläche von ca. 1 ha. Die Anlage ist in einen ca. 62 m langen Spornwall (SW), in einen ca. 35 m langen Vorwall (VW) sowie in einen ca. 130 m langen Ringwall (RW) gegliedert (Abb. 1). Während der Ringwall das Umfeld teilweise mehrere Meter überragt, ragen die beiden anderen Wälle nur bis 1 m über das umgebende Gelände heraus. Vor- und Spornwall riegeln das leicht zu überquerende Vorgelände ab. Ursprünglich war die Wallburg über einen Weg zugänglich, der, beginnend am Südostrand, geschickt entlang des Steilhangs über eine Rampe bis zur Mitte der Burg lief. Der Zugang war so über 70 m flankiert (gelb gepunktete Linie) und lässt daher zwei Torbauten vermuten (T1 und T2). Eine ca. 5 m x 5 m große Mulde im südöstlichen Bereich der Wallinnenfläche könnte der Keller (K) eines Gebäudes, vielleicht sogar eines Turmes gewesen sein. Hier detektierte der Heimatforscher Wolfgang Poguntke im Auftrag der LWL-Archäologie für Westfalen 2012 eine hochmittelalterliche Axtklinge (Abb. 1: 2-3), während er eine wahrscheinlich mittelalterliche Tüllenpfeilspitze an der Außenseite des Ringwalls barg (Abb. 1: 2-2) sowie einen seltenen und vergoldeten Buntmetallkandelaber mit Strichverzierung auf den Standbeinen, ebenfalls eher hochmittelalterlich datiert (Abb. 1: 2-1 u. Abb. 2). Bereits 1960 wurde eine Randscherbe in einem Baumwurf auf dem Wall entdeckt (Abb. 1: 1), die Eva Cichy als Ware Paffrather Art in das 11. bis 12. Jahrhundert datiert

Ein ausgedehnter Steinbruch (St) hat massive Schäden sowie Überprägungen im Südosten von Ring- und Vorwall angerichtet, während möglicherweise der Spornwall ehemals weiter nach Süden reichte, aber dort eingeebnet wurde (SW?). Am Nordfuß des Ringwalls befindet sich eine massive, fast 2 m tiefe Eingrabung in eine Störungszone des Schiefers (Sc), deren Anlass unbekannt ist.

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Abb 7: Eiserne Tüllenlanzenspitze (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/H. Menne).
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Abb 8: Eiserne Sporn (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/H. Menne).

Der Forsteigentümer auf dem Hohen Lehnberg, Holger Deitmer, verständigte 2018 die Außenstelle Olpe über den massiven Schadensbestand im Forst am Bodendenkmal. Besonders im steilen Südhang und in der Westhälfte der Wallburg waren zahlreiche Fichten abgestorben, die nun zu entfernen waren. Hierbei wurden aber massive Schäden an den Wallkörpern befürchtet, da diese mit Räumfahrzeugen vielfach hätten überfahren werden müssen. Diskutiert wurde daher zunächst, ob bodenschonende Holzbringungssysteme (z.B. LogLine) für den Abtransport des gefällten Holzes geeignet sind, oder aber ob die Wälle vor dem Überfahren mit massiven Schotterpaketen abgedeckt werden könnten. Ersteres erwies sich als technisch nicht durchführbar und Zweites als unverhältnismäßig teuer. Daher realisierte die Außenstelle Olpe in 10 Tagen im trockenen August drei Grabungschnitte durch die Wälle, die finanziell durch den Forsteigentümer unterstützt wurden, um danach eine Räumgasse für den Holztransport ausweisen zu können. Unterstützt wurden die Ausgrabungen zudem durch Wolfgang Poguntke, der auch weitere Detektorbegehungen durchführte.

Die Teilzerstörung gut erhaltener Bodendenkmalstrukturen ist aus Sicht der Archäologischen Denkmalpflege bedauerlich, aber durch die zuvor erreichte archäologische Ausgrabung fachlich vertretbar. Die Grabung war auch alternativlos, weil ohne die jetzt mögliche Lenkung des Holztransports deutlich großflächigere Störungen an der Denkmalsubstanz eingetreten wären.

Die drei Wallschnitte (Abb. 1: S1-S3) legten mit mehreren Zwischenplana die jeweils benötigte Fahrtrasse bis zum gewachsenen Untergrund frei. Die Zuhilfenahme eines Kleinbaggers erleichterte und beschleunigte die Arbeiten erheblich (Abb. 3-4). Entgegen unseren Erwartungen war der Aufbau aller Wälle sehr simpel: Alle Wälle weisen keine Einbauten oder Verschalungen auf, sondern stellen lediglich aufgeschüttetes Material dar, zu dessen Gewinnung im Vorfeld ein Graben ausgehoben wurde. Das Nordprofil von Schnitt 1 (Abb. 5) lässt erkennen, dass hier ursprünglich ein Wall mit einer steileren Böschung von ca. 43° aufgeschüttet wurde, der später zur heutigen Form mit ca. 1 m Höhe zerfiel. Das verstürzte Volumen lässt bei Annahme eines gleichmäßigen Wallböschungswinkels eine Gesamthöhe von ca. 2 m rekonstruieren, was auch das Fehlen von Pfostenlöchern einer Palisade in den ausgegrabenen oberen Plana erklärt: Wenn die Pfosten 1 m tief in den (zum Grabungszeitpunkt verlorenen) Wallkörper gesetzt worden wären, wäre dies bereits ausreichend gewesen, um eine 2 m hohe Palisade sicher zu verankern. Damit hätte die Spornbefestigung eine Gesamthöhe von 4 m aufweisen können.

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Abb 5: Blick von Süden auf das Nordprofil von Schnitt 1. Rot: Brandschicht; Blau: Originäre Außenkante des Walls (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/L. Cramer).

Die Befundsituation bei den anderen Wallschnitten ist hingegen unklarer, denn hier konnten in den Profilen die ehemaligen Böschungskanten nicht eindeutig erkannt werden. Allen Wällen ist aber gemeinsam, dass bei ihrem Bau der Boden bis zum verwitterten Anstehenden abgegraben wurde, dem eine Brandschicht aufliegt – eventuell ein Rodungshorizont (Abb. 6). Aus diesen wurden Holzkohlen geborgen. Mittels der Radiokarbonmethode konnte die Holzkohle datiert werden. Diese Datierungsmethode misst das Verhältnis zweier Kohlenstoffisotope in der Probe, denn nach dem Ableben eines jeden Organismus zerfallen einige Kohlenstoffisotope und bilden ein andersartiges Kohlenstoffisotop. Durch die Messung der Verhältnisse der Isotope zueinander ist folglich der Todeszeitpunkt des Organismus grob bestimmbar. Die Ergebnisse schwanken dabei um meist mindestens 100 Jahre. Die so gewonnenen Daten waren eine große Überraschung. Denn während die beiden äußeren Wälle erwartungsgemäß einen mittelalterlichen Bauzeitpunkt annehmen lassen (9. bis 12. Jahrhundert), datiert die Holzkohle unter dem zentralen Ringwall in die Eisenzeit (8.-5. Jahrhundert v. Chr.). Das bedeutet, dass die Wallburg eine zweiphasige Anlage ist.

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Abb 6: Planum auf die Aschenschicht mit geröteter Sohle von Schnitt 3 (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/L. Cramer).

Die Wallschnitte erbrachten keine weiteren Funde, hingegen detektierte Wolfgang Poguntke im Humus außerhalb der Wallburg aussagekräftige Eisenartefakte (Abb. 1). Es handelt sich um eine Tüllenlanzenspitze (Abb. 1: 25 u. Abb. 7), eine Spore (Abb. 1: 9 u. Abb. 8), eine Sichel (Abb. 1: 5) sowie einen Hammer (Abb. 1: 27), die ebenso wie die anderen Funde in das Hochmittelalter datieren.

Zusammenfassend offenbart sich die Wallburg Hoher Lehnberg als eisenzeitliche Befestigung aus einem Ringwall, die im Hochmittelalter nachgenutzt und deutlich erweitert wurde. Die mittelalterlichen Funde – vor allem der seltene vergoldete Kandelaber – machen sogar die Anwesenheit Angehöriger höhergestellter Gesellschaftsschichten wahrscheinlich. Die mangelnde historische Überlieferung lässt aber erahnen, dass die Wallburg im Mittelalter nicht lange von Bedeutung war.

Dr. Manuel Zeiler
LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe
In der Wüste 4
57462 Olpe
Manuel.zeiler@lwl.org


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